Windpark „Kornberg/Dreimärker“ - Gutachter Levedag sieht Flugbetrieb nicht gefährdet / Flugsportclub und Fraktionen im Walldürner Gemeinderat bleiben skeptisch

Windpark Kornberg: „Normale atmosphärische Turbulenzen“

Von 
Ralf Scherer
Lesedauer: 
Nachlaufturbulenzen der geplanten Windkraftanlagen im Bereich „Kornberg/Dreimärker“ beeinträchtigen laut Gutachten von Professor Stefan Levedag nicht den Flugbetrieb am Verkehrslandeplatz in Walldürn. Das Bild zeigt die bereits bestehenden Windräder im Distrikt „Großer Wald“ südwestlich des Flugplatzes. © Ralf Scherer

Walldürn. In einem 36 Seiten umfassenden Gutachten kommt Professor Stefan Levedag zu dem Ergebnis, dass durch den geplanten Bau von Windkraftanlagen im Bereich „Kornberg/Dreimärker“ auf Höpfinger und Hardheimer Gemarkung „bei Berücksichtigung realistischer Nachlaufdaten keine Gefährdung des Flugverkehrs in der Platzrunde durch die geplanten Windenergieanlagen zu erwarten ist“.

Vom Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Hardheim-Walldürn war der Direktor des Instituts für Flugsystemtechnik beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), beauftragt worden, die vom Flugsportclub Odenwald (FSCO) im Verlauf des Verfahrens zur Ausweisung vor Vorrangflächen für Windkraftanlagen geäußerten Bedenken hinsichtlich der Flugsicherheit zu überprüfen.

Untersucht wurden von Levedag mögliche Auswirkungen von Nachlaufturbulenzen von Windkraftanlagen auf eine „Cessna 150“. In der Zusammenfassung seiner Simulationsergebnisse stellt er fest: „Die Effekte aus dem Nachlauf der Windenergieanlagen werden in der Platzrunde nicht von normalen atmosphärischen Turbulenzen zu unterscheiden sein.“

In der abschließenden Bewertung des Gutachtens heißt es: „Es verlangt keine besonderen fliegerischen Fähigkeiten, um einen solchen Durchflug sicher durchführen zu können. Die für das Muster C150 ermittelten Reaktionen würden bei größeren oder schnelleren Flugzeugen noch geringer ausfallen und ebenfalls zu keinen kritischen Situationen führen.“

Optimistisch blickt deshalb die Zeag Erneuerbare Energien GmbH als Vorhabenträger auf den weiteren Verlauf des Verfahrens: „Wir freuen uns, dass unsere jederzeit sehr sorgfältigen Planungen nun auch von so renommierter Seite untermauert wurden“, ließ Zeag-Geschäftsführer Harald Endreß am vergangenen Dienstag kurze Zeit nach Bekanntwerden des Gutachtens mitteilen. Für die Zeag-Verantwortlichen scheinen mit Blick auf die Flugsicherheit sämtliche Hindernisse auf dem Weg zur Änderung des Flächennutzungsplans ausgeräumt zu sein.

Diese Ansicht teilen jedoch weder die Verantwortlichen des FSCO, noch die Fraktionen und Gruppierungen im Walldürner Gemeinderat. Oliver Stumpf, Geschäftsführer der Bau- und Betriebs-GmbH Flugplatz Walldürn, sowie Dr. Christian Kuhn und Claus Kapferer vom FSCO sprechen vielmehr von „eklatanten Mängeln“ im Gutachten von Professor Levedag. „Wesentliche Elemente des Gutachtens sind fehlerhaft, beruhen auf unkorrekten Annahmen und stehen in Widerspruch zu anderen Gutachten“, betonen sie. Die Bedenken hinsichtlich des Gefahrenpotenzials für den Flugverkehr seien keinesfalls ausgeräumt. Das Levedag-Gutachten decke lediglich einen kleinen Teilaspekt des Gefährdungspotenzials für den Flugverkehr ab.

Mehr zum Thema

Studie benennt Risiken

Windpark auf dem Kornberg birgt „erhebliches Gefährdungspotenzial“

Veröffentlicht
Von
Ralf Scherer
Mehr erfahren
Negative Auswirkungen auf Flugverkehr befürchtet

Windkraft auf dem Kornberg: Konfrontation vorerst abgewendet

Veröffentlicht
Von
Ralf Scherer
Mehr erfahren

Faktor Mensch nicht beachtet

Die FSCO-Verantwortlichen werfen dem Gutachter Sprünge in der Argumentation und wissenschaftlich nicht belegte Schlussfolgerungen vor. Beispielsweise habe Levedag zwar den Einfluss von Nachlaufturbulenzen auf die Flugmechanik betrachtet, den Faktor Mensch aber völlig unberücksichtigt gelassen. „Was aus unserer Sicht zu falschen und gefährlichen Folgerungen führt“, betont Kuhn. Levedag sei zwar ein Experte für Aerodynamik, die Übertragung seiner Untersuchungen auf die Flugphysik sei jedoch nicht fundiert. Als weiteren Kritikpunkt nennt Kuhn die fälschliche Annahme Levedags, wonach der Pilot sein Flugzeug in der kritischen Startphase „in Ruhe“ lasse. Beim Einfliegen in eine Windscherung werde jedoch die Instabilität des Flugzeugs durch den Faktor Mensch sogar noch gefördert.

Durchgeführt habe Levedag seine Untersuchungen auf der Basis einer „Cessna 150“. Der am häufigsten benutzte Flugzeugtyp am Verkehrslandeplatz Walldürn sei jedoch eine schwächer motorisierte „Diamond DA40“, die vor allem im Schulbetrieb zum Einsatz komme. Auch die Annahme, dass ohnehin kein Start möglich sei, wenn an den Windrädern die größten Windscherungen auftreten, sei falsch.

„Der Autor hat die Zunahme des Windes in der Höhe vergessen“, moniert Kuhn. Bei einer Windgeschwindigkeit von bis zu zwölf Metern pro Sekunde auf Nabenhöhe der Windräder, herrsche am Boden lediglich eine Windgeschwindigkeit von ungefähr sechs Metern pro Sekunde. „Ein normaler fliegbarer Bereich eines Kleinflugzeugs, selbst bei vollem Seitenwind“, erklärt der erfahrene Pilot.

„Resultate nicht gesichert“

„Von einer gesamtheitlichen Betrachtung des Risikos für den Flugverkehr kann überhaupt keine Rede sein“, betonen Stumpf, Kuhn und Kapferer. „Wir gehen davon aus, dass dieses Gutachten bis zur Vorlage der verschiedenen Stellungnahmen nicht im Verfahren verwendet wird, da die Resultate keineswegs gesichert sind.“ Dr. Volker Kassera müsse zunächst die Möglichkeit bekommen, das Gutachten zu analysieren und Stellung dazu zu nehmen. Er war bereits im vergangenen Jahr in seiner Studie im Auftrag des FSCO zu dem Ergebnis gelangt, dass „auch bei Einhaltung aller Standardverfahren die durch die Windenergieanlagen generierten Windscherungen die in der Platzrunde fliegenden Luftfahrzeuge erheblich gefährden können“.

Auch die Fraktionen und Gruppierungen im Walldürner Gemeinderat wollen sich Zeit nehmen, um das Gutachten beurteilen zu können. Zu Wochenbeginn lagen ihnen die Unterlagen noch nicht vor.

„Unterschiedliche Gutachten machen Entscheidungsprozesse nicht einfacher“, erklärt Fabian Berger für die CDU-Fraktion. „Für uns steht der Erhalt und uneingeschränkte Fortbestand des Verkehrslandeplatzes sowie die Sicherheit der Piloten an erster Stelle.“ Neben den Gutachten sei auch die Wahrnehmung und das Sicherheitsbedürfnis der Piloten ein wichtiger Faktor. Ein fehlendes Sicherheitsgefühl könne einen starken Rückgang bei den Anflügen zur Folge haben. Somit könnten Emotionen unerwünschte Fakten schaffen. „Diese Emotionen können auch weitere Gutachten nicht widerlegen“, so Berger.

Rolf Günther, Vorsitzender der SPD-Fraktion, betont: „Wir müssen das Gutachten erst prüfen.“ Eine Informationsveranstaltung des GVV mit Professor Levedag Ende März sei jedoch „alles andere als zufriedenstellend“ verlaufen. Die SPD-Fraktion stehe weiterhin auf dem Standpunkt, dass „der Flugbetrieb und sein uneingeschränkter Fortbestand oberste Priorität haben“.

„Die Sicherheitsfrage ist nach wie vor nicht geklärt“, sagt Jürgen Schmeiser, Vorsitzender der DCB-Fraktion. Wie sich der Bau der Windräder auf die Entwicklung des Flugplatzes auswirken würde, habe auch Professor Levedag nicht beantworten können. Als Laie falle es schwer, das Gutachten zu beurteilen. Bis man den Inhalt dezidiert geprüft habe, könne die DCB zu keiner anderen als der bisherigen ablehnenden Meinung gelangen.

Als „schwer verdaulich“ und als Laie „schwer zu beurteilen“ bewertet Ramona Paar (Freie Wähler) den Inhalt des Gutachtens. Den Optimismus der Zeag teilt sie nicht: „Unsere Bedenken sind nicht ausgeräumt. Ich sehe mich nicht in die Lage versetzt, eine derartige Entscheidung treffen zu können.“ Die Lage sei aus ihrer Sicht noch schwieriger geworden. „Die Kuh ist noch nicht vom Eis“, so Paar.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten