„Web-Talk“ - Expertengespräch der CDU-Nordbaden über Landarztquote und Telemedizin

Anzahl der virtuellen Arzttermine hat zugenommen

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mb
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Die Neckar-Odenwald-Kliniken profitieren bereits von Telemedizin. Im Rahmen eines Schlaganfallnetzwerks arbeiten die hiesigen Krankenhaus-Ärzte per Videoübertragung mit dem Uniklinikum Heidelberg zusammen. © Martin Bernhard

Neckar-Odenwald-Kreis. Bei einem sogenannten „Web-Talk“, einem Online-Gespräch also, haben sich Mitglieder des CDU-Bezirksverbands Nordbaden über die Landarztversorgung und Telemedizin ausgetauscht. Im Gespräch mit Uwe Franke von der Firma Cisco und Chefarzt Harald Genzwürker wurde deutlich, dass Telemedizin die ärztliche Versorgung auf dem Lande begünstigen kann. Es moderierte Alexandra Baur.

Regelung erst später spürbar

Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, ging zunächst auf die sogenannte „Landarztquote“ ein. Nach dieser sollen jährlich 75 Studienplätze der Humanmedizin an Bewerber vergeben werden, die sich dazu verpflichten, eine bestimmte Zeit nach ihrem Studium als Landarzt zu arbeiten. Hauk betonte, dass diese Regelung erst in zehn bis 15 Jahren spürbar werde.

Darüber hinaus sei es wichtig, die Fachausbildung für Allgemeinmediziner zu straffen und das Einrichten von Praxen aus Mitteln zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELR) zu fördern. Zudem könnte man Arztstellen in Verbindung mit Stipendien vergeben. „Die Arztstruktur hat sich grundlegend geändert“, stellte der Minister fest.

Mehr als die Hälfte der Medizinstudenten sei weiblich. Zudem habe die Bereitschaft, sich als Arzt selbstständig zu machen, deutlich abgenommen. Hauk brachte deshalb ein Genossenschaftsmodell ins Gespräch. Kommunen könnten Genossenschaften gründen und Ärzte anstellen, „damit die Ärzte den von ihnen bevorzugten Lebensstil leben können.“

Uwe Franke ist „Direktor für Gesundheitswesen Länder und Kommunen“ des amerikanischen IT-Unternehmens Cisco. Nach seinen Worten werden 80 Prozent des globalen Datenverkehrs über Cisco-Systeme geleitet. Wegen der Pandemie sei eine technische Transformation, die normalerweise in zwei Jahren erfolgt wäre, in zwei Monaten vollzogen worden. „Die Anzahl der virtuellen Arzttermine hat sich seit Februar verzehnfacht“, stellte Franke fest.

Informationstechnologie ermögliche einen erweiterten Zugang zur medizinischen Versorgung. Sie stelle datengeschützt die medizinische Versorgung bereit und sie mache mobile Dienste und das „intelligente Krankenhaus“ möglich, zum Beispiel durch Videosprechstunden, Tele-Intensivmedizin, Unterstützung des Rettungsdienstes und der ärztlichen Versorgung auf dem Land.

In Justizvollzugsanstalten habe man mit telemedizinischen Behandlungen sehr gute Erfahrungen gemacht. Für die ländliche Versorgung hält der Cisco-Direktor den Medibus als rollende Arztpraxis für sinnvoll. Und für Pflegeeinrichtungen wäre eine einfach zu bedienende Videotelefonie hilfreich. „Die Technologie ist erprobt“, stellte Franke fest.

Bahnbrechende Medizin

Harald Genzwürker, ärztlicher Direktor der Neckar-Odenwald-Kliniken, informierte über digitale Anwendungen der Kliniken und des Rettungsdienstes. „Die Telemedizin war bahnbrechend“, stellte er fest. So seien die hiesigen Kliniken Teil des Schlaganfallnetzwerks und damit an die Unikliniken Heidelberg angebunden. Schlaganfallpatienten müssten nun nicht mehr in die nächstgelegene Fachklinik nach Bad Mergentheim gebracht werden, sondern könnten in Mosbach behandelt werden.

Die per Computertomographie erzeugten Daten leite man weiter an ärztliche Partner in Heidelberg, die diese innerhalb kurzer Zeit begutachten könnten. Außerdem berate ein Kollege aus Heidelberg, der per Video zugeschaltet ist, seine Kollegen in Mosbach bei der Behandlung. „Der Experte steht quasi am Bett und sieht alles. Man kann früher entscheiden.“

Man spare Zeit für den Transport. Das sei entscheidend, denn bei einem Schlaganfall zähle jede Minute. Für Rettungsdienste sei ein solcher „Telenotdienst“ durch einen Arzt ebenfalls möglich, so lange der Notarzt noch nicht vor Ort ist. Außerdem stellte Genzwürker das Rettungsnetz „Mobile Retter im NOK“ vor. Über eine App kann man medizinisch geschultes Personal, das sich in der Nähe eines Notfalls befindet, alarmieren.

In der anschließenden Diskussion wies Peter Hauk darauf hin, dass Hausärzte auch in den Ballungsräumen knapp würden. „Die Allgemeinmediziner-Ausbildung ist nicht mehr so begehrt“, sagte er. Denn mit sieben bis acht Jahren dauere diese Facharzt-Ausbildung recht lang. „Telemedizin macht es möglich, eine zentrale Expertise dezentral zu erstellen“, sagte Hauk.

Kritik an „Ja-aber“-Diskussionen

Man müsse das, was möglich ist, einfach tun, merkte Cisco-Direktor Uwe Franke an und kritisierte „Ja, aber“-Diskussionen. „Die Technik ist da. Wir brauchen nur die nötige Bandbreite für die Datenübertragung.“

Man müsse nur noch die Hürden der Gesetzgebung nehmen. „Wir dürfen nicht alles dem Ruf der Machbarkeit opfern. Aber wir dürfen uns auch nicht lähmen“, sagte er.

Ähnlich sieht das Genzwürker. „Wir ordnen alles dem Datenschutz unter“, stellte er fest. „Wenn wir von einer anderen Klinik Befunde anfordern, gilt das Fax als der sicherste Übertragungsweg.“ mb

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