Feminismus – was für manche wie eine Verheißung klingt, ist für andere ein Reizwort, gar ein Kampfbegriff. Wie geräuschlos Auseinandersetzungen entlang der Kampflinie Feminismus – Maskulinismus verlaufen, zeigte jüngst ein Beispiel im Bundestag.
Weit geräusch- und lustvoller ist die Komödie „How to Date a Feminist“, mit der das Theater Heilbronn nach pandemiebedingter Pause den Spielbetrieb wieder aufnimmt. Erfrischend und erkenntnisreich ist dieses Zweipersonenstück.
Seit seiner Uraufführung 2016 ist es nicht nur in England ein Renner, mit der Karls–ruher Deutschland-Premiere 2018 befindet es sich auch hierzulande im Steigflug.
Auf dem Glatteis der Vorurteile
Schon der (offensichtlich unübersetzbare) Titel „How to Date a Feminist“ führt die Zuschauer aufs Glatteis der eigenen Vorurteile: Wer dächte bei „a Feminist“ nicht an eine Feministin? Der englische Begriff steht aber für weibliche als auch für männliche Feministen. Der 30-jährige Steve ist so einer.
Aufgewachsen in einem Friedensprotest-Camp bei seiner radikal-feministischen Mutter Morag, die die Erziehung ihres Sohnes zum überzeugten Feministen als persönlichen Beitrag zur Abschaffung des Patriarchats versteht. Steve trifft bei einer Kostümparty die gleichaltrige Kate: „Kannst du mir nicht mal auf’n Hintern klopfen?“, fordert Kate, verkleidet als Wonder-Woman, den netten Jungen im Robin-Hood-Kostüm auf. Mit dieser Geste würde sie ihren Ex, ein „Mistkerl“ im Superman-Dress, gerne eifersüchtig machen. Obwohl emanzipiert, steht die Journalistin Kate auf Macho-Männer, also „Mistkerle“ wie es in der Übersetzung (Silke Pfeiffer) heißt.
Steve, im wahren Leben Bäcker, lässt sich jedoch von Wonder-Woman nicht instrumentalisieren: „Robin Hood ist ein wahrer Held! Er hat die Umweltbewegung, das moderne Steuersystem und den Sozialstaat erfunden!“, verschanzt er sich hinter der Kostümierung und verweigert den sexistischen Klaps.
Die britische Autorin Samantha Ellis (Jahrgang 1975) mit irakisch-jüdischen Wurzeln kommt aus einer Kultur mit fantasievollen Erzähltraditionen. Aus konservativem Elternhaus führte sie die Suche nach identitätsstiftenden Vorbildern zu den unangepassten, freiheitsliebenden Frauenfiguren der englischen Romanliteratur des 19. Jahrhunderts, insbesondere von Emily und Charlotte Brontë. In „How to Date a Feminist“ kratzt die Autorin am Lack geschlechterspezifischer Klischees und spielt geschickt mit den Theorien des Feminismus. Virtuos reizt die Inszenierung (Regie: Nils Brück, Ausstattung: Carla Friedrich, Licht: Carsten George) Kontraste aus, macht aus messerscharfen Dialogen, sowie raschen Kostüm- und Rollenwechsel auf offener Bühne einen rauschhaften Selbstfindungs- und Emanzipationstrip, frei nach dem Motto „Gegensätze ziehen sich an“ – und aus. Rasanter Schlagabtausch, feindosierte Situationskomik (bis hin zum pandemiekonformen Zungenkuss), subtile Lichtstimmungen und ausgefuchstes Timing (samt Mini-Haltepunkten, in denen die Akteure als Erzähler kurz eine Regieanweisung dazwischenschieben) begeistern das kulturell ausgehungerte Publikum, das bisweilen kichert, herzhaft lacht oder schrill juchzt.
Kabinett-Stück mit Tiefgang
Viel Beifall für das zweistündige Kabinett-Stück mit Tiefgang auf der Höhe der Zeit. Nicht zuletzt dank Johannes Bartmes. Der Musiker, ein Multitalent, entwickelt den Soundtrack live, erinnert mit geloopten Anklängen ans „Girl von Ipanema“ oder an das Scheitern der Titanic, kann rockig, jazzig, transparent oder dicht, pfeifend oder beat-boxend die Gefühlslagen verdichten. Große Klasse!
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