Zwei unverwüstliche Schwankautoren - "Weekend im Paradies" von Arnold und Bach bei den Freilichtspielen Neuenstadt

Die Späße über die "Unsittlichkeit" zünden noch immer auf der Bühne

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Weder die Theater- noch die Literaturgeschichte, nicht einmal ein Schauspielführer und auch keine Enzyklopädie halten ihre Namen für erwähnenswert und doch gehören die beiden zu den erfolgreichsten Bühnenautoren der vielbesungenen goldenen 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Bei den Freilichtspielen Neuenstadt erinnert man sich jetzt ihrer und präsentiert einen ihrer Schwänke: "Weekend im Paradies".

Franz Arnold heißt der eine, geboren 1876, gestorben 1960, einst Charakterkomiker am Berliner Friedrich-Wilhelmstädtischen Schauspielhaus und am Lustspielhaus, später Emigrant in London und Mitarbeiter bei Musicalproduktionen. Ernst Bach ist der andere, geboren 1878, gestorben 1929, Schauspieler und Direktor des Münchner Volkstheaters. Zusammen schrieben sie viele Schwänke, von denen "Die Spanische Fliege", "Der keusche Lebemann" und "Hurra, ein Junge" die bekanntesten sind. Obwohl der Zahn der Zeit inzwischen an ihren Werken kräftig genagt hat, erfreuen die zeitgebundenen und doch offensichtlich auch zeitlosen Späße der zwei unverwüstlichen Schwankautoren die Besucher, die ins Theater kommen, um sich in erster Linie zu amüsieren.

So amüsieren sich auch die Besucher der diesjährigen Freilichtspiele Neuenstadt köstlich bei den Entdeckungen des Regierungsrats Dittchen, eines wenig erfolgreichen Beamten eines Berliner Ministeriums in der sogenannten guten alten Zeit, der bei Beförderungen regelmäßig übergangen wird und der erst dann zum Zug kommt, als er an einem Weekend im "Paradies", einem Ausflugsziel am Schnakensee, das Treiben der Gäste als unsittlich entlarvt. Dabei handelt es sich um niemand anderes als seine Kollegen und Vorgesetzten bis hinauf zum neuen, aus Kassel in die Hauptstadt kommenden Ministerialdirektor.

Dabei besteht die Unsittlichkeit darin, dass sich die verheirateten nicht mit ihren angetrauten Partnern vergnügen und, dass sich die Unverheirateten in Doppelzimmern eingemietet haben. So haben sich die Zeiten inzwischen gewandelt und wir mit ihnen. Und so amüsiert man sich über heute Gängiges, was damals noch außergewöhnlich war.

Eine ziemlich kahle, einfach möblierte Amtsstube, dann nach dem Aufklappen der Wände, ein großzügiges Foyer das "Paradies" mit der Rezeption und zuletzt der Vorraum im Ministerium mit zwei Bänken, das sind die passenden Bühnenbilder von Brigitte Klein-Wallner. In ihnen setzt die Regisseurin Tanja Krauth mit viel Schwung und gekonnter Personencharakterisierung den noch immer die Besucher gut unterhaltenden Schwank der Verwicklungen aus Altväterzeiten in Szene, aus denen auch die passende Kostümierung der Akteure von Antje Austel stammt.

Dem Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, dem vom Regierungsrat bis zum Ministerialdirektor sozusagen in Windeseile die Karriereleiter emporkletternden Dittchen, gibt Benjamin Ehle die Züge eines eher verschlafenen, aber die Gunst der Stunde geschickt nutzenden Beamten, der in Corina Deininger als seiner Frau eine auch von anderen begehrte Partnerin an seiner Seite hat.

Seine Vorgesetzten sind der schnieke Oberregierungsrat von Giersdorf des Lars Tönnies, der um sein Vergnügen bemühte Ministerialrat Breitenbach des Peter Zeh und in spe der, trotz seiner "Caramba"-Attacken mit Körben überhäufte Lehmann des Karl-Heinz Hoffmann, der sich am Ende als der neue Ministerialdirektor aus Kassel entpuppt.

Die gekonnte Studie eines Bürodieners liefert Karl-Heinz Schmidt als Wüttke. Ein frustrierter Blaustrumpf aus dem Bilderbuch ist Antje Leverenz-Bätz als Landtagsabgeordnete. Für jedes Abenteuer bereit zeigt sich die mit dem biederen Kriminalkommissar des Michael Krämer verheiratete, attraktiv-offenherzige Tutti der Jessica Colquhoun. Ein Paar könnte aus dem jung-verliebten Regierungsassessor des Benjamin Epple und der eher schüchternen Stenotypistin der Anastasia Schmidt werden.

Da sich die gegen das Treiben im "Paradies" beschwerdeführende Villenbesitzerin der Jennifer Haas und der Hotelbesitzer des Cornel Gerstle zuletzt noch einigen, steht auch in Zukunft dem "Weekend im Paradies" nichts mehr im Weg. Dieter Schnabel

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