Mannheim. Hat Technologie das Potential menschliche Kreativität zu ersetzen? Mit welchen Daten werden kreative KIs trainiert und welche urheberrechtlichen Fragen müssen geklärt werden? Wie reagiert die nachfolgende Generation auf von KI generierte Musik und immer stärker algorithmisch beeinflussten Medienkonsum? Und wie könnte oder sollte sich die Vergütung von Musikschaffenden angesichts dieser Entwicklungen verändern?
Diese und viele andere Fragen drängen sich bei näherer Betrachtung der nächsten Stufe der Digitalen Transformation der Musikwirtschaft auf und müssen diskutiert oder geklärt werden. Und so lud der Fachbereich Musikbusiness der Popakademie Baden-Württemberg am 25. und 26. Mai zum diesjährigen Future Music Camp ein. Rund 400 Expertinnen und Experten folgten dieser Einladung. Thematisch stand das zweitägige Konferenzformat unter dem Motto „Kreative Künstliche Intelligenz im Musikbusiness“. Es griff damit die aktuellen Entwicklungen zum Thema „Künstliche Intelligenz“ auf und ordnete sie für die musikwirtschaftliche Praxis ein.
Wie nützlich sind ChatGPT und Co.?
So wurden neben einer Erörterung des technischen Status Quo vor allem Themen rund um das Urheber- und Leistungsschutzrecht, die Folgen der Nutzung von KI-Instrumenten im Zusammenhang mit Musikproduktion und Musikstreaming, sowie die Nützlichkeit verschiedener KI-Instrumente wie zum Beispiel ChatGPT im alltäglichen Musikmanagement vorgestellt. Zudem wurden ethische Fragen zur Automatisierung von Musikempfehlungen durch auf Algorithmen basierende Systeme beleuchtet.
Auch abseits des inhaltlichen Programms wurde mit KI-Elementen experimentiert: eine eigens entwickelte KI-Fotobox, künstlich generierte Networking Impulse und ein interaktives Website-Design auf Prompt-Basis luden zum spielerischen Kennenlernen der Technologie ein.
Acht Keynotes
In insgesamt acht hochkarätigen (teilweise internationalen) Keynotes sowie einem umfangreichen Session- und Workshopprogramm von Vortragenden aus Wissenschaft und Praxis, konnte auf diese Weise ein breites Spektrum von Themen und Diskussionen abgedeckt werden. Zu den Expertinnen und Experten gehörten unter anderem Julia Schneider (Comicbuch-Essayistin und Ökonomin), Valerio Velardo (Gründer The Sound of AI), Hanno Fierdag (Professor für Musik- und Urheberrecht), Ryan Rauscher (BMG), Julie Knibbe (Music Tomorrow, Frankreich), Julian T. Loewe (Neubau Music), Hanna Lukashevich (Fraunhofer Institut) und Christine Bauer (Universität Salzburg).
Seit 2008 werden in Mannheim Zukunftsthemen der Musikwirtschaft verhandelt
- Das Future Music Camp ist ein Tagungsformat der Popakademie rund um wesentliche Zukunftsthemen der Musikwirtschaft. Die Kongresse bestehen aus Vorträgen, Talk-Runden, Showcases, Diskussionen und Sessions.
- Dabei referieren zum einen Vordenker- und Vordenkerinnen zu innovativen Themen. Zum anderen werden aktuelle Fragestellungen in von den Teilnehmenden organisierten Sessions vorgestellt und diskutiert.
- Das Camp versteht sich nicht nur als eine offene Schnittstelle der Popakademie zu anderen Forschungseinrichtungen, Hochschulen sowie zu Kreativen und kreativwirtschaftlichen Unternehmen, sondern auch als ein zentrales Ausbildungselement für ihre Studierende.
- Das erste Future Music Camp fand im Jahr 2008 statt. Am vergangenen Wochenende gab es die dreizehnte Ausgabe zum Thema Künstliche Intelligenz im Musikbusiness.
Den Machern des Camps ist es dabei ein besonderes Anliegen darauf hinzuweisen, dass die Musikindustrie sich dem Thema Künstliche Intelligenz und digitalem Fortschritt nicht verschließen sollte. Vielmehr geht es darum, Innovationen professionell zu managen, und zwar einerseits durch das Erkennen ihrer Relevanz und andererseits durch das dynamische Verändern und Anpassen von Alltagslogiken. Denn sie bieten viele Vorteile. So kommen KI-Instrumente heute schon bei der Erstellung von Artwork, von Musikvideos oder auch Pressetexten zu Einsatz.
„Das Future Music Camp konnte mit diesem zukunftsweisenden Thema und den exzellenten Beiträgen neue Maßstäbe setzen. Die hohen Anmeldezahlen und die positive Resonanz unterstreichen den Stellenwert“ bilanzierte Michael Herberger, Business Direktor und Geschäftsführer der Popakademie.
Kurz-Bios
- Alexander Endreß wurde am 26. März 1971 in Heilbronn geboren. Er studierte in Erlangen-Nürnberg Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf Diplom und wurde 2004 promoviert. 2007 wurde der auch als Musiker aktive Wissenschaftler Studiengangleiter im Fachbereich Musik- und Kreativwirtschaft an der Popakademie, seit 2021 ist er Studiengangsleiter Musikbusiness.
- David Stammer, geboren am 4. August 1991, studierte an der Universität Mannheim Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie an der Popakademie Baden-Württemberg Music and Creative Industries. Nach Stationen beim Musikverlag Warner/Chappell Music in Hamburg sowie beim SWR (DASDING / SWR3), arbeitet er seit 2020 als Projektmanager Digitale Innovation und Dozent an der Popakademie, wo er unter anderem das Future Music Camp betreut. Nebenberuflich ist er als DJ, Musikproduzent und Veranstalter tätig.
„Wir wollen den technologischen Wandel proaktiv begleiten, Musikschaffende und ihre Teams unterstützen, die Gäste miteinander vernetzen, damit sie die Zukunft der Branche mitgestalten können. Dazu müssen wir über die technischen Möglichkeiten und die Potentiale von KI Bescheid wissen, aber auch Risiken und Probleme deutlich benennen“, fasst David Stammer das Ziel der Veranstaltung zusammen.
Fortschritt als Chance
Fazit der Veranstaltung war, dass die Musikbusiness-Professionals anders als Ende der 1990er Jahre der rasanten Entwicklung mit mehr Selbstbewusstsein und Optimismus begegnen können und sollten und die Entwicklungen auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz nicht als Bedrohung wahrnehmen sollten, sondern als das, was sie sind: Technischer Fortschritt und Chance!
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