Beklemmend war das, was die Zuschauer am Dienstag in den „Löwen-Lichtspielen“ zu sehen bekamen. „Heinrich Himmler – Der Anständige“ wurde gezeigt. Ein Film mit krassen Gegensätzen.
Walldürn. Aufgeführt wurde der Film im Rahmen der Schulfilmwoche des Bündnisses „Herz statt Hetze“. Es ist dem Bündnis gelungen, Katrin Himmler, die Großnichte von Heinrich Himmler und Enkelin von Ernst Himmler, in den Neckar-Odenwald-Kreis zu holen. Sie zeigt an Schulen den Film „Meine Familie, die Nazis und Ich“.
Und am Dienstag war Katrin Himmler in den „Löwenlichtspielen“ in Walldürn zu Gast. Sie präsentierte dort den Film und stellte sich anschließend den Fragen des Publikums.
Alexander Weinlein vom Bündnis begrüßte die Zuschauer und stellte das Bündnis und die Politikwissenschaftlerin und Autorin Katrin Himmler vor. Demokratie sei nichts Selbstverständliches, sagte er. „Sie muss geübt und verinnerlicht werden. Sie braucht Bürger, die sich zu ihr bekennen.“
Der Film basiert auf authentischem Material. Filmemacherin Vanessa Lapa, eine Tochter von Holocaust-Überlebenden, hatte 2006 in Israel Briefe, Fotografien und Tagebücher erworben. Gezeigt werden Bilder aus dem Leben Heinrich Himmlers. Er war Innenminister, Chef der Deutschen Polizei und „Reichsführer SS“ – und damit verantwortlich für die Verfolgung und Ermordung von politischen Gegnern und für den Holocaust.
Schauspieler lesen aus Briefen
Schauspieler wie Sophie Rois und Tobias Moretti lesen dabei aus Tagebüchern, Briefen und Dokumenten von Himmler, seiner Frau Margarete, seiner Tochter Gudrun und seiner Geliebten Hedwig vor. Hinzu kommen zahlreiche Fotos und viele historische Filmaufnahmen, von Aufmärschen der Nazis, vom Alltag in Berlin, vom Familienleben der Himmlers oder von toten und ausgemergelten KZ-Häftlingen.
Es ist der brutale Kontrast, der den Film so beklemmend macht: das Nebeneinander von Massenmord und privater Idylle und banalen Alltagssorgen. Seine Frau Marga nennt er in den Briefen „gutes Liebchen“, seine Tochter Gudrun „Töchting“ – und gleichzeitig sieht man, wie Menschen gequält und getötet werden.
Nach der Vorführung herrschte erst einmal Schweigen im Kinosaal. Und die Fragerunde kam auch nur stockend in Schwung. „Der Film ist ein schwerer Brocken. Das muss man erst mal sacken lassen“, sagte Katrin Himmler.
Solche Gefühle von Zuschauern könne sie nachvollziehen. Sie selbst habe den Streifen auch schon länger nicht mehr gesehen und „ich habe den Film heute nur schwer ausgehalten“. Die persönliche Seelenlage beim Umgang mit dem Film und dem Thema sei schwankend. „Es gibt Phasen, in denen ich wissenschaftlich herangehe, und Phasen, in denen es mir nahe geht.“ In der Familie habe sie sich nicht nur Freunde gemacht. Neben dem Film hat sie auch zwei Bücher geschrieben. Die Reaktionen: „Von Unterstützung bis zu kompletter Distanzierung.“
„Kein Widerspruch“
Sie schilderte dem Publikum wie man an das Material gekommen sei, wie die Umsetzung und Realisierung des Films ablief – und wie es zum Titel kam. „Der Anständige“, das wurde am Dienstag von Zuschauern und Katrin Himmler thematisiert. Der Titel stamme von Vanessa Lapa – „ und ich finde ihn gut“. Denn genauso habe sich Heinrich Himmler selbst gesehen: als einen, der auch in schwierigsten Zeiten anständig geblieben ist. Das habe auch nichts mit Schizophrenie zu tun. „In seiner Weltsicht war das kein Widerspruch.“
Und am Ende ging der Blick in die Zukunft, und den zunehmenden weltweiten totalitären Trend. Sie habe einen stark ausgeprägten Optimismus, daneben stelle sie aber einen wachsenden Pessimismus fest. Das vor allem wegen der anstehenden Europawahl und den damit verbundenen Gefahren von rechts. „Ich hoffe aber, dass sich die eindeutige Mehrheit nicht schweigend zurückhält, sondern aufsteht und sich zusammentut.“
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