„Ich will Kinder für Klassik begeistern“

Die Pianistin Asli Kiliç hat die Leitung der Abteilung Tasteninstrumente an der Musikschule Mannheim übernommen – ein Gespräch über die Rolle des Klaviers in der Welt von heute und im musikalischen Alltag der Jugend

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Vor dem Gebäude ihres neuen Wirkens: Pianistin und Pädagogin Asli Kiliç vor der Mannheimer Musikschule. © Kiliç

Frau Kiliç, Sie übernehmen die Klaviersektion der Musikschule. Wie populär ist das Klavier noch?

Asli Kiliç: Das Klavier ist nach wie vor ein sehr attraktives Instrument. Und wird es bestimmt auch immer sein. Zum einen kann man in kurzer Zeit recht beachtliche Erfolge vorweisen und kämpft nicht, wie beispielsweise Streicher oder Bläser, primär um Tonerzeugung. Zum anderen kann man als Pianist ja ein ganzes Orchester unter seinen Händen führen und ist somit sehr unabhängig. Die Anmeldeliste für einen Platz für Klavierunterricht an der Musikschule Mannheim bestätigt meinen Eindruck auf jeden Fall (lacht).

Klavier war – wie Geige – früher das Instrument der Kinder aus gutem Hause und reicheren Familien. Hat sich daran etwas geändert?

Kiliç: Ich glaube, dass es mittlerweile auch bei Familien, in denen das eigene Musizieren nicht so viel Fokus hat, angekommen ist. Musik allgemein und Klavierspielen im Besonderen fördert verschiedenste Fähigkeiten sehr stark. Entsprechend kann man schon davon sprechen, dass es da eine gewisse Öffnung zum Klavier gibt.

Gibt es diese Öffnung auch musikalisch – ich meine: stilistisch? Schließlich ist der musikalische Alltag von – schätzungsweise – 95 Prozent der Kinder und Jugendlichen heute eher nicht so sehr von klassischer Musik geprägt.

Kiliç: Sicherlich gibt es auch eine musikalische Öffnung bezüglich der Genres, damit halten es die Lehrkräfte – glücklicherweise – auch sehr unterschiedlich. Ich für meinen Teil finde es wichtig, gerade Kindern, deren Alltag nicht von klassischer Musik geprägt ist, einen Zugang zu klassischer Musik zu verschaffen. Es gibt so viele Möglichkeiten, Kinder für klassische Musik zu begeistern!

Und was tun Sie, wenn die sagen: Ich will aber den Hit von Taylor Swift spielen?

Kiliç: Erfreulicherweise gab es da nie Konfliktpotenzial. Meine Schülerinnen und Schüler waren immer von den Stücken begeistert, die ich Ihnen vorgeschlagen habe. Vielleicht spielen ein paar zum eigenen Vergnügen auch Werke der Populärliteratur, das ist auch gut so! Die Spielfreude soll ja in jede Richtung kultiviert werden. Aber im Klavierunterricht nehmen wir uns schon Stücke vor, die im klassischen Sinne zur Klavierliteratur gehören. Es steckt ja auch eine methodisch-didaktische Idee dahinter, was wann warum gespielt werden soll.

Das bedeutet, dass diejenigen, die von vorn herein sagen: Ich will Popularmusik spielen, zu anderen Lehrern gehen?

Kiliç: Das kann ich nicht beurteilen, jede und jeder ist mir herzlichst willkommen, und ich hatte bisher auch noch keine Unstimmigkeiten wegen des zu erlernenden Repertoires. Abgesehen davon ist die Musikschule, was fachliche Kompetenzen angeht, sehr breit aufgestellt. Sollte es den ausdrücklichen Wunsch geben, ausschließlich Popularmusik oder Jazzklavier erlernen zu wollen, gibt es hierfür hervorragende Lehrkräfte.

Wie beurteilen Sie das musikalische und technische Niveau der deutschen Jugend im internationalen Vergleich?

Kiliç: Das ist sehr schwer zu beurteilen, und es gibt sicherlich auch regionale Unterschiede. Dann kommen ja noch die verschiedenen Instrumente hinzu. Am besten kann man Rückschlüsse aus dem Hochschulbereich ziehen: Ein Master oder Bachelorabschluss an einer deutschen Musikhochschule gilt als sehr erstrebenswert. Einen Platz an einer Musikhochschule zu ergattern, ist sehr schwer – auch angesichts der internationalen Konkurrenz. Und dass wir besonders in der klassischen Musik auf eine großartige Tradition zurückgreifen können, ist ja international bekannt. Mannheim insbesondere ist ja nicht ohne Grund „Unesco City of Music“ – und das seit 2014. Also ich denke, es gibt ein sehr gutes Niveau, und wir Musiklehrer und Musiklehrerinnen leisten wesentliche Basisarbeit bis zur Weiterführung an die Musikhochschule, das ist eine sehr verantwortungsvolle und erfüllende Aufgabe.

Dennoch hört man – auch über die Mannheimer Hochschule – dass der Anteil deutscher Studierender unter 50 Prozent ist …

Kiliç: Was die Zahlen angeht, bin ich diesbezüglich nicht so firm – aber Ihre Aussage zeigt ja ganz stark, wie gefragt ein Studienplatz an einer deutschen Musikhochschule ist. Natürlich ist die Konkurrenz groß, aber ich mache mir trotzdem keine Sorgen. Es gibt hier fantastische junge Musikerinnen und Musiker, und ich bin fasziniert, mit wie viel Hingabe und Fleiß gearbeitet und geübt wird. Und das, obwohl es durchaus andere Zerstreuungsmöglichkeiten gibt, mehr denn je, wie wir alle wissen. Mit dem „Netzwerk Amadé“ schlagen wir von der Musikschule eine Brücke zur Musikhochschule, und die studienvorbereitende Ausbildung an der Musikschule ist eine großartige Vorbereitung auf ein Musikstudium. Man kann mit Freude sagen, dass hier schöne Wege geebnet werden, finde ich.

Das hört sich doch alles sehr danach an, dass Sie als Leiterin der Tastenabteilung quasi das Erbe an der Musikschule, das sie übernehmen, weiterführen …

Kiliç: Ich bin sehr froh und dankbar, das zu übernehmen, was ist. Gleichzeitig bin ich ja noch ganz frisch hier und muss mir noch in Ruhe ein Bild machen. Es gibt bestimmt auch noch Möglichkeiten, neue Wege und Kooperationen anzugehen, aber da ist noch nichts in der Pipeline. Ich muss hier erstmal ankommen.

Asli Kiliç

Anfänge: Die Pianistin Asli Kiliç wurde 1978 in Frankfurt am Main geboren. Im Alter von fünf Jahren bekam sie ihren ersten Klavierunterricht am Dr. Hoch´s Konservatorium in Frankfurt.

Lehrjahre: Von 1997 bis 2003 studierte sie an der Mannheimer Musikhochschule bei Paul Dan und Ragna Schirmer. Ihr Konzertexamen legte Kiliç 2008 ab.

Beruf: 2009 erschien ihre Debüt-CD mit Klavierwerken von Mozart, Beethoven, Schumann und Brahms. Seitdem sind weitere Alben mit Musik von Leos Janácek und Alexander Skrjabin erschienen. Kiliç trat unter anderem mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester und der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz auf. Zudem ist sie bei Opern- und Ballettproduktionen am Nationaltheater tätig.

Pädagogik: 2011 eröffnete sie ein privates Institut in Mannheim-Neckarau. Dort unterrichtet sie überwiegend Kinder und Jugendliche. Seit diesem Schuljahr hat sie die Sachgebietsleitung Tasten an der Musikschule Mannheim inne.

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