Mit euphorischen Begrüßungsrufen stürmt sie auf die Bühne, und ihr Hosenanzug glitzert golden in der vollbesetzten Alten Feuerwache. „Freude, Frieden, Freiheit“ gelte es, zu feiern. Unverändert ist Lakecia Benjamin, fast 41 Jahre alt, ein „Rising Star“, der gar nicht damit aufhört, aufzusteigen. Die New Yorker Altsaxofonistin ist etwa amtierende Gewinnerin des Deutschen Jazzpreises.
Es ist ihr nicht anzumerken, dass die Karriere im Gefolge eines schweren Autounfalls auf der Kippe stand: In einer Szene, so gespenstisch wie aus einem Film von David Lynch, war sie bewusstlos aufgefunden worden. Aber anders als die Filmfiguren in Lynchs Schocker „Wild at Heart“ hat sie sich wieder hochgerappelt. Um das Mindeste zu sagen.
Folgerichtig nennt sie ihre neue Platte „Phoenix“. Ihre Flügel hat sie sich nicht stutzen lassen. Auch in Mannheim stellt sie ein paar Stücke aus dem aktuellen Album vor, an jedem einzelnen habe sie einen Monat lang gearbeitet, hat sie vor kurzem wissen lassen. Benjamin ist exquisit vernetzt, ein großes Aufgebot an Stars hat sie auf „Phoenix“ unterstützt, darunter wahre Jazz- und Bürgerrechts-Ikonen. Selbst Angela Davis konnte sie gewinnen, Benjamin kämpft schließlich für erneuerte, erweiterte „Black Power“ – dieses immer noch nicht glücklich abgeschlossene Projekt der Gleichberechtigung.
Die aktuelle Tour habe in Sao Paulo angefangen, erzählt sie in Mannheim: „Doch dann schickten sie uns nach Kentucky und sogar nach Alabama.“ In die alten Hochburgen des weißen Überlegenheitsgefühls, und wie sie das erzählt, hört es sich an, als seien diese Hochburgen noch nicht geschliffen. Aber Benjamin kämpft unverdrossen-vehement dagegen an, sie hat zu diesem Zweck auch ihre künstlerischen Mittel aktualisiert, mit „Spoken Word“- und Hip-Hop-Elementen. Allerdings hat sie das meiste nach wie vor auf ihrem Altsax vorzubringen, unterstützt vom dichten und dynamischen Zusammenspiel in ihrer Band, in der der Pianist und Keyboarder Zaccai Curtis immer eine Antwort auf die Hochgeschwindigkeitsattacken seiner Leaderin parat hat. Aber gleichzeitig zu balladesken, retardierenden Momenten fähig ist.
Auch Benjamin kann zwischendurch mit wunderbar entspannten Phrasen aufwarten. Nur ist das keineswegs ihr Kerngeschäft, „My Favorite Things“, die schlichte Walzermelodie aus einem Musical von Richard Rodgers, zeigt es exemplarisch: Der von Benjamin bewunderte John Coltrane hat das Stück vor langer Zeit zum Hit gemacht, mit „indisch“ näselndem Sopransax-Ton und langsam kreisenden Bewegungen. Benjamin setzt mit gepresstem, scharfem Sound – und teilweise im Zweikampf mit dem Drummer E.J. Strickland – auf die äußerste Forcierung, Steigerung. Sie ist im ständigen Erregungsmodus, ihre Spieltechnik erlaubt ihr das. Wer kann schon derart schnell und gleichzeitig präzise intonieren? Benjamin scheint fast so intensiv zu üben, wie das früher Coltrane tat. Acht Stunden täglich sollen es bei ihm gewesen sein.
Die „Love Supreme-Suite“ zeigt dann freilich, dass Geschwindigkeit nicht alles ist. Hier fehlt Benjamin das Mantra-Artige, Meditative, das für dieses Coltrane-Heiligtum aus Tönen essenziell ist. Eine Zugabe haben die Bläserin und ihre Band auch nicht im Sturmgepäck: Der Abend endet so abrupt, wie er begonnen hat.
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