40 Jahre später

1980er-Kultalbum „Humpe & Humpe“ erscheint noch einmal

Inga und Annette Humpe prägen den Deutsch-Pop seit 40 Jahren. Nun erscheint ihr Album „Humpe & Humpe“ erneut. Im Interview zeigen sich die Schwestern entspannt.

Von 
Steffen Rüth
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Ihr Kultalbum aus den 80ern kehrt zurück: das Schwestern-Duo Humpe & Humpe, aufgenommen 1985 in München. © picture alliance / Fryderyk Gabowicz

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Album „Humpe & Humpe“ erscheint 40 Jahre später neu.
  • Inga und Annette Humpe prägten den Deutsch-Pop aus Berlin.
  • Im Interview sprechen sie über Feminismus und aktuelle Herausforderungen.
  • Die Neuauflage ihres Debütalbums enthält exklusive Bonustracks und Liner Notes.

Berlin. Sie kommen aus einer Konditorenfamilie in Herdecke (NRW) und prägen seit den späten 1970er Jahren die deutsche Musikgeschichte entscheidend mit. Mit den Neonbabies wurden Annette (74) und Inga Humpe (69) bekannt, mit Ideal wurde Annette zu einer Art deutschem Punk-Star. Bevor dann Inga das bis heute erfolgreiche Dance-Pop-Duo 2raumwohnung („36 Grad“) gründete und Annette sich als Produzentin von „Ich & Ich“ oder Max Raabe etablierte, veröffentlichten sie Mitte der 1980er zwei Gemeinschaftsalben. Das erste, „Humpe & Humpe“, klingt nach Alternative Pop und beweist textliche Experimentierfreude. Wir sprachen mit Annette und Inga Humpe in Berlin.

Inga und Annette Humpe, Ihr „Humpe & Humpe“-Album ist 40 Jahre alt, aber es hört sich gar nicht alt an. Könnte auch von heute sein.

Inga: Er will uns schmeicheln.

Schon, aber es ist ja auch so. Wie waren Sie drauf 1985?

Inga: Wir waren ganz schön erschöpft. Das Album ist mit dem Einsatz aller uns zur Verfügung stehenden Kräfte entstanden.

Bis auf ein Lied singen Sie alles auf Englisch – und nicht mehr auf Deutsch wie noch bei den Neonbabies und bei Ideal.

Annette: Englisch zu singen war uns sehr vertraut. Als wir noch zur Schule gingen, hatten wir die Beatles, die Kinks und alle möglichen englischen Sachen nachgesungen.

Wo haben Sie denn gesungen?

Inga: Auf Familienfesten. Unser Vater hatte eine große Familie, denen waren die Geburtstage wichtiger als alle kirchlichen Feiertage. Deshalb wurden die sehr, sehr ausgiebig gefeiert, und die ganze Familie war sehr darstellungswillig. Wir waren dann irgendwann auf diesen Festen für das Unterhaltungsprogramm zuständig und haben Hits wie „Bye Bye Love“ gesungen. Wir waren die kleine Entertainment-Einheit der Familie.

Wenn wir gesungen haben, sahen wir die Freude in den Augen der Eltern und der Verwandten.
Annette Humpe

Hat Ihnen das Spaß gemacht?

Annette: Ja, schon. Wenn wir gesungen haben, sahen wir die Freude in den Augen der Eltern und der Verwandten. So kam es wahrscheinlich, dass wir das Singen zum Beruf gemacht und irgendwann gesagt haben: Wir gehen jetzt nach Berlin, wir machen das, um Geld zu verdienen, wir sind jetzt Punks.

Wie war das für Ihre Eltern?

Annette: Die machten sich große Sorgen, dass wir an der Nadel hängen würden. Oder noch schlimmere Sachen.

Ihre Eltern besaßen eine Konditorei. Stand es nie zur Debatte, dass Sie das Geschäft weiterführen?

Annette: Nein, das wollten unsere Eltern auch gar nicht. Sie haben uns das jedenfalls nicht angeboten. Ihre Pläne für mich waren, dass ich einen Arzt heiraten und dann Studienrätin für Erdkunde und Musik werden und in Herdecke bleiben sollte. Das hätten sie schön gefunden.

Humpe & Humpe

Humpe & Humpe heißt das gemeinsame Musikprojekt der Musiker-Schwestern, Pop-Sängerinnen und Musikproduzentinnen Annette und Inga Humpe. Das Duo veröffentlichte zwei Alben: „Humpe & Humpe“ (1985) und „Swimming with Sharks“ (1987).

Zum 40-jährigen Jubiläum erscheint „Humpe & Humpe“, das Debütalbum von Inga und Annette Humpe, als 40th Anniversary Edition, ergänzt durch sieben Bonustracks, darunter fünf unveröffentlichte Titel.

Zusätzlich enthält die Veröffentlichung exklusive Liner Notes von Gareth Jones, dem Produzenten des Albums.

Sie sind nach Berlin gezogen, haben 1979 die Neonbabies gegründet. Annette, Sie sind 1980 zu Ideal gewechselt. Haben Ihre Eltern mitbekommen, dass Sie Erfolg hatten?

Inga: Ja. Als klar war, dass wir von der Musik leben können, haben unsere Eltern sich total darüber gefreut, wenn sie mal wieder eine neue Schallplatte oder CD von uns in der Hand hatten. Unser Vater ist sogar mal zum Arzt gegangen, hat die CDs vorgezeigt und gefragt, ob er einen Termin haben könnte (lacht).

Sie wirken abgeklärt und gelassen. Nervt es Sie, wie aufgewühlt die Gesellschaft gerade ist?

Annette: Hysterie macht sich breit. Aber Hysterie ist nie ein guter Ratgeber. So wie alle gerade am Rad drehen, das empfinde ich als grauenhaft. Das vernebelt den Blick. Und macht nichts besser.

Inga: Ich finde, die Medien haben eine Mitverantwortung. Wenn die Leute immer nur hören, Deutschland geht es schlecht, schlechter, am schlechtesten, dann glauben die das irgendwann auch. Natürlich gibt es bei uns Leute, denen es nicht gut geht, und denen wollen wir auch helfen. Aber generell nur zu meckern und zu sagen „Alles ist scheiße, und schuld daran bist du und du und du“, das kann es ja nicht sein. Ich glaube, viele Leute arbeiten so viel und sind so erschöpft, dass sie keine Energie mehr haben, um sich Gedanken zu machen. Wer ständig müde ist und negativ drauf, der wählt dann vielleicht auch eine schlecht gelaunte und komplett negative Partei wie die AfD.

Markus Söder meinte neulich, er wolle zurück in ein altes Deutschland. Also ungefähr in die Zeit, in der Ihr „Humpe & Humpe“-Album entstand. War vor 40 Jahren denn wirklich alles besser im Land?

Inga: Ich finde, das ist ein populistischer Satz. In den 80ern gab es zum Beispiel nur wenige Frauen in unserer Position, und auf der geschäftlichen Ebene schon gar keine. Die Probleme für Frauen in der Musikbranche waren damals viel größer als heute, es gab insgesamt weniger Vielfalt. Es hat sich vieles zum Besseren entwickelt.

Waren Sie Feministinnen?

Annette: Ohne es auszusprechen. Wir haben den Feminismus einfach gelebt. Wir haben nie gedacht, dass wir nicht alles machen können, nur weil wir Frauen sind.

Inga: Wir waren tough und sehr ehrgeizig. Wir wollten was erreichen. Leistung war uns immer sehr wichtig. Zweifel, die es bestimmt mal gab, wurden weggeschoben. Unser Liebesleben hat ein bisschen unter unserer Zielstrebigkeit gelitten, denke ich. Für die Vielfalt der Gefühle war oft kein Raum.

Ich stand immer da als die kleine Schwester, die hinterherdackelt und am Rockzipfel der großen hängt. Das war nicht leicht zu ertragen.
Inga Humpe

Der Erfolg kam dann ja auch.

Inga: Für Annette noch mehr als für mich. Als sie mit Ideal so abging und ich mit den Neonbabies nicht, das tat weh. Aber es war auch eine gute Motivation.

Waren Sie neidisch auf Annettes Erfolg mit Ideal?

Inga: Ich habe darunter gelitten, dass sie so erfolgreich war und ich nicht. Ich stand immer da als die kleine Schwester, die hinterherdackelt und am Rockzipfel der großen hängt. Das war nicht leicht zu ertragen. Ich war schon sehr glücklich, als es später mit 2raumwohnung so gut funktionierte.

Wie groß war das Konkurrenzdenken bei Ihnen?

Annette: Das war schon groß. Auf der anderen Seite gab und gibt es aber auch die Schönheit des Vertrauten. Zusammen Musik hören, sich einig sein, was ein guter Song ist.

Weshalb kommt „Humpe & Humpe“ eigentlich genau jetzt wieder raus?

Inga: Wir haben vor ein paar Jahren festgestellt, dass unsere Alben von früher gar nicht so richtig erhältlich sind. Insbesondere nicht digital. Jetzt haben wir die rechtliche Situation endlich geklärt, deshalb werden jetzt auch zum Beispiel mein Soloalbum „Planet Oz“ und die alten Ideal-Alben nach und nach neu aufgelegt.

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