„Don Juan“ von Achim Freyer - Die Molière-Komödie als erste Premiere des Staatsschauspiels Stuttgart 2021

Faszinierendes Mensch-Puppen-Schauspiel

Von 
Dieter Schnabel
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Jetzt darf auch wieder im Schauspielhaus Stuttgart Theater gespielt

werden, allerdings nur vor 342 Zuschauern statt der 661 möglichen.

Als erste Premiere des Jahres 2021 steht die Molière-Komödie „Don Juan“ in der Übersetzung von Friedrich Samuel Bierling auf dem Programm. Für „Inszenierung, Bühne, Kostüme, Licht“ zeichnet der 87-jährige Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner sowie Maler Achim Freyer verantwortlich. Und so ist das Ganze auch vor allem „Don Juan“ von Achim Freyer, der als der „Meister der Schauspiel- als Maskenkunst in Deutschland“ gilt. Und diese Meisterschaft zeichnet nun auch die rund 75-minütige, pausenlose Vorstellung aus.

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Veröffentlicht
Von
Susanne Kaeppele
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Eine weiße Bühnenschräge, mehrere in der Tiefe und zur Seite versetzte Vorhänge, darüber ein Sternenhimmel mit Mondsichel, das ist der erste Eindruck. Dann kommen weiß maskierte Puppen, teils in menschlicher Gestalt, teils als Marionetten hinzu. Die größte, aus verschiedenen Gliedern zusammengesetzte und einem Klappergestell gleichende Marionette, die an Fäden von oben hängt und deren verschiedene Teile so unabhängig voneinander in Bewegung gesetzt werden können, das ist Don Juan, der Titelheld. Kein Mann als Verführer, sondern nur eine Projektion. Derweilen spielen sieben Darsteller insgesamt 13 verschiedene Rollen, die nicht alle bei Molière vorkommen, der seinerseits aber noch andere Figuren ins Spiel bringt. So tritt etwa Elvira gleich in dreifacher Gestalt auf, einmal die von Molière, dann eine Da Ponte und eine andere Mozart zugeschriebene. Im Hintergrund sieht man abwechslungsweise im Kleinformat einen Dampfer, eine Rakete, eine Kirche, einen Leuchtturm und ein Schloss – selbstverständlich dürfen in diesem Zusammenhang der Text und die Melodie von „Reich mir die Hand, mein Leben, komm auf mein Schloss mit mir“ nicht fehlen. Die bekannte Geschichte um den „boshaftesten Menschen, den jemals die Erde getragen hat“ – wie es einmal heißt –, wird konzentriert erzählt.

Immer neue Überraschungen

Dabei gibt es immer wieder neue Überraschungen in optischer Hinsicht. Zum einen sind es die wandlungsfähigen Schauspieler, die sich immer wieder verkleiden und in andere Rollen schlüpfen. Zum anderen ist es das Spiel mit der sich biegenden, windenden, zusammenklappenden und dann sich wieder aufrichtenden Don-Juan-Marionette. Das alles fasziniert und ist gekonntes, seine Möglichkeiten mit Menschen und Puppen ausschöpfendes Theater in einer ganz besonderen, Achim Freyer eigenen Art.

Von den Darstellern hat Matthias Leja als Don Juans Diener Skanarell –

in diesem, wie auch in anderen Fällen eine besondere Schreibweise des Namens – die größte Aufgabe sowohl in textlicher als auch in schauspielerischer Hinsicht. Und er löst sie in jeder Beziehung souverän, gekonnt und dazu auch komödiantisch.

Paula Skorupa ist Molières Elvira und auch Don Carlos’. Celina Rongen gibt Da Pontes Elvira und die berlinernde Charlotte. Esther Lee als Mozarts Elvira hat auch zu singen. Felix Strobel überzeugt sowohl in der Rolle des Nathurine als auch in der eines Bettlers. Klaus Rodewald profiliert sich als Don Louis und Sonntag. Wandlungsfähig zeigt sich Valentin Richter als bäuerlicher Peter, als rachsüchtiger Don Alonso und als das Schicksal Don Juans besiegelnder Commentur, dessen äußere Hülle im Schnürboden verschwindet. Derweilen „verbrennt ein unsichtbares Feuer“ den Titelhelden. Rote Farbflecken werden auf die weißen Tücher projiziert.

Die Don-Juan-Geschichte hat eine lange Tradition. Molière schrieb sie nach einem Theaterstück des Italieners Onofrio Giliberto, das seinerseits auf dem „Verführer von Sevilla“ des Spaniers Tirso de Molina fußt. Sie wurde bis in unsere Tage in immer wieder anderer Art, als Epos, Novelle, Tondichtung, Oper, Schauspiel und Film vorgestellt. Achim Freyer erzählt sie jetzt im Staatsschauspiel Stuttgart in der ihm eigenen Art.

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