Kunst - Die Vogelmann-Stiftung ermöglicht der Stadt Heilbronn ein neues Museum, das zunächst Multiples des großen Düsseldorfer Künstlers zeigt

Eine Kunsthalle für Heilbronn, Beuys für alle

Von 
Sarah Weik
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Die Zeit hat den Raum verlassen. Joseph Beuys ist geblieben, doch seine Werke sind erstarrt. Selbst sein Filzanzug schwebt regungslos im Raum. Von der Wand schreit ein Plakat in knallroten Buchstaben "Difesa della natura" (Verteidigung der Natur) in den Raum. Eine Mahnung, heute so aktuell wie vor 25 Jahren.

Es ist zeitlos, was in den Räumen der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn zu sehen ist. Die Ausstellung "Beuys für alle!" weiht den Neubau ein. Gezeigt werden rund 100 Multiples - Werke, die Beuys in einer Auflage von fünf bis 12 000 Exemplaren reproduzierte. Werke, die alle erreichen sollten. 300 erwarb die Ernst-Franz-Vogelmann-Stiftung vor drei Jahren und gab die Sammlung als Dauerleihgabe an die Stadt. Einzige Bedingung: Eine Präsentation in geeigneten Räumen. Für 5,6 Millionen Euro sind diese nun neu entstanden, auch die Stiftung unterstützte den Bau mit einer Million Euro. Städtischen Museen und Kunstverein bespielen sie gemeinsam.

Das Ergebnis ist ein schlichter Kubus. Außen dunkelgrau, innen strahlend weiß. Außen passt er sich dem Kongresszentrum Harmonie an, innen bietet er auf drei Stockwerken großzügige Räume. Drei Stockwerke - drei Themenbereiche: Die Ausstellung spielt mit der Architektur. Ist im Erdgeschoss mit "Beuys und Heilbronn" der Themenbereich noch recht eng gehalten, wird er mit jedem Stockwerk weiter. Erst gibt es "Beuys für alle" und dann, ganz oben, "Multiples für alle". Verbunden werden sie durch ein Treppenhaus, das eng und gleichzeitig offen ist. Das durch die strikte Verwendung von Sichtbeton schlicht und gleichzeitig sakral wirkt.

1946 ließ Beuys, damals Kriegsgefangener, den Hauptbahnhof von Heilbronn in der Dunkelheit verschwinden. Er hatte das Hauptkabel der Stromversorgung abgedreht. Eine Aktion, mit der er seine Papiere wiederbekommen wollte und die er später zum "Happening" erklärte. Den Hauptschalter umlegen, die Gesellschaft verändern - in mehrerer Hinsicht ist die Aktion ein logischer Ausgangspunkt der Ausstellung. Von hier nähert sie sich mit Film- und Tonaufnahmen der Person Beuys, seinem Schaffen, und schließlich den "Multiples".

Nur selten werden die Exponate in Vitrinen abgeschirmt, fast alle sind frei zugänglich. Und genau das sollte Kunst nach Beuys Vorstellung ja auch sein. So steht im ersten Stock, mitten im Raum, ein Schlitten. Bepackt mit einer Decke, einer Taschenlampe und Fett. 24 davon bilden "The Pack" (das Rudel). Als Multiple jedoch hat Beuys sie allein in die Welt geschickt, als einsame Wölfe. Bereit, in einem neuen Umfeld auch neue Interpretationen zu ermöglichen. So auch das wohl bekannteste Multiple, die "Capri-Batterie" von 1985. In Heilbronn zeigt sich die an eine Zitrone angeschlossene Glühbirne von einer solchen Strahlkraft, dass sie auch die Wand hinter ihr in ein zartes Zitronengelb taucht.

Marcel Duchamp, Man Ray, Christo - anhand der Werke bedeutender Vorläufer und Zeitgenossen, wird im oberen Stockwerk die Geschichte der Multiples nachgezeichnet. Künstler, die Beuys geprägt haben und die von Beuys geprägt wurden. Und wer nun Appetit bekommen hat, kann gleich noch einen Blick in die Räume nebenan werfen. Hier präsentiert der Kunstverein den Beuys-Schüler Georg Herold.

Freie Autorin

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