FN-Interview

Helloween werden ihren 40. Geburtstag gebührend feiern

Gitarrist und Songschreiber Sascha Gerstner spricht über die neueCD „Giants & Monsters“ und über die anstehende Tour.

Von 
Harald Fingerhut
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Gitarrist Sascha Gerstner (rechts) mit Kai Hansen beim Auftritt in der Stuttgarter Schleyerhalle im Jahr 2022. © Harald Fingerhut

Berlin. Wer hätte das gedacht: Helloween haben mit den alten Recken Kai Hansen und Michael Kiske unter dem Titel „Pumpkins United“ nicht nur eine erfolgreiche Reunion-Tour hingelegt, sondern bringen nun mit „Giants & Monsters“ schon ihre zweite CD mit neuen Songs als Metal-Großkapelle heraus. Und natürlich macht sich das Septett wieder auf den Weg, um in den größten Hallen der Republik ihre Powermetal-Songs den Fans in die Gehörgänge zu blasen. Das Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle ist schon seit Wochen ausverkauft, und auch andernorts ist die Ticketnachfrage groß. Zur Band gehört auch Gitarrist Sascha Gerstner, der nicht nur die Saiten beackert, sondern auch einer der Songschreiber ist. Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Silberlings sprachen die Fränkischen Nachrichten mit dem Gitarristen und Komponisten.

Herr Gerstner, der Erwartungsdruck nach dem hervorragenden, „Helloween“ betitelten Comeback-Album war sicherlich sehr groß. Musstet ihr ein Monster besiegen, um einen Giganten zu schaffen?

Sascha Gerstner: Nein, nein, überhaupt nicht (lacht). Eine schöne Assoziation, aber so war das dieses Mal nicht. Früher hätte das schon zutreffen können, aber die Zeiten sind vorbei. Wir haben uns keinen Stress gemacht. Alles ist komplett harmonisch verlaufen.

Mittlerweile gibt es bei Helloween eine ganze Reihe an Songschreibern. Wie läuft das ab. Präsentiert jeder einen fertigen Song, und die anderen machen den Feinschliff. Oder kommt man mit einer Idee, einem Riff oder einer Hookline an und die Gruppe macht den Song dann gemeinsam im Kollektiv fertig?

Gerstner: Bei meinem Song „Universe (Gravity For Hearts)“ war es tatsächlich so, dass der Song praktisch fertig war und ich ihn dann den anderen vorgespielt habe. Dann nehmen die einzelnen Mitglieder ihre Instrumente auf und die Vocals werden eingesungen. Das passiert nicht immer zusammen. Wir leben ja mittlerweile an unterschiedlichen Orten, teilweise sind Bandmitglieder auf Teneriffa zu Hause. Da werden natürlich die Bänder hin und her geschickt. Manchmal trifft man sich dann in kleineren Gruppen. Ich bin beispielsweise mal nach Teneriffa geflogen. Auch die gesamte Band trifft sich bisweilen, um einen Song zu finalisieren. Aber eine lange, gemeinsame Zeit im Studio gibt es nicht mehr. Der Aufnahmeprozess hat sich schon stark gewandelt.

Aber egal, wer den Song schreibt, am Ende muss es sich nach Helloween anhören, muss es in den Klangkosmos passen? Metal-Fans sind bekanntlich Traditionalisten und wollen nicht mit zu vielen Experimenten und musikalischen Neuheiten konfrontiert werden?

Gerstner: Da hast Du schon recht. Natürlich müssen die Songs immer in den Helloween-Kanon passen. Aber jeder von uns Songschreibern hat so seine Vorlieben. Michael Weikath beispielsweise liebt die Beatles. Ich hingegen bin Fan der Rock-Gruppen der 1970er und 1980er Jahre wie Queen und vor allem Toto. Das beeinflusst natürlich das Songwriting. Aber über allem steht Helloween und dazu müssen die Songs passen.

Wer entscheidet letztendlich, ob ein Song aufs Album kommt? Ist das eine demokratische Basisentscheidung von allen Bandmitgliedern oder gibt es eine letzte Instanz?

Gerstner: Natürlich wird über die Songs diskutiert und dann entschieden, was auf die CD kommt. Aber das ist nicht nur Sache der Band. Wir haben auch ein starkes Management, das ein gehöriges Wörtchen mitredet. Letztendlich müssen wir alle mit der Songauswahl zufrieden sein.

Obgleich Du nicht zu den frühen Helloween-Mitgliedern zählst, knüpft gerade Dein Beitrag „Universe (Gravity For Hearts)“ am ehesten an den alten „Keeper“-Zeiten an. Ist das nicht komisch. Woran liegt das?

Gerstner: Ich war zwar damals kein Mitglied von Helloween, als ihre Karriere mit den „Keeper“-Scheiben durch die Decke ging, aber mein musikalischer Background liegt schon in den damaligen Zeiten. Wie schon erwähnt, Toto sind musikalisch eine absolute Spitzenband und auch die Arrangements von Queen haben mich schon immer begeistert. Und das beeinflusst natürlich mein Songwriting. Vielleicht kommt so die Verbindung zu den Anfangstagen von Helloween zustande. Die Musik, die einem gefällt, beeinflusst immer auch das eigene Songwriting.

Du hast Deine ersten musikalischen Schritte auf dem Keyboard gemacht und hast Dir erst später das Gitarrespielen selbst beigebracht. Komponierst Du auf der Gitarre oder auf dem Keyboard?

Gerstner: Tatsächlich habe ich „Universe“ mit Sound Design angefangen und hab dann dazu gesungen. Ich singe eigentlich immer. Das ist der normale Prozess und später kommt dann Gitarre und Keyboard dazu. Wie gesagt, „Universe“ hatte ich nahezu fertig, als ich es den anderen vorgestellt habe.

Konntest Du Dir vorstellen, dass die Reunion zum einen dermaßen erfolgreich verlaufen wird und dann auch noch zwei neue Alben dabei herauskommen?

Gerstner: Ich hatte im Vorfeld keinerlei Erwartungen. Dass kurzfristig ein Hype durch die Rückkehr von Michael Kiske und Kai Hansen entstehen wird, war vorhersehbar. Die Größenordnung vielleicht nicht. Aber ich konnte mir in meiner Jugend auch nicht vorstellen, dass ich einmal bei der größten deutschen Powermetal-Band landen werde.

Zumal Du ja aus der Ecke Fürth kommst, wo eher eine Mittelalter- und Folk-Metal-Szene beheimatet ist. Dass Du nicht in diese Richtung abgebogen bist?

Gerstner: Das stand nie zur Debatte. Ich war in puncto Musikgeschmack nie auf der Höhe der Zeit. Ich hörte eigentlich immer Musik, die von meinen Altersgenossen schon nicht mehr gehört wurde und nicht gerade angesagt war. Ich spielte dann bei ein paar Coverbands, als die Chance sich ergab, zu Freedom Call zu gehen und Profi-Musiker zu werden. Zu meinem Glück habe ich die Chance ergriffen und sozusagen wichtige Lehrjahre bei Freedom Call verbracht, ehe der Ruf von Helloween mich ereilte.

Mittlerweile bist Du aus dem Fränkischen weggezogen und lebst in Berlin. Wie kam das und hast du den Tapetenwechsel je bereut?

Gerstner. Ich habe angefangen zu fotografieren und habe das überraschenderweise sehr gut gemacht. Viele Leute sind auf mich aufmerksam geworden. Deshalb bekam ich das Angebot, in Berlin Mode zu fotografieren. Das war zur Zeit der Fashion Shows, als sich Berlin anschickte die Modehauptstadt Europas zu werden und den etablierten Labels Druck zu machen. Ich lernte die Stadt kennen und mir gefiel es, vor allem die Anonymität und auch Kreativität, die dort herrschte. In meiner ländlichen fränkischen Heimat konnte ich kaum noch ausgehen, ohne dass ich angesprochen wurde. In der Metropole war das ganz anders. Ich fühlte mich viel freier, und das tat mir und meiner Kreativität gut.

Im Spätjahr steht eine Tour anlässlich des 40-jährigen Bestehens an. Was dürfen wir erwarten? Wird es ein Best-of-Programm geben oder steht „Giants & Monsters“ im Fokus?

Gerstner: Wir haben die Setlist im Vergleich zur letzten Tour gehörig durcheinandergewirbelt. Es wird einige Überraschungen geben. Gleichzeitig sind natürlich einige Standards und Klassiker gesetzt. Da kommt man nicht dran vorbei. Wie Du schon sagtest, Metal-Fans sind Traditionalisten und wollen auch ihre liebgewonnenen Favoriten hören. Das ist auch gut so, sonst wäre unser Comeback nie so erfolgreich gewesen. Zudem wird es auch eine technische Überraschung geben. Aber da darf und will ich auch nicht zu viel davon verraten. Lasst Euch überraschen. Es werden sicherlich tolle Shows werden.

Redaktion Stellvertretender Deskchef

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