„Stomp“ ist Energie pur: Das achtköpfige Ensemble stampft. Erzeugt Klänge mit Besen, indem die Stiele auf dem Boden klopfen oder deren Borsten über Oberflächen streichen. Zusammengeklatschte Mülltonnendeckel, klappernde Einkaufswägen, raschelnde Zeitungsseiten und Feuerzeuge tragen ebenfalls zur Akustik im Takt bei. Die melodische Rhythmik, die durch diese außergewöhnliche Dynamik entsteht, ist das klangvolle Zusammenspiel von Alltagsgegenständen aller Art, ganz ohne den Einsatz von Instrumenten. In Mannheim gastiert die Produktion, die der hier ansässige Konzert- und Tourneeveranstalters BB Promotion präsentiert, ab dem 29. Dezember im Rosengarten.
Kreiert wurde die Show von den Musikern Luke Cresswell und Steve McNicholas im Jahr 1991 im englischen Brighton. Entstanden sei die Produktion durch einen Rückblick auf all die Dinge, die sie im Leben gemacht hatten, erklärt Cresswell. Plötzlich erkenne man, dass man die vielen kleinen Ideen zu etwas Großem zusammenfügen kann. Cresswell stand bereits mit 15 Jahren als Schlagzeuger auf der Bühne und gehörte neben Fraser Morrison und David Olrod zur Urbesetzung des „Stomp“-Ensembles. „Wir haben zur richtigen Zeit begonnen“, sagt McNicholas. „Damals gab es nichts Vergleichbares.“ Cresswell war 20 Jahre lang als Darsteller aktiv.
Fraser Morrison, ebenfalls Schlagzeuger, hat 25 Jahre Bühnenerfahrung bei „Stomp“. „Mit 52 Jahren absolvierte ich meine letzte Show“, sagt Morrison. Inzwischen ist er Casting-Direktor in Europa und Asien, leitet Auditions und trainiert neue Performer. Eine Musicalausbildung ist ohnehin keine Voraussetzung für „Stomp“: Es gebe zwar Tänzer, andere seien dagegen Schlagzeuger, so Cresswell. „Wir suchen Leute, die offen sind und lernen möchten, charismatisch sind und die neugierig machen“, sagt Cresswell.
Inspiration aus den 1930er Jahren
Hin und wieder kommen neue Ideen dazu oder es werden bereits vorhandene Nummern verbessert, so McNicholas. „Dabei handelt es sich vor allem um kleinere Anpassungen hier und da.“ Die Veränderungen werden bei allen Crews gemacht, sagt Cresswell. Viele Inspirationen stammten aus Musicals aus den 1930er Jahren, erzählt McNicholas. Die Show sollte aber trotzdem zeitgemäß sein. Bis zum heutigen Tag entwickelt sie sich immer weiter, ohne ihre Wurzeln aus den Augen zu verlieren. Ohne Worte aber mit Freiraum Die Performance ist non-verbal: Der Cast kommuniziert untereinander sowie mit dem Publikum mit Gesten und Blicken.
Die Überlegung, eine Handlung um die Show herum zu stricken, hatten die Macher nie. „Stomp“ benötigt keine Rahmenhandlung, da sind sich Cresswell und McNicholas einig. Auch die Namen der Charaktere werden nicht genannt, stattdessen tragen die Rollen Spitznamen der Darstellenden des ursprünglichen Casts, wie etwa „Mozzie“ (Olrod) oder „Sarge“ (Cresswell)“. Zudem sind die Parts nicht an Geschlechter gebunden.
Martin Flohr, seit zehn Jahren Künstlerischer Leiter bei BB Promotion, ist mit der Produktion in besonderem Maße verbunden. „Ich war 2001 während meines Studiums Praktikant am Broadway bei der New Yorker Produktion, dann war ich bei der Londoner Produktion Stage Manager“, sagt er. „Tagsüber habe ich meine Diplomarbeit geschrieben und abends auf der Bühne die Inspizienz gemacht.“
Schließlich ging er mit ihnen auf Welttournee. Nach drei Jahren wollte er nicht mehr nur aus dem Koffer leben – und blieb bei BB Promotion, zunächst in Mannheim, hängen. „Da bin ich seit 18 Jahren glücklich verankert, aber immer noch stark mit ’Stomp’ verbunden“, sagt er. „Nach wie vor ist es für mich wie nach Hause kommen, wenn ich die Show besuche.“
Beats mit alltäglichen Dingen
Auch für das Ensemble gehören die Auftritte in der Quadratestadt zu den Highlights. „Der Rosengarten hat eine schöne Akustik“, sagt Flohr. Das Mannheimer Publikum sei sehr enthusiastisch, und das Ensemble freut sich stets auf den Moment, wenn sie mit tosendem Applaus empfangen werden. „Sie fühlen sich hier gut aufgehoben.“
Mit „Stomp“ könne sich dank des mitreißenden Rhythmus’ jeder irgendwie identifizieren. „Das Schöne an der Show ist auch, dass nicht alles durchchoreografiert ist, sondern jeder Künstler die Möglichkeit hat, sich zu verwirklichen“, sagt Flohr. „Es ist kein starres Konzept, sondern es gibt einen Freiraum für die Performer.“ Das Besondere an Stomp sei, dass der Cast mit scheinbar alltäglichen Dingen die Leute fasziniere, sagt Flohr. „Es ist sensationell, wenn auf einmal Besen auf die Bühne kommen und daraus plötzlich ein Rhythmus erklingt, teilweise auch eine Melodie.“ Das Ensemble von „Stomp“ spreche eine universale Sprache. „Das ist die Magie dahinter, deswegen funktioniert es weltweit“, so Flohr. Die Zuschauer werden zudem aktiv in das Spektakel eingebunden. „Das Publikum ist der neunte Darsteller“, sagt Flohr. Im Jahr 2011 kauften Cresswell und McNicholas das Old Market Theatre in Brighton, auch um lokalen Künstlern und Künstlerinnen eine Plattform zu bieten.
Im Sommer kehrte die Show „Stomp“ für einige Wochen zurück an den Ort, wo alles begann. Der Amerikaner Micah Cowher stand dort ebenfalls auf der Bühne. Die Show verändere sich durch den wechselnden Cast, jeder Abend sei daher anders, erzählt der 32-jährige Drummer. Eine Altersgrenze für die Stomper bestehe nicht. „Wenn man viel an sich arbeitet und eine gute Show abliefert, kann man so lange dabei sein, wie man möchte.“
Nach dem Auftritt sei er erschöpft, denn die Performance bedeutet extremen Körpereinsatz. „Die Show ist mein Workout“, sagt er schmunzelnd. Pannen bleiben nicht aus. So sei es keine Seltenheit, dass man schon mal einen leichten Hieb mit den Drumsticks abbekommt. Oder sich den Mülltonnendeckel auf die eigenen Fingerknöchel schlägt. Cowher lacht. „Blaue Flecken gehören dazu.“
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