Die Kunst des Harfenspiels in seiner ganzen zeitlosen Faszination erlebten die Besucher des Museumskonzerts im sehr gut besuchten Roten Saal des Deutschordensschlosses. Gezeigt wurde sie von der belgischen Harfenistin Anneleen Lenaerts, mit ihren 28 Jahren international vielfach mit bedeutenden Preisen ausgezeichnete Solistin, die sich mit einem ebenso virtuosen und abwechslungsreichen Programm mit Stücken aus dem Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts, gekrönt von einer Harfen-Interpretation der Chaconne aus Bachs Partita in d-moll mit hinreißender Brillanz und persönlichem Charme in die Herzen des Publikums spielte.
Der ungewöhnliche Abend bot nicht nur fürs Ohr, sondern auch fürs Auge einiges: Zum einen die reizende Erscheinung der Interpretin in ihrer dunkelblauen Robe und dann der imponierende Anblick der mächtigen und prachtvollen, in Weiß und Gold gehaltenen Doppelpedalharfe. Mit ihren 48 Saiten ist sie ein kleines Orchester für sich und zudem ein Instrument, dessen eigentümlich betörender und suggestiver Klang wie kein anderer die Phantasie beschäftigt, mehr noch als das Pianoforte, das sie zwar an dynamischer Spannweite und Differenziertheit der Ausdrucksmöglichkeiten übertrifft, aber doch nicht über diesen unvergleichlichen und märchenhaften Farbenzauber verfügt - silbrig und wie aus jenseitigen Sphären stammend in den Höhen, mit mattem Schmelz in der Mittellage, dunkel füllig raunend und rauschend in der Tiefe . . .
Nicht zuletzt ist dieser Klang weicher und weiblicher in seinem Charakter, was mit ein Grund sein mag, dass die Harfe seit dem 19.Jahrhundert in der französischen und auch der russischen Musik eine wesentlich größere Rolle gespielt hat als etwa in der deutschen, wo man der Gedankentiefe und Abstraktion meist vor der Klangsinnlichkeit den Vorrang einräumte.
Dies schlug sich auch im Programm des Abends nieder, dessen Schwerpunkt Werke des späten 19. und frühen 20.Jahrhunderts bildeten, wobei mit Gabriel Fauré und Claude Debussy gleich zwei Franzosen vertreten waren, die beide das spezifisch klangimpressionistische Potential des Instruments zu schätzen wussten. Fauré mit seinem kleinen Impromptu op.86 und dem geisterhaft in nächtigen Farben schillernden "Une chatelaine en sa tour" nimmt da schon manches vom Stil seines Nachfolgers Claude Debussy vorweg, der hier mit einem Harfenarrangement von "Clair de lune"(ursprünglich für Klavier geschrieben) aus seiner "Suite bergamasque" vertreten war. In diesem sehr verhaltenen Stück erzeugte Anneleen Lennaerts in meisterlichen subtilsten piano- bis pianissimo-Tönen eine geradezu somnambule Stimmung und sorgte für einen der künstlerischen Höhepunkte dieses rund 50-minütigen Abends. Doch kam auch die hochvirtuose Harfenliteratur nicht zu kurz, mit jenem in allen Farben schimmernden und rauschenden Salonklang, der einen an die untergegangene Welt der Pariser Bel epoque oder der Petersburger Adelsgesellschaften denken lässt. Dafür standen die ebenso schwermütige wie elegante Fantasie über ein Thema aus "Eugen Onegin" der Russin Ekaterina Walter-Kühne, ein kurzes kapriziöses Impromptu ihres Landsmanns Reinhold Glière" oder der hochvirtuose Walzer in As-dur des Belgiers Joseph Jongen.
In romantische Gefilde hinwegtragen lassen konnte man sich zum Finale durch ein von der Interpretin wundervoll schwerelos und silberflüssig gespieltes Arrangement von Smetanas "die Moldau" und dennoch: Den nicht nur gewichtigsten, sondern auch eindringlichsten Programmteil hatte Lenaerts ganz an den Beginn ihrer Vorstellung gesetzt: In Form von Johann Sebastian Bachs Chaconne d-moll, von ihr mit solcher Kraft und Klarheit, sprechender Intensität des Ausdrucks und gestalterischer Souveränität interpretiert, dass als Ergebnis am Ende weit mehr stand als nur brillante Harfenmusik, sondern einfach "nur" große Musik.
Für den überaus herzlichen Beifall im Roten Saal gab's noch zwei Zugaben, von denen eine zeigte, wie man mit der Harfe auch mal Jazz veredeln kann. the
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