Ein Jahr Repair-Café - Reparieren statt wegwerfen, lautet die Parole / Großes Lob für die ehrenamtliche Arbeit der Beteiligten

„Wir haben hier nur Käpsele am Werk“

Von 
Arno Boas
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Reparieren statt wegwerfen: Mit dem Repair-Café befindet sich das Familienzentrum voll im Trend. Zum einjährigen Geburtstag wurde im „Komm“ wieder fleißig geschraubt und gelötet.

Creglingen. Der Wegwerfgesellschaft etwas entgegensetzen wollten zwei Holländer, als sie die Idee eines „Repair-Cafés“ in die Tat umsetzen – und bald auch in Deutschland Nachahmer fanden. In Creglingen gibt es das Repair-Café seit einem Jahr. Zur Geburtstagsfeier gab es nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch viel Lob und Anerkennung für die Beteiligten – und etliche Elektrogeräte, die jetzt wieder ihren Dienst tun statt auf dem Recyclinghof gelandet zu sein.

Stellvertretender Bürgermeister Karl Haag schaute am Samstag Vormittag auch im „Komm“ vorbei – und wird das nächste Mal womöglich als „Kunde“ wiederkommen, denn auf dem Dachboden zuhause steht noch ein altes Tonbandgerät, das der Familienrat fast entsorgt hätte – aber vielleicht lässt es sich ja von findigen „Bastlern“ doch noch reparieren. So wie der alte VHS-Videorekorder, den ein anderer Besucher mitgebracht hat. Gut 30 Jahre hat das Gerät auf dem Buckel – viele Jugendliche kennen die vorsintflutlichen VHS-Cassetten gar nicht mehr oder schmunzeln über die veraltete Technik. Doch der Videorekorder leistete bis vor kurzem treu seinen Dienst. Als sich die Cassette allerdings nicht mehr richtig einschieben ließ, war’s fürs Erste vorbei mit der Funktionsfähigkeit. Für Dieter Eckhof – einer von rund zehn ehrenamtlichen Ingenieuren des Repair-Cafés – kein Problem: flugs das Gerät aufgeschraubt, den Einschub getestet und die Diagnose gestellt: Ein kleines Metallteil war verbogen – kleine Ursache, große Wirkung. Der Laie konnte nur staunen, wie schnell der Videorekorder wieder lief. Am Nachbartisch derweil macht der 25-jährige Informatikstudent Lukas einen Handstaubsauger wieder flott. Die Hobby-Elektriker hatten aber auch schon Bohrmaschinen, Röhrenradios oder Plattenspieler auf dem Seziertisch. Alles kein Problem. „Ich habe schon als Kind gerne gebastelt“, erzählt Lukas. Seine Mitstreiter sind ebenso begabt, einige haben zudem den entsprechenden beruflichen Hintergrund. Die meisten Reparateure sind Männer, aber auch zwei Frauen sind beteiligt, wenn auch eher für die organisatorischen Aufgaben. Doch die 15-jährige Linnea hat selbst auch schon mal Reparatur-Arbeit geleistet.

„Die Erfolgsquote dürfte bei rund rund 90 Prozent liegen“, sagt Erika Weimer, Leiterin des Familienzentrums. „Wir haben hier nur Käpsele am Werk“, bestätigt Gisela Padberg, eine der Initiatorinnen des Repair-Cafés. „Wir werfen viel zu viel weg“, bemängelt die ehrenamtlich stark engagierte Waldmannshöferin, die zusammen mit Anita Bone-Czerniejewski und einigen anderen Mitstreitern im Jahr 2016 zu den Gründerinnen der Begegnungsstätte „Komm“ gehört hatte. Ein Jahr später folgte dann durch die Stadt Creglingen die Gründung des Familienzentrums, das von Erika Weimer geleitet wird, die eng mit dem ehrenamtlichen Team zusammen arbeitet.

„Ich bin begeistert vom selbstlosen Einsatz der Ehrenamtlichen“, sagt Erika Weimer. Auch wenn die Zahl der Ingenieure mit rund zehn Personen recht stabil ist, sind neue Mitwirkende immer gerne gesehen. Jeweils zwei Wochen vor dem eigentlichen Termin treffen sich die Reparateure zum Ingenieurs-Stammtisch.

Da hat man dann auch Gelegenheit zum Fachsimpeln und zum Erfahrungsaustausch, denn dafür bleibt beim Repair-Café meist keine Zeit. „Das Café wird seit Anfang an gut besucht“, berichtet Erika Weimer. Anfangs brachten Leute bis zu drei Geräte mit, das hat man inzwischen geändert: „Jeder soll immer nur ein Teil mitbringen,“ erklärt die Leiterin des Familienzentrums.

Bürgermeister-Stellvertreter Karl Haag ist voll des Lobes für das Repair-Café und die Arbeit im „Komm“.

„Das ist ein Treffpunkt für alle, eine echte Bereicherung für die Stadt“, so Karl Haag im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Stadt stehe voll hinter der Einrichtung, so Haag. Das Repair-Café setze zudem in Zeiten des gestiegenen Umweltbewusstseins das richtige Zeichen: „Geräte lieber mal reparieren als gleich wegzuwerfen“. Der erste Geburtstag soll nicht der letzte bleiben: auch nächstes Jahr wird es das Repair-Café geben. „Das Feedback der Leute ist sehr gut, sie sind von der Atmosphäre und der Freundlichkeit begeistert“, sagt Erika Weimer.

Und natürlich auch von der Erfolgsquote – wie jener Besucher, der hoch zufrieden mit seinem reparierten VHS-Videorekorder unterm Arm von dannen zog – natürlich nicht, ohne vorher eine kleine Gabe in der Spendenbox hinterlassen zu haben.

Die Angebote in der Begegnungsstätte „Komm“

Das letzte Repair-Café 2019 findet am Samstag, 16. November, von 10 bis 12 Uhr in der Begegnungsstätte „Komm“ in der Hauptstraße statt.

Im „Komm“ gibt es darüber hinaus weitere Aktivitäten, etwa einen offenen Treff, der jeweils montags (14 bis 16 Uhr), donnerstags (16 bis 18 Uhr) und freitags (14 bis 16 Uhr) stattfindet.

Das Familienzentrum bietet ferner einen Babysitter-Pool. In diesem finden Babysitter und interessierte Familien zueinander. Momentan gibt es sechs Babysitter im Alter von 13 bis 18 Jahren. Kontakt gibt es über das Familienzentrum, Erika Weimer, Telefon 07933/70144, e-mail familienzentrum@creglingen.de

In Vorbereitung befindet sich eine kleine Veranstaltungsreihe von Frauen für Frauen. Es gibt hierzu bereits Ideen, die von Singen/Tanzen über Wort/Texte bis zum Austausch zwischen den Generationen reichen.

Momentan ist im „Komm“ die Ausstellung „Auf der Flucht – Frauen und Migration“ zu sehen. Die Ausstellung, die noch bis 3. Oktober im „Komm“ aufgebaut ist, zeigt Werke von neun Fotografen, die das Schicksal von Frauen auf der Flucht dokumentieren.

Im Rahmen der Ausstellung läuft am Mittwoch, 2. Oktober, um 18.30 Uhr im „Komm“ ein Film über die junge Afghanin Sonita. abo

Redaktion Redakteur bei den FN

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