Über verdiente Ovationen in einem gut besuchten Rathaussaal Tauberbischofsheim konnte sich das junge "Dog.ma chamber orchestra" unter seinem Leiter Mikhail Gurewitsch freuen. Die jüngste Veranstaltung der Schlosskonzertreihe bestätigte einmal mehr die jahrzehntelange Erfahrung, dass die Akustik des Rathaussaals gerade für solche Formationen fast schon ideale Vorausetzungen mit sich bringt.
Nicht zuletzt Konzertmeister Mikhail Gurewitsch selbst (er war sich auch nicht zu schade, persönlich in die drei Programmnummern einzuführen) war an diesem Abend voll des Lobes für die Lokalität, die seinem 2004 gegründeten, jungen und überaus engagierten, ebenso spielfreudigen und klangprächtigen Ensemble, einem reinen Streichorchester, solche Entfaltungsmöglichkeiten bot. Die Musikerinnen und Musiker nutzten sie weidlich und mit spürbarem Vergnügen, mit einer auch das Publikum ansteckenden, elementaren Musizierlaune.
Amerikanische Klassik
Neben zwei Standards der Kammerorchester von Britten und Tschaikowsky überraschte das Kammerorchester zu Beginn mit einem bei uns nahezu unbekannten Werk der "amerikanischen Klassik" oder besser gesagt: der europäischen Romantik des 19.Jhdts., nur eben aus der Feder eines amerikanischen Komponisten. Ebensowenig wie seine Orchestersuite in E-Dur dürfte ihr Schöpfer Arthur Foote (1853-1937) ein Begriff sein.
Foote selbst - wohl nicht zufällig war und ist seine Heimat Neuengland kulturell europäisch geprägt - stand mit seinem überwiegend kammermusikalischen Schaffen noch ganz im Bann von Größen wie Brahms, Dvo#0159ak, Wagner aber auch von Johann Sebastian Bach, dem er in der Schlussfuge seiner romantisch-barocken Suite op. 63 Tribut zollt.
Handwerkliche Perfektion
Im übrigen könnte das dreisätzige Werk, eines der populärsten dieses Komponisten, auch von Edvard Grieg oder Edward Elgar geschrieben sein, vor allem auch, was seine ungewöhnliche handwerkliche Qualität und Perfektion, seine Charakterisierungskunst und den melodischen und rhythmischen Einfallsreichtum, dazu auch die formale Eleganz in der Verarbeitung der Tradition anbelangt - nur dass diesem Werk ein wenig jene gewisse Unverwechselbarkeit fehlt, die es braucht, um ein Stück Musik letztlich unsterblich zu machen.Wie auch immer - es war mehr als nur hörenswert, wie das junge Streichorchester hier agierte, mit sattem, fülligen Klang und federnder Spannkraft, die sich besonders die beiden letzten Sätze von Footes Suite zum Erlebnis machte.
Der eigentliche Höhepunkt vor der Pause kam freilich erst mit Benjamin Brittens (1913-1976) "Simple symphony". Bereits 1934 entstanden und eigentlich für ein nicht professionelles Schulorchester gedacht ist dieses Jugendwerk des bedeutendsten englischen Komponisten des vorigen Jahrhunderts zu einem seiner bekanntesten Schöpfungen geworden, wobei "simple" nicht für Einfalt steht, sondern für die Frische, Originalität und die spontane, sympathisch unkomplizierte Aussagekraft der viersätzigen Komposition, die nach dem Vorbild einer Barocksuite gehalten ist. Die rhythmische Energie der "Boisterous Bourre", das geradezu swingende Pizzicato, und der vom "Dog.ma Kammerorchester" wunderschön ausgeleuchtete Humor der Sarabande verfehlten auch im Rathaussaal ihre mitreißende Wirkung nicht.
Wesentlich gewichtiger und anspruchsvoller kam nach der Pause Peter Tschaikowskys "Souvenir de Florence" daher: Ursprünglich 1890 während eines Italienaufenthalts für Streichsextett geschrieben, mehrfach überarbeitet und in seiner endgültigen Fassung bald für Orchester umarrangiert, gehört das Werk heute zum Standardrepertoire der Gattung.
Üppige Farbenpracht
Gewiss - in der Orchesterversion geht einiges von der Feinnervigkeit, Beweglichkeit und seelischen Intimität des Kammermusik-Originals verloren, doch wurde man dafür durch üppige Farbenpracht, impulsive Leidenschaftlichkeit des Kopfsatzes, durch den Kantilenenzauber von Solovioline und -cello im adagio con moto, die hingebungsvolle Emotion im melodienseligen allegretto und kontrapunktische Brillanz des Finales mehr als entschädigt.
Für den minutenlangen, sehr herzlichen Beifall im Rathaussaal bedankten sich die Musiker(innen) um Mikhail Gurewitsch noch mit zwei Eigenkompositionen ihres Leiters, wobei sie nebenbei ihre Kompetenz im Rock-Jazz und Tango unter Beweis stellten. Thomas Hess
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