Mannheim. Sein letzter öffentlicher Auftritt fand im Rahmen der Gedenkveranstaltung für die Opfer des 7. Oktober vergangenen Jahres im Samuel-Adler-Saal der Jüdischen Gemeinde Mannheim statt. Zu Tränen habe er mit „seinem Brahms“ das Publikum gerührt, berichtet Amnon Seelig. Nicht einmal der Künstler selbst habe zu diesem Zeitpunkt schon von der tückisch-aggressiven Krankheit gewusst, die in ihm schlummerte.
Überraschend schnell verstarb am Abend des 3. Januar der Pianist Scott Faigen, seit 1989 Dozent für Instrumentalkorrepetition an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst.
Ein großer Verlust. Nicht nur für das musikalische Leben in der Region, auch für die Jüdische Gemeinde und die Mannheimer Stadtgesellschaft. Denn der 1955 in Pittsburgh geborene Musiker war neben seinem außerordentlichen pianistischen Talent, das er schon im Alter von 16 Jahren mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Beweis stellte, auch ein politischer, ein engagierter Bürger. Die Aussöhnung zwischen Palästina und Israel lag ihm, dem Juden, dabei zeitlebens besonders am Herzen.
Faigen äußerte sich kritisch zur Trump-Wahl in seinem Heimatland
Mit einer aus dem Fenster hängenden zusammengenähten israelisch-palästinensischen Flagge setzte er im vergangenen Sommer für einige Tage ein Zeichen für den Frieden (wir berichteten). Zur Trump-Wahl im November äußerste er sich gegenüber dieser Redaktion kritisch, ja fassungslos ob des Hasses in seinem Heimatland.
Am Oberlin Conservatory of Music, Ohio und an der Universität Illinois ausgebildet, begleitete Faigen zunächst an der renommierten New Yorker Juilliard School sechs Jahre lang die Streicherklassen als Pianist und Coach. Er korrepetierte bei Meisterklassen und Meisterkursen so weltberühmter Geiger wie Itzhak Perlman und Gidon Kremer, bei Opernstars wie Juan Diego Flores und Kathleen Battle. Bei zahlreichen internationalen Violin-Wettbewerben fungierte er als offizieller Pianist, etwa beim Wieniawski-Wettbewerb in Posen, beim Fritz-Kreisler-Wettbewerb in Wien, bei der Tibor Varga International Violin Competition in Sion/Schweiz sowie bei der Queen Elisabeth Competition in Brüssel.
Neben dieser in der Öffentlichkeit oft eher unterschätzten Kunst der Korrepetition, die hohes Einfühlungsvermögen sowie breite Repertoire- und Menschenkenntnis erfordert, feierte Scott Faigen auch als Solist und Kammermusiker Erfolge in mehr als 40 Ländern und bei internationalen Festivals. Er konzertierte mit den Geigern Gil Shaham und Midori sowie mit dem Cellisten Antonio Meneses.
Scott Faigen und die Musik: Umfassendes Wissen ohne trockenes Gelehrtentum
Faigens Sohn Judà charakterisiert auf Anfrage dieser Redaktion den Vater als sehr belesen und äußerst wissbegierig. Aus der Hingabe zu neuen Erkenntnissen habe er seine künstlerische Tiefe geschöpft. Sein umfassendes Wissen über Musik, das weit über das Lexikalische hinausging, vermittelte er mit Begeisterung, ohne trockenes Gelehrtentum. Dabei galt den „heiligen drei B’s: Bach, Beethoven, Brahms“ seine besondere Liebe, aber auch Mozart war ihm nah. Von allen Gesprächspartnern geschätzt wurde auch Faigens Humor. Seine Inspiration verbinde Kunst und Leben. Zu Ehren seines 70. Geburtstags am 26. September 2025 sei ein Konzert als Gedenkfeier geplant.
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