Distelhausen. Der Haltepunkt Distelhausen wurde ab1866 als Station Nummer drei der Taubertalbahn für genau 15 911,03 Gulden von der Großherzoglich Badischen Staatseisenbahn zunächst als Personenstation errichtet. Die längste Dienstzeit hatte der aus Distelhausen stammende Bahnagent August Müller. Er leitete die Bahnstation von 1929 bis zu seiner Pensionierung im Sommer 1966.
Ende September 1867 nahm die Bahnstation Distelhausen ihren Dienst im noch provisorischen 30 Quadratmeter großen zweiräumigen Dienstgebäude mit einem Fahrkartenschalter und Warteraum auf. Der erste Bahnbeamte war der aus dem Schwarzwald stammende Bilettenausgeber Josef Künzler, der auch gleichzeitig Postbeamter war.
Die Bahnstation Distelhausen war für die Ortschaften Distelhausen, Dittigheim und Hof Steinbach zuständig. Die beiden Bahnübergänge an Kilometer 3,907 und Kilometer 4,217 wurden vom Bahnhof aus per Fernschranke bedient.
Schon im November 1868 wurden von Bahnhof Distelhausen in einem Monat 509 Personen befördert. Zum Vergleich: Distelhausen hatte damals 761 Einwohner. Im Februar 1868 wurde das erste 30 Fuß lange und 15 Fuß breite hölzerne Aufnahmegebäude zusammen mit zwei Steinkohleöfen von der Großherzoglich Badischen Eisenbahnbau-Inspektion Wertheim verkauft.
Im Jahr 1887 - zehn Jahre nach der Eröffnung der Bahnstation - wurden von hier aus 2744 Personen, 2895 Kilogramm Gepäck, Expressgut und Milch sowie 23 Tiere befördert. Erst 1868 wurde das fertiggestellte und heute noch bestehende Stationsgebäude vom Bahnpersonal und seinen ersten Bewohnern bezogen.
Güter- und Frachtstation
Von 1867 bis 1872 war auch die Poststation im Bahnhofsgebäude untergebracht. Der Vorstand war gleichzeitig Postbeamter. Noch bis 1883 gab es im Bahnhof ein Postfach und einen Briefkasten, die vom Landbriefträger betreut wurden.
Nach langen Bemühungen von Bürgermeister und Gemeinderat erhielt Distelhausen schließlich 1911 eine Güter- und Frachtstation. Ein ausgedienter Güterwagen von Karlsruhe fungierte hierbei als Güterschuppen. 1912 war das Frachtaufkommen so stark angestiegen, dass eine hölzerne Güterhalle errichtet werden musste. Von Distelhausen aus wurden bis 1960 landwirtschaftliche Güter, Expressgut und Gepäck verschickt.
Im Stationsverzeichnis der Eisenbahnen Europas wird Distelhausen als Haltepunkt bei Kilometer 4,1 an der Bahnstrecke Lauda-Wertheim mit Personen, Eil- und Frachtstückgutverkehr aufgeführt. Zur Bahnstation gehörte auch ein Eisenbahntelegrafenamt und eine Seitenverladerampe. Stationsleiter war zu dieser Zeit Sebastian Schmitt. 1929 wurde August Müller Bahnagent der Station Distelhausen. Im amtlichen Bahnhofsverzeichnis der Deutschen Reichsbahn von 1938 wird der Tauberbischofsheimer Stadtteil mit der Bahnhofsnummer 29 765 als Haltepunkt besetzt mit einem Bahnagenten aufgeführt.
In die Schlagzeilen geriet der Haltepunkt immer wieder durch die von der Reichsbahn (später Bundesbahn) ausgeschriebenen Blumenwettbewerbe. Die Blumenpracht von Bahnagent August Müller brachte viele Auszeichnungen nach Distelhausen.
Ende der 1950er Jahre begannen die Rationalisierungsmaßnahmen der Bundesbahn. Zum 1. Januar 1960 wurde der Stückgutverkehr aufgehoben, 1963 der Wagenkasten und die Güterhalle abgebrochen. Nach der Pensionierung des Bahnagenten August Müller begann die Bundesbahn mit der Aufhebung der ersten Bahnübergänge.
Erneut rückte Distelhausen 1970 in die Schlagzeilen als hier ein Deckenbaubahnhof zum Bau der Autobahn A 81 Heilbronn - Würzburg errichtet wurde. Der Deckenbaubahnhof bekam einen eigenen Betriebsbeamten. Auf einem Entladegleis von 500 Metern Länge wurden täglich zwischen 6 und 20 Uhr acht Züge mit je 1000 Tonnen Material entladen.
Im Zeitraum von 1971 bis 1973 waren es 1,7 Millionen Tonnen Kies, Sand, Schotter und Split. Zum 1. August 1971 wurde die Bahnagentur aufgelöst und der Fahrkartenverkauf eingestellt. Letzte Bahnagentin war Antonia Deckert aus Königheim.
Distelhausen wurde danach zum Haltepunkt mit Schrankenposten. Ende der 1970er Jahre wurden die letzen beiden Bahnübergänge aufgehoben und durch eine Überführung in Höhe des Distelhäuser Friedhofs ersetzt und die letzten beiden Schrankenwärter wurden abgezogen.
Seit 1981 in Privatbesitz
Seit 1981 ist das ehemalige Bahngebäude in Privatbesitz. Den letzten großen Ansturm erlebte Distelhausen am 4. Mai 1996, als vier Sonderzüge aus Schweinfurt, Ludwigsburg, Heidelberg und Aschaffenburg über 5000 Fahrgäste zum Brauereifest brachten. Seit Oktober 2004 kann man in Distelhausen wieder Fahrkarten kaufen - 33 Jahre nach Schließung des Fahrtkartenschalters wurde hier ein Automat aufgestellt. 2016 erfolgte die Aufstellung einer elektronischen Abfahrtstafel. Auch heute wird die Bahnstation Distelhausen noch von Schülern, Berufspendlern und Touristen genutzt.
Auch so mancher Fest- und Brauereibesucher steigt hier auf die Bahn um. Die Weichen für die Zukunft sind gestellt, denn Distelhausen wird in den kommenden Jahren einen neuen Bahnsteig erhalten.
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