„Na da is mal Musik drin“, würde der berlinernde Obrist von Teckel (Alexander Voigt, der auch als Räuber Bullenbeißer auftritt) wohl den Premierenabend auf Burg Brattenstein beschreiben.
In der Musikalischen Räuberpistole „Das Wirtshaus im Spessart“ von Kurt Hoffmann befehligt er drei wunderbar schusslige Uniformierte in perfekt altpreussischem „zack,zack!“-Kasernenhofton. Was gilt, gilt - ganz gleich, ob Graf von Sandau (Patrick Rohbeck) ums Leben seiner Tochter bangt, völlig egal, ob vielleicht auch andere in Gefahr sein könnten. Kein Wunder, dass die beiden Sturköppe – der eine durch den Dienstgrad, der andere durch Geld und Stand geübte Machtmenschen, aneinander geraten. Wie gut, dass beide ihre Zusatzschwächen haben: Dem einen gilt ein Orden, dem andren ein Sack Geld als überzeugendes Argument.
Das ist so ganz und gar nicht im Sinn von Grafentöchterlein Franziska, der Comtesse von Sandau. Die pfeift ebenso auf die Konvention der Hauptmann einer Räuberbande, in deren Fängen sie mitsamt ihrer Reisegesellschaft landet. Jasmin Reif als Comtesse und – schließlich braucht das Entkommens-Verwirrspiel den Rollenwechsel mit dem Goldschmiedegesellen Felix (Sebastian A. Ciminski), der für die Sicherheit der Comtesse in ihre Kleidung schlüpft - Räuberlehrling Franz spielt die kess unbotmäßige Grafentochter und Braut des langweilig-braven Barons von Sperling (Heinz Krämer) einfach köstlich. Ihr „Pfui, Papa!“ bleibt ebenso haften wie ihr Liebesbekenntnis; wunderhübsch wechselt sie von der Grande Dame zum verschämten jungen Mädchen und frechen Gör im Räuberbanden-Umfeld. In Stimme, Darstellung und der Beherrschung feinster mimischer und gestischer Nuancen steht ihr Martin Sommerlatte als anfangs böser Räuberhauptmann, dann schwer verliebter Adelserbe um nichts nach.
Sein zentraler Gegenspieler als Korporal der Spessartbande ist Cyrus Rahbar: Ihr Konkurrenzkampf sprüht regelrecht in Blick-, Wort- und Faustgefechten – um Räuberliebchen Bettina (Frederike Faust, sehr körperbetont und gekonnt mit Sexappeal spielend) und natürlich auch die Comtesse.
Genial Daniel Ebert und Hans B. Goetzfried als die beiden Räuber Knoll und Funzel: Was bereits ihr erster, aus der Bühnengrube heraus gespielter Eingangs-Auftritt verspricht, übertrumpfen sie von Szene zu Szene immer weiter und sorgen für Gelächtersalven aus dem Publikum.
Umwerfende Komik
Ganz unbedarft scheinen zunächst die beiden von David Lake und Sebastian A. Ciminski personifizierten Handwerksburschen. Lake, der den Kaminfeger Peter mimt, ist zugleich Regieassistent, Ciminski spielt die Rollentausch-Comtesse mit einer in kleinsten Gesten gestalteten schier umwerfenden Komik.
Im Extra-Ensemble glänzt Helmut Flohr als Pfarrer Haug, der sich im Stück vom überbraven Pfarrer und Sittenwächter zum selbstbewusst agierenden Geistlichen entwickelt, der ganz und gar nichts dabei findet, einem schwulen Pärchen den Segen zu geben.
Natürlich – so gehört es sich nun einmal in musikalischen Räuberpistolen – verliebt sich Antje Eckhoff-Fieber als Zofe und Vertraute der Comtesse Barbara in Felix, mit dem sie gezwungenermaßen das Zelt zu teilen hat.
Für sehr rasante Räuber-Randale sorgt neben René Frank, Thilo Göbel, Heinz Arweiler und Helmut Aulenbach auch Susanne Grimm, die als Mutter der Räuberkompagnie ebenso wie als Dienstmagd am Grafenhof perfekt – mal mit Stil, mal am Stiel – auftischt.
Für die höchst gelungene Premiere sorgten neben einem einsichtigen Wettergott und dem auf den Punkt hin perfekt inszenierenden Regisseur Patrick Rohbeck das Festivalorchester unter der Leitung von Rudolf Hild, die Bühnen- und Kostümbildnerinnen Iris Holstein und Angela C. Schuett sowie die für Ton und Lichtdesign verantwortlichen Otto Geymeier und Christoph Pöschko.
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