Ein Kriminalfall: Blutbeflecktes Bett, eine Polizistin verteilt Asservate darauf und davor, stellt Nummern dazu. Offenbar bereitet sie einen Lokaltermin vor. Doch dann wird die Polizistin vom Geist des Mordes, der hier geschah, ergriffen, sie legt sich in der Pose des Opfers auf das Bett, macht ein Polaroid von sich selbst. Dann wird der Täter in Handschellen hereingeführt.
So beginnt die erste der drei Kammeropern von Reinhard Febel, die, zum Triptychon "Morde in Bildern" zusammengefasst, am Mittwoch im Museum im Kulturspeicher Würzburg Premiere hatte. Drei Kammeropern nach Gemälden, denn die Szenen mit jeweils einem Schauspieler- und einem Sängerpaar im Zentrum "erzählen" berühmte Bilder szenisch und musikalisch neu.
In der Anfangsszene ist es das Gemälde "Unos cuantos piquetitos" (Ein paar kleine Dolchstiche) von Frida Kahlo (Titel: "Frida"), danach folgt im Nebenraum - das Publikum packt seine Museumsklapphocker unter den Arm und zieht um - ein Doppelmord im "Haunted House" des Neuengland-Malers Edward Hopper ("Das Gespensterhaus") und wieder zurück im ersten Raum, zerstört eine Besucherin des Museums Diego Velázquez' "Rokeby Venus" und dabei stirbt die Frau, die für den Maler Modell gestanden hatte ("Raum 17").
Reinhard Febel inszenierte den Triptychon in Würzburg selbst. Er überschreitet mit den drei Kammeropern die Grenzen der Künste (Musik, Schauspiel, Malerei), die Grenzen der Spielorte (das Museum wird zur Bühne) und die Grenzen der Zeit: Die Handlung der drei Miniatur-Opern enthält immer zwei Zeitebenen - die historische Zeit der Entstehung des Bildes, repräsentiert in den beiden Sängern, einem Sopran (Anke Endres) und einem Tenor (Markus Francke), und die Gegenwart mit den beiden Schauspielern (Maria Vogt und Dominik Meder).
Diese Zeitebenen können durchaus die Chronologie ignorieren. So findet die junge Frau beim Besuch des "Haunted House" ein Medaillon, hängt es um und macht eine emotionale Zeitreise in die zweit Hälfte des 19. Jahrhunderts durch, als hier ein Eifersuchtsmord geschah. Ursache für die Eifersucht war die Tatsache, dass die Ehefrau das Medaillon verloren hatte und es nicht wieder finden konnte, da es ja mehr als 100 Jahre später die junge Frau an sich genommen hatte.
So - mit doppeltem und dreifachem Boden - funktioniert die Erzählweise Febels. Die Atmosphäre des Erzählens wird dann unvermittelt zerstört, das Publikum mit in die Aktion hineingenommen, wenn eine Museumsführerin (Cornelia Boese) die drei Bilder als Neuerwerbungen des Kulturspeichers vorstellt und ihren Inhalt interpretiert. In ihrem Vortrag werden den Bildern scheinbar alle Geheimnisse entrissen. In der Szene allerdings bleiben sie nicht nur erhalten, sondern es kommen neue Geheimnisse, neue Fragen hinzu.
Zum Beispiel in der Velázquez-Oper: Ein junger Maler, Diego, will das Bild kopieren, kommuniziert dabei - äußerlich zu Velázquez mutiert - nicht mit dem Bild, sondern mit dem Modell der Venus. Als schließlich eine Frau in Grau - wie bei dem tatsächlichen Anschlag auf das Bild im Jahr 1914 - mit einem Hackmesser die liegende Frau auf dem Bild aufschlitzt, stirbt das Modell.
Es gibt keine sichere Wirklichkeit, Realität ist ein unfester Zustand, Zeitebenen und Gefühlslagen vermischen sich. Auch in der Musik ist das so: Febels Komposition klingt teilweise nach serieller, atonaler Musik, dann wieder meint man Zitate aus traditionell-tonaler Musik zu hören.
Die Ausführenden - Mitglieder der Würzburger Philharmoniker mit einfach besetzten Streichern, Holzbläsern, Gitarre, Schlagwerk und Klavier unter der Leitung von Alexis Agrafiotis - saßen im zweiten Raum, was den Opern 1 und 3 eine sicherlich nicht optimale, aber dennoch ganz eigene Klangwelt gab.
Das Publikum beklatschte lange Komponist und Regisseur, die Musiker, vor allem aber die beiden Sänger und die Schauspieler.
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