Die Theatergruppe Doredräwer hat mit der Komödie "Die Widerspenstige" einen Glücksgriff gemacht und serviert ein wohlschmeckendes pizza-buntes Liebesallerlei.
Schäftersheim. Reichlich Szenenapplaus und viel Gelächter: "Die Widerspenstige" von Christoph Eckert traf genau den Geschmack des Freilichtspiel-Publikums. Bis in den späten Abend zog sich am Freitag die zum kleinen Dorffest geratene Premierenfeier der Theatergruppe "Doredräwer" im alten Schulhof.
Die Szenerie: ein italienisches Gartenlokal überm blitzblauen Mittelmeer. Die Zeit: die 50er Jahre. Die Handlung: Schlag nach bei Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung". Das ewig alte neue Spiel um Liebesfreuden, Liebesleiden ergänzt Eckert um eine Touristenfamilie, die eine Prise Zusatzwürze zum pizzabunten Liebesallerlei beisteuert.
Die Urlauber kommen bei den Doredräwern natürlich aus Schäftersheim. Statt reinem Mittelmeergenuss erleben Horst, Maus und ihre Kinder Franzi, Friedrich und Fritzi - Regisseurin Stefanie Schnitzler hat die Familie vergrößert - Familiendramen.
Es sind köstlich gezeichnete Charaktere, die die Truppe unter der Regie von Stefanie Schnitzler gestaltet hat: Als Wirt Baptista, der klare Vorstellungen über die Zukunft der Töchter samt zu erwartender Mitgift hat, läuft Klaus Richter zu ungeahntem Temperament auf. Seine Gattin - bei der Premierenvorstellung Sonja Hein, in einigen weiteren Vorstellungen schlüpft Isolde Neef in diese Rolle - versucht zu vermitteln. "Alle Männer wollen König sein. Eine Frau muss ihnen das Gefühl geben, sie dürften regieren - und dafür sorgen, dass sie es nicht tun", erklärt sie der nicht gerade auf den Ehestand versessenen Tochter Katharina.
Jutta Gromes gibt in dieser Rolle eine Kratzbürste vom Feinsten, die in Petruccio (Frank Dimler) einen gleichwertigen Partner hat: Sie spielen sich gegenseitig hoch, dass die Fetzen fliegen. Das Paar - "Wir sind nicht verlobt!", betont Katharina - schenkt sich nichts. Ob sie sich streiten oder gerade mal nicht: Bei diesen beiden geraten selbst die Liebeserklärungen zart wie Granit.
Ganz anders Bianca: Schmiegsam schwärmerisch schwelgt Doredräwer-Neuzugang Linda Eder in Capriklängen und den poetischen Versen des neuen, unbekannten Verehrers, auch wenn die frechen italienischen Bambini - Alina Schmitt und Carl und Zita Klärle, auch als Kinder von Horst und Maus ein köstliches Trio - sie noch so sehr verspotten. Die Schäftersheimer Urlauber Horst (Andreas Fischer-Klärle) und Maus (Michaela Dietz) sind längst hinaus über liebäugelnd verkleinernde Kosenamen. Er lehrerhaft, hochgereckt, besserwisserisch bis zum geht nicht mehr, streitet sich sogar mit dem einheimischen Kellner über die korrekte Aussprache der Gnocchi. Auch hier eine Mutter, die auszugleichen versucht, besonders, als die Kinder anfangen, sich ihre Vorteile bei eventueller Scheidung der Eltern auszumalen. "Wir lassen uns nicht scheiden!", brüllt Horst ebenso echauffiert wie Katharina beim Verlobungsdementi.
Wie sollen zwischen Küche, Tresen und Servieraktionen eigentlich die ebenfalls den Reizen Biancas erlegenen Kellner Hortensio (Philipp Schmitt - sein Komiktalent spielt er auch in dieser Saison perfekt aus - und Gremio (Benedikt Reindel) zu ihrer Liebsten kommen? Da muss dann wohl geschmiert werden: Zwecks Wegverlobung der bärbeißigen älteren Tochter haben sie sich sogar mit dem Co-Verehrer Lucentio (Henri Wolfarth) zusammengetan. Dumm nur, dass dann auch noch ein junger Poet (Justus Steinmüller) vom Dachfirst aus erstaunlich stimmgewaltige Ständchen bringt.
Das junge Trio Reindel, Steinmüller und Wolfahrt hatte schon in der "Feuerzangenbowle" begeistert. Als armer Poet, reicher Fabrikantensohn und schwer schuftender Kellner himmeln sie Bianca an, und wenn die Fäuste fliegen, fühlt man sich fast in Saloon-Szenen aus Italo-Western versetzt.
Und dann sind da noch die Witwe Tranio (Eva-Maria Rapp) und Petruccios Mutter (Theresia Richter). Gekonnt besetzt sind diese Rollen. Tranios Blickkommentare und eingestreuten Weisheiten: Köstlich. Der Mamma-Auftritt: Wow!
Regie und Requisite, Maske, Kostüme, Bühne: Von A bis Z haben sie sich eine Eins mit Stern verdient. Die bis in die Ränder hinein perfekt bespielte Freilichtbühne ist von der auch akustisch gekonnt austarierten Tribüne aus bestens einzusehen. Da gehen weder Motorroller noch Schelllackplattensammlung oder der Postkartenautomat unter, auch der Blick ins Blumengärtchen ist frei.
Wird's noch was mit der Liebe? Und kriegt Baptista seine Wiese? Für wen entscheidet sich Bianca - falls ihr nicht die geliebte, mit reichlich Haarkleid auf den Zähnen ausgestattete Schwester dauerhaft im Wege steht? Hingehen. Die spritzige Sommerkomödie sorgt für einen höchst amüsanten Abend.
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