Was ist denn das für eine Oper? Wo ist das sonst übliche strahlende Liebespaar von Sopran und Tenor, wo sind deren schwärmerische Arien und Duette? Und wann sagt schon ein Opernkomponist, das Duett zwischen den beiden Protagonisten seiner Oper dürfe „absolut nicht gesungen werden“. Er wolle, dass die weibliche Hauptperson „hässlich“ sei und „singen solle sie eigentlich überhaupt nicht“. Giuseppe Verdi sagte all das über seinen „Macbeth“ und hob damit die bis dahin geltenden Schönheitskriterien für Opern (Stichwort belcanto) kurzerhand aus den Angeln.
Soojin Moon-Sebastian wagte jetzt im leider nur mäßig besuchten Ludwigshafener Pfalzbau diesen Spagat zwischen extremem Ausdruck und klassischem Schöngesang und schaffte dabei das Kunststück, tatsächlich beidem gerecht zu werden. Unterstützt von einer Mimik und Gestik, die jeder Bühneninszenierung zur Ehre gereicht hätte, sang sie immer am emotionalen Limit. Ihr zur Seite stand Kiri Manolov in der Titelrolle, der mit seinem mühelos raumfüllenden, gläsernen Bariton und mit wenigen Bewegungen und Gesten deutlich machte, dass er der von der Lady Getriebene ist.
Präzise arbeitender Dirigent
Zu Gast in Ludwigshafen war das Pfalztheater Kaiserslautern mit einer konzertanten Fassung von Verdis Oper. Bühnenbild und Spielhandlung fehlen, die Musik steht noch mehr als in einer inszenierten Aufführung im Mittelpunkt. Besonders bemerkbar machte sich das im dritten Akt, wo das traditionelle Ballett eben ohne Tänzer auskommen musste und dafür die präzise Arbeit von Daniele Squeo, seit 2020 Kaiserslauterns GMD, im Zentrum des Geschehens stand: Geleitet von einem total engagierten Dirigenten, der seine Musiker gleichzeitig anstachelte und im Griff hatte, spielte die Pfalzphilharmonie Kaiserslautern mit großer Präzision und klanglicher Differenzierungsfähigkeit. Das Orchester ist regelmäßig im Pfalzbau zu Gast, man hat es – vorsichtig ausgedrückt – dort auch schon wesentlich uninspirierter gehört. Auch das wird durch eine konzertante Aufführung deutlicher als sonst: Über weite Strecken ist diese Oper ein Zweipersonen-Stück, getragen vom unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der blutdürstigen und machtbesessenen, immer an der Grenze zum Wahnsinn taumelnden Lady und deren letztlich zum Werkzeug degradierten Gemahl. Das bedeutet nicht, dass die anderen Sänger unwichtig wären und stimmlich waren sie ohnehin über jeden Verdacht erhaben: Konstantin Gorny als Banquo hat einen tiefenscharfen, rabenschwarzen Bass; die beiden höhensicheren Tenöre Macduff und Malcolm sorgten in diesem düsteren Stück für stimmliche Aufhellungen; Namhee Kim als Kammerfrau der Lady brachte einen sicheren, klangschönen Mezzosopran ins Ensemble ein.
Der solide, wenn auch nicht ganz makellos singende Chor unter Aymeric Catalano hat in diesem Stück durchaus eine Hauptrolle, er ist Jubelchor für den nach der Ermordung des alten Königs jeweils neuen Herrscher; dramaturgisch wichtiger ist seine Funktion als Orakel, das den Hauptpersonen ihr unabwendbares Schicksal prophezeit.
Am Ende steht einschränkungsloser Beifall für alle Mitwirkenden und die Hoffnung, dass beim nächsten Gastspiel des Pfalztheaters mehr Besucher den Weg in den Pfalzbau finden.
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