Film

Wim Wenders beleuchtet das Werk von Anselm Kiefer

Der international renommierteste deutsche Filmemacher Wim Wenders porträtiert in seiner 3D-Doku den gefeierten wie umstrittenen Maler und Bildhauer Anselm Kiefer. Was er dabei über seinen Lebensweg, seine Inspirationen und seinen kreativen Prozess enthüllt

Von 
Gebhard Hölzl
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Anselm Kiefer (l.) und Wim Wenders in einer Szene des Dokumentarfilms „Anselm – das Rauschen der Zeit“. © Ruben Wallach/Road Movies/dpa

Er ist der wohl international renommierteste und bekannteste deutsche Filmemacher: Wim Wenders, 1945 in Düsseldorf geboren. Bei rund 80 Filmen hat er seit seinem Debüt 1971, der Peter-Handke-Adaption „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, Regie geführt. Zu seinen Erfolgen zählen die Patricia-Highsmith-Verfilmung „Der amerikanische Freund“ oder das Roadmovie „Paris, Texas“, für das er die Goldene Palme in Cannes gewann. Für drei Oscars wurde er nominiert, 2015 auf der Berlinale mit dem Ehrenbären fürs Lebenswerk geehrt. Bildstark sind seine Werke, vielseitig, stets überraschend und innovativ.

Hervorragende 6K Auflösung

Der Regisseur, Autor, Produzent und Fotograf, Träger des französischen Ordens Pour le Mérite, liebt das Medium Film, experimentiert gerne mit (neuen) Technologien. Schwarzweiß hat er gedreht, in Breitwand, im klassischen 4:3 TV-Format. Und natürlich in 3D - beim Drama „Die schönen Tage von Aranjuez“, seinem Segment des Kompilationsfilms „Kathedralen der Kultur“ sowie der Pina-Bausch-Hommage „Pina - tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“. Auf diese Form hat er aktuell wieder für seine Dokumentation „Anselm - Das Rauschen der Zeit“ zurückgegriffen. Ein logischer Schritt, huldigt er doch hier - in hervorragender 6K Auflösung - Anselm Kiefer. Der 78-jährige Joseph-Beuys-Schüler hat, wenn man so will, seine Karriere in 2D begonnen, „klassisch“ als Zeichner, Grafiker und Maler, ehe er sich der Dreidimensionalität zuwandte - in Form mächtiger Installationen.

Feurige Kunst: Wim Wenders zeigt Anselm Kiefer bei der Arbeit. © Road Movies

Zwischen solchen, in sanft hügeliger Landschaft, inmitten eines lichten Waldes, schwebt zunächst scheinbar schwerelos Franz Lustigs („Palermo Shooting“) Kamera. Weiße, ausladende (Braut-)Kleider, mit Gips verfestigt, sind zu sehen. Die Köpfe, ersetzt durch Steine oder Glassplitter, fehlen. Eine gespenstisch anmutende Modeschau. Instinktiv erinnert man sich an „Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten“, Wenders’ Hommage an den Designer Yohji Yamamoto. Dann ein harter Schnitt. Der nächste Schauplatz ist Kiefers Atelier nahe Paris. Eine riesige Fabrikhalle, vollgestellt mit überquellenden Stellagen und abstrakten Kunstwerken. Mittendrin Anselm Kiefer, der sich in den Endlosgängen auf dem Fahrrad fortbewegt.

Wenders begleitete Kiefer mehr als zwei Jahre lang

Assoziativ, sprunghaft, mit zahlreichen Ortswechseln - etwa in die südfranzösische Gemeinde Barjac, wo Kiefer in den 1990er-Jahren ein 40 Hektar großes Areal mit Häusern, Türmen und Tunneln bestückte und eine surreale Stadt schuf - nähert sich der Filmemacher seinem ruhelosen Protagonisten, den er zwei Jahre lang begleitet hat. Gewährt tiefe Einblicke in dessen Welt, dessen monumentale, monströse Kunst, mit der er die menschliche Existenz und die zyklische Natur der Geschichte erforscht und sich immer wieder mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Nationalsozialismus und dem Holocaust auseinandersetzt.

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Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
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Inspiriert von Literatur - besonders von Ingeborg Bachmann und Paul Celan, die in historischen Aufnahmen aus ihren Werken rezitieren - von der Bibel, der Philosophie, der Wissenschaft, der Mythologie...

Cineastische Momente kommen ins Spiel, wenn Kiefers Sohn Daniel in die Rolle seines Vaters als junger Mann schlüpft, derweil Wenders’ Großneffe Anton den Part Kiefers als Kind übernimmt. Eine impressionistisch montierte Werk-, Personen- und Nabelschau. Ein Gesamtkunstwerk zweier Künstler auf Augenhöhe.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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