Mannheim. „Erst wenn ihr den letzten Baum geschlagen, den letzten Fluss vergiftet habt, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“ Dieser Satz von prophetischer Kraft stammt aus dem Jahre 1854 und vom Indianerhäuptling Seattle. Er wurde unter dem Titel „Seattle’s Prophecy“ vom Schweizer Komponisten Carl Rütti 2014 vertont und erlebte jetzt seine zu Recht umjubelte deutsche Erstaufführung durch die Mannheimer Melanchthon-Kantorei unter der jederzeit souveränen Leitung von Beate Rux-Voss.
Das Werk ist eine Art jazz-beeinflusstes und von Synkopen durchsetztes Chor-Oratorium für die aparte Besetzung Chor, Tenor plus Saxophonquartett, wobei von allen Akteuren Höchstleistungen gefordert sind.
Unglaubliche Stimmgewalt
Die Chor-Sopranistinnen müssen in den höchsten Höhen stimmlich herum turnen, sie müssen aber auch schreien und flüstern; die vier Damen des Audax-Saxophonquartetts demonstrierten die klangliche Vielfalt ihrer Instrumente. Mit dem aus Hongkong stammenden jungen Tenor Gabriel Sin hatten die Veranstalter zudem einen ausgesprochenen Glücksgriff getan: Eine schier unglaubliche Stimmgewalt paart sich mit stimmlicher Eleganz und tenoralem Schmelz vom Feinsten.
Dieses wahrhaft eindrucksvolle Werk wurde ergänzt durch einige klanglich etwas weichgespülte Chorwerke von John Rutter (bemerkenswert: der sichere Kinderchor der Melanchthonkantorei) und durch Aaron Coplands „Old American Songs“, eine Sammlung volkslied-ähnlicher Songs für Solostimme (auch hier wieder mit dem wunderbaren Tenor Gabriel Sin), einer hörbar gut gelaunten Melanchthon-Kantorei und Klavier, das Klaus Evers fingerfertig und sicher spielte.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/kultur_artikel,-kultur-seattles-prophecy-von-carl-ruetti-prophezeiung-eindrucksvoll-vertont-_arid,2084392.html