"Wer von Ihnen hat in den letzten drei Monaten eine Zaubershow besucht? Bitte mal Handzeichen geben!", so startet Vincent Gambini seine kleine einleitende Umfrage an diesem Nachmittag auf der Probebühne im Theaterhaus in G7. "This Is Not a Magic Show" heißt die Lecture Performance des aus London stammenden Zauberers. Und damit wären wir auch schon mitten in der abenteuerlichen Konstruktion: Denn erstens ist es sehr wohl eine Zaubershow und zweitens handelt es sich hier nicht um den Magier Vincent Gambini, sondern um den englischen Performance-Künstler Augusto Corrieri (kein Scherz!).
Filmfreunden dürfte das schnell klar gewesen sein, ist doch Vincent Gambini der Name des Titelhelden aus "Mein Vetter Winnie" ("My cousin Vinny" im Original), der in der 1992 erschienen Filmkomödie einen Kartentrick benutzt, um sich das Vertrauen seines Gegenübers zu erschleichen.
Corrieris Gastspiel beim Here & Now-Festival ist ein gute Laune machendes Kleinstück von knapp 65 Minuten Laufzeit, das sich auf unterschiedlichen Ebenen seinem Thema nähert: der Wahrnehmung von Kunst (besonders auf der Bühne). Und dabei sein Publikum nicht nur mit flinken Kartentricks verführt, sondern genüsslich und mit doppeltem Boden die Rezeptionsmechanismen des Zuschauers seziert. "Gods Are Fallen and All Safety Gone" der Greyscale Theatre Company aus Newcastle ist ebenfalls eine performative Untersuchungseinrichtung, allerdings mit dem klaren Fokus auf der Beziehung von Eltern und Kindern.
Regisseurin und Autorin Selma Dimitjevic baut hier in einem colla-geartigen, szenischen Zeitraffer das biografische Tableau einer Mutter-Tochter-Beziehung. In klug zusammengesetzten, alltäglichen Dialogteilen untersucht sie den Moment, in dem Kindern klar wird, dass ihre Eltern keine unfehlbaren Götterwesen sind, sondern verletzliche und nicht immer gute Menschen, und seine Auswirkungen auf das Miteinander. Programmatisch steht dafür schon der Titel, ein John-Steinbeck-Zitat. Weniger programmatisch, aber dafür umso spannender ist die Besetzung der beiden Akteure mit zwei Schauspielern.
Eine simple Verfremdung, die allerdings dank der beiden starken Spieler Sandy Grierson und Jimmy Akingbola den Raum weit öffnet für den individuellen Blick auf seine eigenen Eltern(-und Kind-)geschichte.
Und auch eine Eigenproduktion des Theaterhauses ging jetzt an den Start. "The Letter Of Last Resort" von Daniel Craig, ein Dialogspiel mit zwei Protagonisten (hier besetzt mit Angela Pfenninger und Mike Shiels), das ein eigenartiges Phänomen in Großbritannien beleuchtet. Es geht um den handgeschriebenen Brief, den der Premierminister am Tag seines Amtsantritt aufsetzen muss, in dem er Anweisungen an den Offizier der Atom-U-Boote gibt, wie man sich im Falle eines fatalen Nuklearschlags auf Großbritannien zu verhalten hat.
Unterschiedliche Positionen
In Form einer szenischen Lesung bringt Julia Zessin das Zweipersonenstück hier auf die Probebühne. Mit szenischer Unaufgeregtheit baut sie ein Lesungskammerspiel, das sich vor allem durch die pointierte Artikulation der Spieler auszeichnet. Drei unterschiedliche Positionen und Spielarten, mit denen sich das Here & Now-Festival bis zur nächsten Ausgabe verabschiedet.
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