Jazz

Copland und Schläppi in Mannheim: Wo die Töne schmelzen wie Schnee

Eine sanfte Poesie der Vergänglichkeit gepaart mit lässigem Understatement: Das kommt beim Auftritt von Pianist Marc Copland und Bassist Daniel Schläppi im Mannheimer Ella &Louis heraus

Von 
Martin Vögele
Lesedauer: 

Bevor der US-Pianist Marc Copland und der Schweizer Kontrabassist Daniel Schläppi ihr Konzert im Mannheimer Jazzclub Ella & Louis beginnen, erzählt Copland zunächst von „Jade Visions“, dem ersten und „sehr besonderen Stück“, das die beiden an diesem Abend interpretieren werden. Geschrieben wurde es von dem Bassisten und Jazz-Innovator Scott LaFaro, der 1961 im Klaviertrio mit dem großen, damals gleichfalls noch jungen Pianisten Bill Evans und dem Schlagzeuger Paul Motian spielte. Die drei traten im New Yorker Jazzclub Village Vanguard auf – wovon wiederum die Live-Alben „Sunday at the Village Vanguard“ und „Waltz for Debby“ zeugen, die zu Meilensteinen des Modern Jazz werden sollten. „Jade Visions“ war nicht nur das letzte Stück, das die Musiker dort, sondern das letzte, dass sie jemals zusammen spielten. Denn keine zwei Wochen später starb LaFaro bei einem Autounfall, berichtet Copland.

Introspektive Nachdenklichkeit

Natürlich ändert das Wissen um die Dinge und ihre Geschichte auch immer die Art und Weise, wie sie wahrgenommen und wiedergegeben werden. „Jade Vision“ jedenfalls wird hier zu einem unerhört fragilen Stück – zart aufgefächert und die Töne wie Schnee auf den Tasten schmelzend, entfaltet Coplands Spiel eine sanfte Poesie der Vergänglichkeit, die sich um Schläppis sensibel mäandernden Bass schlingt und endlich in der Stille verblasst.

Diese zurückgenommene Dynamik, diese introspektive Nachdenklichkeit ist – bei allen gelegentlichen Groove-Konkretisierungen – durchaus bezeichnend für das Zusammenspiel des US-amerikanischen Pianisten und Komponisten und seines schweizerischen Bass-Pendants und Bandleaders, die, nachdem sie sich 2010 erstmals in New York begegnet waren, drei Alben aufgenommen haben: „Essentials“, „More Essentials“ und zuletzt „Alice’s Wonderland“. Letzterem entstammt auch Schläppis gleichnamige Komposition, die wie ein Zeitlupen-Walzer über einen Porzellan-schimmernden Klangboden gleitet. Auch „Some Day My Prince Will Come“ aus dem Walt-Disney-Filmklassiker „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ fasst das Duo in feinsinnig ausformulierte Töne, während etwa der sublime Groove von Horace Silvers „Song For My Father“ mit lässigem Understatement gespielt wird.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen