Mannheim. Es ist kaum zu glauben und freilich auch etwas ungebührlich, mit einer solchen, ins Persönliche greifenden Information einen Text zu beginnen: Max Raabe ist vor wenigen Tagen 60 Jahre alt geworden. Das zu erwähnen sei deshalb gestattet, weil man auf diese Weise ein wenig verzögert dazu gratulieren und vor allem feststellen mag, wie wenig man ihm diese Jahre doch ansieht: Zeitlos, geradezu jungenhaft wirkt der Sänger, als er, tadellos angetan mit schwarzem Samtsmoking und Fliege, auf die Bühne des Mannheimer Rosengarten tritt, das zwölfköpfige Palast Orchester hinter sich und ein zweistündiges Programm vor sich, das bezeichnenderweise „Guten Tag, liebes Glück“ heißt.
Ausverkaufter Saal
Es versammelt vieles von dem, was Raabe im Zuge seiner „MTV Unplugged“-Konzerte mit den Künstlerkolleginnen und -kollegen Herbert Grönemeyer, Lea, Namika, Samy Deluxe, Mr. Lordi, Lars Eidinger und Pawel Popolsk aufgenommen und vor zwei Jahren auf Langspieler veröffentlicht hatte. Hier fehlen diese, aber der zentrale Akteur – das Glück – ist in dem mit 2300 Besucherinnen und Besuchern ausverkauften Mozartsaal anwesend. Es ist fast immer fassbar und nah in dieser Musik, in den Kompositionen aus den 1920er und 1930er Jahren, die Raabe in nahtloser Manier mit eigenen Stücken verquickt. Es wohnt dort etwa „Zwei Treppen links im Nachbarhaus“, liegt auf dem Rücken eines Velozipeds („Fahrrad fahr'n“) oder hört auf den Namen „Rosa, reizende Rosa“.
Vom Glück und der Lüge
Gern auch bittet man Fortuna kurzerhand selbst auf ein Tässchen Kaffee oder Tee zur Tür herein („Guten Tag, liebes Glück“). Herzensangelegenheiten sind hier ebenso von eminenter Bedeutung, denn ohne den liebsten Menschen ist schließlich auch die „Côte d'Azur“ „nur ein Strand mit Sand“. „Kleine Lügen“ sind indessen lediglich lässliche Sünden, wo nicht sogar ein freundlicher Dienst am Nächsten.
Bis ins Detail bezeugt dieses Konzert die gesamtkünstlerische Souveränität seines Protagonisten: Allein die Haltung, die Verbeugungen vor dem Publikum: vollendet. Das Wörtchen „verschmitzt“ erscheint uns überhaupt nur für diese Andeutung eines süffisanten Lächelns erfunden worden zu sein, das Raabes Lippen umspielt, wenn seine Zwischenansagen unversehen eine humorvolle Wendung nehmen. Gesprochen werden sie mit der perfekt phrasierenden, unerwartet tiefen Stimme des studierten Baritons, dessen Gesang gleichwohl auch die silberhellen Register eines Tenors meistert.
Witz, Esprit und technische Raffinesse
Exquisit ist auch das Orchester, dessen elf Musiker und eine Musikerin mit Witz, Esprit und technischer Raffinesse operieren. Als Ehrbezeugung in Richtung „MTV Unplugged“-Mitstreier Herbert Grönemeyer wird eine stiebende Version von dessen Song „Mambo“ zu Gehör gebracht, daneben folgen allerhand Klassiker der Lied-Literatur, wie „Bel Ami“, Cole Porters „Just One Of Those Things“, das Marlene-Dietrich-Stück „Leben ohne Liebe kannst du nicht“ oder die „Moritat von Mackie Messer“, die hier indessen eher nach Salon-Soufflé als nach schummriger Hafengasse klingt. In der Zugabe wird aus gegebenen Anlass „O Tannenbaum“ putzmunter besungen, dann fällt „Mein kleiner grüner Kaktus“ vom Balkon in den Saal. Der Schlussbeifall, wie anders kaum zu denken, wird lautstark und im Stehen gespendet.
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