Staatssekretär Peter Bleser zu Gast - Fachgespräch "Zukunft der Schweinehaltung" mit rund 100 Landwirten in Windischbuch / Stimmung weiterhin angespannt

Stigmatisierung der Branche "ist kriminell"

Von 
Klaus T. Mende
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Die Stimmung unter den Schweinehaltern ist angespannt. Viele sehen keine wirtschaftliche Perspektiven mehr - und geben auf. Die Politik sucht nach Wegen, diesem Strukturwandel Einhalt zu gebieten.

Windischbuch. Um die "Zukunft der Schweinehaltung" ging es am Freitag bei einem Fachgespräch in den Räumen der Landesanstalt für Schweinezucht in Windischbuch. MdB Alois Gerig, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, hatte dazu mit Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, einen hochkarätigen Referenten an seiner Seite.

Fehlende Sachlichkeit kritisiert

Selbiger machte gleich zu Beginn deutlich, dass die Landwirtschaft nicht dafür da sei, "damit die Leute ihre Mütchen an ihr kühlen können". Er kritisierte, dass es oft an der nötigen Sachlichkeit fehle. "Bei der Ferkelerzeugung sind wir Importland, das kann nicht in unserem Sinne sein", sagte der Politiker unter dem Beifall seiner knapp 100 Zuhörer aus den Regionen Main-Tauber, Neckar-Odenwald und Hohenlohe. Er verwahre sich mit Nachdruck dagegen, dass "eine ganze Branche - zum Beispiel durch Stalleinbrüche - stigmatisiert wird, das ist kriminell".

"Die Landwirtschaft in Deutschland ist exzellent aufgestellt, sie ist geprägt von hoher Qualität und Vielfalt", führte der Staatssekretär weiter aus. Hierzulande bilde die Landwirtschaft die Ernährungsgrundlage der Gesellschaft, die Qualitätsstandards bei der Lebensmittelproduktion suchten weltweit ihresgleichen. Und dennoch gehe es mit vielen Branchen im Agrarsektor weiter nach unten - auch bei den Schweineerzeugern. So habe sich die Zahl der Zuchtsauen im Ländle von 1991 (307 000) bis 2016 (156 000) nahezu halbiert - ein Trend, dem unter allen Umständen entgegengewirkt werden müsse, um die Landwirtschaft zu stärken, so das Credo Peter Blesers.

Neue Düngestoffverordnung, Abschaffung der Kastenhaltung bei Sauen, ins Auge gefasstes Verbot der betäubungslosen Kastration von Ferkeln zum 1. Januar 2019 - was auf den ersten Blick viele Vorteile mit sich bringen möge, berge aus Sicht der Schweineproduzenten auch Risiken in finanzieller und bürokratischer Hinsicht, wie aus dem Kreis der Landwirte deutlich zu hören war.

Sich den Debatten stellen

Trotz aller Übergangsfristen, bei denen das Tierwohl selbstverständlich im Vordergrund stehe, müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es den Bauern ermöglichten, wirtschaftlich tätig sein zu können, um so einen weiteren Schub in Sachen Strukturwandel zu vermeiden - so die deutliche Forderung in Richtung Politik. Die Zahl der Schweine haltenden Betriebe in der Region sei in den letzten Jahrzehnten ohnehin in einem Maße zurückgegangen, das gestoppt werden müsse. Man wolle sich den gesellschaftlichen Debatten stellen und sei offen für Veränderungen - doch alles solle mit Augenmaß erfolgen, um die Perspektiven eines gesamten Sektors wieder zu verbessern.

Was die Zukunft der Landwirtschaft im Allgemeinen und der Schweineerzeugung im Besonderen angehe, versprach Peter Bleser, dass sein Ministerium auch künftig jene finanziellen Mittel zur Verfügung stellen werde, um diverse Krisen am Markt besser zu überstehen. "Aus meiner Sicht muss die Agrarpolitik nach 2020 neu justiert werden, wenn mit Großbritannien ein großer Nettozahler wegfällt", so der Pfälzer weiter, was zur Folge habe, dass vonseiten der EU weniger Gelder zur Verfügung stehen könnten. Sein Haus habe sich auf die Fahnen geschrieben, ein größeres Augenmerk auf kleinere Betriebe zu werfen, für eine deutliche Entbürokratisierung zu sorgen und dem Tierwohl noch mehr Beachtung zu schenken. Auf einen Nenner gebracht: "Ziel muss es sein, mehr Anreize als Verbote zu schaffen."

Mit Anzug in die Güllegrube

"Mein Ministerium steht zur Landwirtschaft in Deutschland", machte Peter Bleser deutlich. Er versprach auch, die Sorgen und Nöte der Bauern aus der Region mit nach Berlin zu nehmen. "Ich bin schon mit Anzug in die Güllegrube gesprungen, um ein Kalb zu retten", meinte er an die Versammelten gerichtet und pflichtete ihnen bei, dass es im Agrarsektor nicht sein dürfe, "den Tier- permanent über den Menschenschutz zu stellen". Hier müsse ein Umdenken einsetzen, der Schutz der Menschen müsse Priorität haben.

Als "Grundlage allen Lebens" bezeichnete der Gast aus der Bundeshauptstadt die Landwirtschaft. Es müsse ihr Anspruch sein, im Wettbewerb auch in Zukunft zu bestehen. Um dies zu bewerkstelligen, "brauchen wir die Gesellschaft für höhere Standards", warf Alois Gerig ein. Er vertrat zugleich die Auffassung, dass "unsere Lebensmittel zu günstig sind und nicht die Wertschätzung erfahren, die sie verdient haben".

Kampagnen helfen

Hierbei brauche man Kampagnen für die gesamte landwirtschaftliche Branche - die Verbraucher müssten sensibilisiert werden. Denn sie hätten es in der Hand, dass es den Landwirten in allen Bereichen, damit auch in der Schweinerzeugung, finanziell wieder besser gehe, indem sie bereit seien, für regionale und qualitativ hochwertige die Erzeugnisse etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Beklagt wurde von den Bauern, dass diverse Direktzahlungen immer weiter nach unten gedrückt würden. "Es dauert ohnehin immer länger, bis Investitionen bezahlt sind - gerade in der Schweinerzeugung." Deswegen sei es angebracht, dass durch die Politik nicht ständig Dinge ins Feld geworfen würden, "die es zusätzlich erschweren, Gewinne zu erzielen".

Bestreben müsse es sein, und da stimmten die beidem Politiker wiederum zu, speziell in der Schweinerzeugung das nationale Qualitätssicherungssystem weiter zu stärken - allerdings dürfe sich dies nicht nachteilig für die betreffenden Höfe auswirken. Eine hohe Qualität sollte sich eigentlich positiv auf die wirtschaftlichen Perspektiven auswirken. Allerdings sei dies dadurch gefährdet, dass es in schöner Regelmäßigkeit neue Auflagen gebe. Unterm Strich sei eine konzertierte Aktion aller Protagonisten, darunter Einzelhandel und Konsumenten, erforderlich, um die gesamte Branche in eine bessere Zukunft zu führen.

Niemand ausschließen

Die Schweinerzeuger, so war in Erfahrung zu bringen, seien durchaus für eine Stärkung des Tierwohl-Labels. Allerdings müsse dies so gestalte werden, dass ebenso Betriebe in bestehenden Ställen daran teilnehmen könnten und niemand ausgeschlossen werde. "Hier darf es keine Luftschlösser geben." Auch hier zeigte Peter Bleser Verständnis und machte deutlich, dass künftig bei allen Neuerungen und Veränderungen in erster Linie an die Erzeuger gedacht werden müsse.

Schlussendlich müsse es gelingen, für Landwirte, die bereit seien zu investieren - in Erweiterung oder Neubauten von Ställen -, so Gerig und Bleser, nicht nur die Bürokratisierung zu vereinfachen, sondern "auch den Genehmigungsmarathon abzubauen". So könnten (unnötige) Hürden abgebaut werden

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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