Stuttgart. 90 Minuten „Danish Dynamite“: Nein, die Rede ist nicht von der Fußballnationalmannschaft unseres nördlichen Nachbarn, sondern vom Team „Volbeat“. Während die Kicker aus Dänemark in den letzten Jahren ihren Status eingebüßt haben, spielten sich die Mannen um Kapitän Micahel Poulsen kontinuierlich in die Metal-Champions-League. Ihr hohes spielerisches Niveau demonstrieren sie auch beim Auswärtsspiel in der ausverkauften Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle, das wie ein Heimspiel anmutet. Vom ersten Ton an ist der Support von den Rängen riesengroß. 13.000 Fans sind aus dem Häuschen und singen von Anfang bis Ende frenetisch mit. Kantersieg.
Vom ersten Ton wird frenetisch gefeiert
Der Dänen-Vierer setzt gleich auf die Abteilung Attacke. Als der Vorhang noch den Blick auf die Bühne verhüllt, durchschneiden die ersten Gitarrenriffs von „The Devil‘s Bleeding Crown“ das große Rund. Selbst auf den hintersten Sitzplätzen bleibt kaum jemand sitzen. Doch damit nicht genug. Poulsen und Kumpane bitten sofort „Lola Montez“ zum Tanz und hauen so gleich zu Beginn zwei ihrer großen Speed-Rock‘n‘Roll-Kracher raus. Ball flach halten ist nicht. Offensivgeist und Tempo ist angesagt. Das Publikum nimmt die beiden Steilvorlagen gerne auf.
Beim dritten Song nimmt das Quartett zwar ein wenig den Fuß vom Gaspedal, ohne dass das Spiel nach vorne an Druck verliert. „Wer sagt, dass wir von Johnny Cash inspiriert worden seien, liegt falsch. Wir haben einfach geklaut. Aber er kann sich halt nicht mehr wehren“, kündigt Volbeat Mastermind Poulsen „Sad Man‘s Tongue“ mit einem Lächeln an. Natürlich gibt es zum Einstieg in den Song eine kurzen Einlage vom Cash-Evergreen „Ring of Fire“, intoniert gemeinsam mit einem Chor aus tausend Kehlen.
„By A Monster‘s Hand“ schlägt ein
Die Erfolgsformel ist auch bei der neuen Scheibe „God of Angels Trust“ nahezu dieselbe geblieben - vielleicht eine Brise mehr Speed-Metal. Aber so fügen sich die Newcomer bestens ins Gesamtkonzept ein. Gleich fünf Songs der aktuellen Scheibe schaffen es auf die Setlist. Und „By a Monster‘s Hand“ hat sogar das Potenzial zu einem echten Fanliebling zu werden. Natürlich gehört es auch zur Taktik, die Live-Favoriten übers gesamte Set zu verteilen, so dass der Spannungsbogen ständig hochgehalten wird. „Falln“, das Poulsen seinem Vater widmet, kommt so früh am Abend und setzt ein weiteres Glanzlicht.
Man braucht auch nicht lange um den heißen Brei herum zu reden, Volbeat sind Michael Poulsen. Er ist der strahlende Fixstern der Band, der nicht nur den Ton in der Mannschaft angibt, sondern auch den richtigen Draht zu den Fans findet. Genauso wenig wie Sunrise Avenue ohne Samu Haber vorstellbar gewesen wäre, würde auch Volbeat ohne Poulsen nicht funktionieren. Und Poulsen nutzt das auch nach einem Zwischenruf für ein klares Statement. Er erteilt jeder Art von Religion eine Absage. Es gelte, das Leben und dessen Wert zu huldigen. Volbeat singe zwar oft vom Teufel, aber die einzigen Teufel, die es gibt, sind die, die man in den Nachrichten hört. Seine trotz aller Härte sonore und schon fast einschmeichelnde Stimme sorgt dafür, dass die Songs in der Schnittmenge unterschiedlichster Genres liegen und so auch massenkompatibel sind. Hier fühlt sich der Metaller genauso wohl wie der traditionelle Rocker oder Rock‘n‘Roller.
Neuer Gitarrist passt bestens zur Mannschaft
Gespannt war man auch, wie das Zusammenspiel nach dem Weggang von Rob Caggiano mit dem neuen Lead-Gitarristen Flemming C. Lund funktionieren wird. Kurzum: Großartig. Während Drummer Jon Larsen, Bassist Kaspar Boye Larsen und Michael Poulsen an der Rhythmus-Gitarre ein druckvolles Metal-Brett zimmern, glänzt der Neuzugang mit seinen Alleingängen auf den sechs Saiten. Ein guter Ersatz. Und man hat das Gefühl, dass der Wechsel dem Mannschaftsgefüge gutgetan hat. Die Band strotzt vor Spielfreude.
In der Schlussphase zelebrieren die Dänen gemeinsam mit den Fans ihre Spielkunst. Bei für „For Evigt“, der Stadion-Hymne für die Ewigkeit, steht die Halle komplett Kopf, singt sogar lauthals die dänischen Textzeilen mit. Selbst die härtesten Rocker werden hier ein wenig gefühlsselig. Danach schiebt das Quartett „Still Counting“ hinterher und bittet die jungen Metal-Fans auf die Bühne. Rund 50 Kinder und Jugendliche erleben so das Konzert aus einer ganz anderen Perspektive. Zum Abschluss ist noch mal eine Metal-Stampede mit „A Warrior‘s Call/Pool of Booze, Booze, Booza“ angesagt.
Auf dem Heimweg werden sicherlich schon viele begonnen haben, die Tage bis zum nächsten „Volbeat“-Konzert zu zählen und hoffen, dass nicht wieder drei Jahre ins Land ziehen, bis die Dänen erneut in der Schwabenmetropole aufschlagen.
Während Volbeat bei ihrem Auftritt alles richtig machen, haben sie bei der Wahl ihrer Vorbands nicht das glücklichste Händchen. Der Noise-Metal von „Whitch Fever“ malträtiert die Gehörgänge doch gehörig. Die Reaktionen im Publikum sind verhalten. Und auch „Bush“ kommen nicht so richtig an im weiten Rund. Zwar gibt es am Ende höflichen Applaus, aber Stimmung ist irgendwie anders. Da nutzt es auch nichts, dass Frontmann Gavin Rossdale quer durchs Publikum joggt und unzählige Hände schüttelt.
Setlist Volbeat
The Devil‘s Bleeding Crown, Lola Montez, Sad Man‘s Tongue, Demonic Depression, Fallen, Shotgun Blues, In the Barn of the Goat Giving Birth to Satan‘s Spawn in a Dying World of Doom, By a Monster‘s Hand, Heaven nor Hell, The Devil Rages On, Die to Live, Time Will Heal, Black Rose, Seal the Deal, Acid Rain, For Evigt, Still Counting, A Warrior‘s Call / Pool of Booze, Booze, Booza
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