„Die Räuber“ - Studio Beisel zeigt eine „reale Fiktion im Mannheimer Stadtraum“

Häufiger Wechsel von Spielebenen

Von 
Martin Vögele
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Theater in der Alltagswelt. © Lys-Y-Seng

Wer hat jetzt alles kaputtgemacht? Karl oder Franz Moor? Kajetan Skurski und Laurenz Raschke? „Wir haben einfach zu viel riskiert“, lässt sich Karl/Skurski durch die verriegelte Tür seines Büros vernehmen. Und Franz/Raschke hat in seinem angrenzenden, zellenartig anmutenden Start-up-Trakt eben noch einen Luftballonhund modelliert. Und eine Blume, Amalia, hat er sie genannt, wie die Nichte des alten Moor in Schillers „Die Räuber“.

In „Die Räuber“ befinden wir uns im Prinzip auch gerade, genauer gesagt: in der gleichnamigen Produktion des Künstlerkollektivs Studio Beisel, das seine Marburger Inszenierung (Premiere: September 2018) als „Eine reale Fiktion im Mannheimer Stadtraum“ für die Schillertage neu einrichtet. Nachdem dieser Projekteinstand aber gerade offenbar krachend gescheitert ist, bietet sich die Gelegenheit, nach vorne zu blicken, „von einem utopischen Theater der Zukunft, bei dem das Publikum im Mittelpunkt steht“, zu träumen oder besser noch: gleich aus dem aktuellen Stück heraus in diese Zukunft zu springen, das Publikum Kostüme aus dem Nationaltheater-Fundus anlegen zu lassen und nach Art eines Renaissance-Gemäldes ein Foto mit ihnen aufzunehmen.

Konventionen hintertrieben

Das klingt etwas verwirrend? Ist es auch, aber auf durchaus gewinnende und künstlerisch ansprechende Weise, vor allem ist „Die Räuber“ mit viel Humor gedacht und in Szene gesetzt. Knapp zwei Stunden vorher hatte alles am Firmenstand des Start-up-Unternehmens „Moor & more“ am NTM begonnen. Von dort waren die Zuschauer in zwei Gruppen aufgeteilt zum ehemaligen Waschsalon im Quadrat G7 gewandert, entweder zusammen mit Geschäftsführer Karl oder mit Stellvertreter Franz. Hier wurde in einer für die jeweilige gruppenspezifische Perspektive auf zwei Leinwände projizierten (fiktiven) Netflix-Doku zu „Moor&more“ nicht zuletzt das Geschäftsmodell der Firma vorgestellt. Vornehmlich verdichtete sich in Film und Spiel zugleich ein schwelender Bruderzwist, der im Scheitern des geplanten Online-Gangs einer App (es ist Feiertag, Franz!) kulminierte. Aber zurück zum Anfang: Keiner hat hier das Stück kaputtgemacht. Auch wenn Skurski und Raschke mit „Die Räuber“ einiges an Theatererwartungen und -konventionen zerlegen, im Spielebenen-Wechsel Nerven und geistige Agilität strapazieren: Von Studio Beisel dürfte noch allerhand Aufregendes zu erwarten sein.

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