Ausstellung

Ein Kuss als Schnittstelle

Der Künstlerbund Rhein-Neckar zeigt Ausstellung "Schnitt-Stelle" im Mannheimer Rosengarten. Rund 60 Exponate von 32 Kunstschaffen zeigen Schnitte, Kontraste und Kombinationen.

Von 
Christel Heybrock
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War in Mannheim auch dabei: Gemälde von Karlheinz Treiber. © Norbert Theobald

Mannheim. In Umbruchzeiten wie den jetzigen sind Schnittstellen fundamentale Erfahrungen – vertraute Verbindungen zerfallen, entfernen sich voneinander, schließen sich andernorts neu an. Der Künstlerbund Rhein-Neckar macht die „Schnitt-Stelle“ zum Thema der Jahresschau im Rosengarten und zeigt mit rund 60 Exponaten von 32 Kunstschaffenden genau das – Schnitte, Kontraste und Kombinationen nicht nur anhand einzelner Arbeiten, sondern auch anhand klug gesetzter Stellwände und einfühlsamer Hängung.

Zu den Teilnehmern gehören so bekannte Namen wie Clapeko, Werner Degreif, Tom Feritsch, Gerd Lind oder Gisela Hachmann-Ruch, aber im Grunde ist jedes einzelne Werkeine Inspiration. Die ergibt sich durch das Wechselspiel aus der Offenheit größerer Flächen und der zwanglosen Geschlossenheit von Ecken, in denen kontrastierende Werke zusammenfinden. So etwa die beiden farbenfrohen Papierschnitt-Arbeiten von Doris Erbacher und die zarten Wachs-Papier-Schichtungen der in Heidelberg lebenden Ukrainerin Aino. Hat Erbacher ihre Papierstreifen über- und untereinander mit viel Luft dazwischen quasi geflochten, so hat Aino ihr schneeweißes Material horizontal in viele schmale Schichten gebogen, ohne es zu knicken.

Das Leben als bedrohte Schnittstelle thematisieren zwei so unterschiedliche Künstler wie Rainer Negrelli mit zwei Arbeiten zum Gaza-Krieg und Hartmuth Schweizer mit einer Installation aus weißbemalten, kahlen Zweigen. Negrellis düstere Arbeiten in Asphalt und Öl auf Karton könnten zu den Zweigen von Schweizer keinen größeren Kontrast bilden – aber beide Arbeiten scheinen einander in ihrer Aussage zu befeuern, balancieren die Zweige doch mit den Gabeln nach unten und den blutigroten Schnittstellen nach oben.

Aber auch Arbeiten mit hintersinnigem Witz sind nicht selten. Eine Kombination ergab sich durch einen der beiden Foto-Pigmentdrucke von Alexander Kästel mit einem kleinen Video von Fritz Stier: „Der Kuss“. Auf dem Foto von Kästel geht eine Person nach links aus dem Bild, in der Hand eine Tragetasche und einen Fritz-Stier-Katalog. Stiers bezauberndes kleines „Kuss“-Video direkt daneben ist der Versuch, durch Berührung eine menschliche Schnittstelle zu schließen. Die beiden als weiße Linien auf Schwarz erscheinenden Profilgesichter könnten es ewig weiter versuchen.

Das Problem zwischenmenschlicher Kommunikation spießt Hermann Herold mit dem Ölbild „Ein Vorortbahnhof“ auf. Da scheint schon lange kein Zug mehr zu fahren, die wartenden Fahrgäste wurden über der Endloskommunikation mit ihren Handys zu Skeletten, und der tote Hund auf dem Nachbargleis hatte wohl auch im Leben niemand interessiert. Den Kampf des Menschen mit seinen eigenen Neuronen hat Dik Juengling witzig zu Ölbildern gemacht, auf denen eine „leere“ weiße Figur mit wuchernden Farben hadert. Politisch wird es bei Rainer Selgs „Abrüstungskonferenz“, einer Installation aus gutbürgerlichem Tisch mit wackligen Betonkugelhälften darauf.

Info: Bis 29. Dezember, geöffnet zu den Rosengarten-Veranstaltungen sowie mit Führungen am 5., 17. und 21. Dezember um 17 Uhr.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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