Schweigern. In den Kriegsereignissen vor 70 Jahren kam es am Palmsonntag 1945 zu einem blutigen Höhepunkt. Die Eisenbahnzüge wurden ab 1944 immer häufiger Ziel von Luftangriffen, so auch im Tauber-Odenwald-Gebiet. Die Bahn transportierte Soldaten und Munition. Im Spätjahr 1944 wurden jede Woche Züge zwischen Lauda und Osterburken beschossen. Kein Monat verging ohne Verwundete und auch Tote. Zum blutigen Höhepunkt wurde Palmsonntag, der 25. März 1945. Im Abschnitt zwischen Schweigern und Lauda verzeichnete man vormittags gleich drei Fliegerattacken.
Der morgendliche Angriff auf einen gekennzeichneten Lazarettzug in Unterschüpf - an der Gemarkungsgrenze zu Schweigern - verlief noch glimpflich: Laut Rolf Rüdiger gab es "nur" zahlreiche Verwundete. Die Unterschüpfer Sanitätsgruppe versorgte sie nach besten Kräften. Später wurden Jakob Thurmann und Liesel Ringelmann für ihren guten Einsatz besonders gelobt. Bereits um 16 Uhr konnte der Zug weiterfahren.
Die Luftanschläge gegen die Züge in Schweigern und Lauda waren mörderischer. Hubert Schürle berichtet über den 25. März 1945 in Schweigern: Um 8 Uhr früh stoppte, von Boxberg kommend, der planmäßige Personenzug Heidelberg-Würzburg. Er war vollbesetzt mit Soldaten und Zivilisten. Zeitgleich läutete die katholische St. Kilianskirche zum Gottesdienst. Plötzlich tauchten zwei P-47 Thunderbolt-Jagdbomber der US-Air-Force auf. Sie näherten sich von Südosten. Bedingt durch die Bahnhofsgebäude konnten sie den Zug nicht beschießen. Sie überflogen Bahnhof und Zug in Richtung Epplingen, um sich in eine bessere Schussposition zu bringen.
"Tiefflieger, alle Personen den Zug verlassen!" riefen Schaffner und Bahnhofsvorsteher. Die Reisenden stürzten fluchtartig aus dem Zug und suchten in Kellern der umliegenden Häuser Schutz. Einige sprangen bis zur 500 Meter entfernten Umpfer.
Beim zweiten Anflug wurden vier Bomben abgeworfen, die ihr Ziel nur knapp verfehlten. Ein dritter Angriff folgte von Norden. Dabei wurden der Kessel der Dampflok, der Bahnhof und umstehende Wohnhäuser durch Geschosse getroffen und beschädigt. Selbst im 800 Meter entfernten Ortskern waren noch Einschüsse zu verzeichnen. Tender und Lok waren durchlöchert wie ein Sieb.
Der sechsjährige Hubert Schürle war mit Eltern und Geschwister in den bombensicheren Hauskeller geflüchtet. Auch viele Zugreisende suchten hier Schutz. "Wir hatten alle große Angst, was passieren wird. Als der Spuk vorbei war, eilte mein Vater nach oben. Erst meinte er, es brenne, da ihm dicke, graue Wolken entgegen kamen. Doch es waren 'nur' Staubwolken, die durch Geschosse und herabfallenden Gips entstanden waren. Vater stellte 36 Einschüsse am Haus fest."
Das ganze Ausmaß des grauenvollen Geschehens zeigte sich am Bahnhof, der Bahnböschung und dem Feld. Zwölf Tote, zum Teil entsetzlich verstümmelt, lagen dort. Viele Leicht- und Schwerverletzte, schreiend, stöhnend, nach Hilfe suchend - Männer, Frauen und Kinder.
Lazarett im Rathaus
Paula Beck, ehemalige Rotkreuz-Helferin, erinnerte sich 1995: "Mit wenigen einfachen Medikamenten und Verbandsmitteln leistete der Rotkreuz-Trupp von Schweigern einen aufopferungsvollen Dienst. Die Schwerverletzten und Toten haben wir mit einem Holzkarren von Schreinermeister Gustav Appel zum Rathaus gefahren. Dort erhielten die Hilfsbedürftigen im Rathaussaal durch uns die erste Hilfe, bis sie am nächsten Tag über Königshofen nach Bad Mergentheim ins Lazarett gebracht wurden." Zwei Schwerstverletzte wurden sofort ins Boxberger Bezirksspital gebracht, wo sie noch am Vormittag starben. Am Mittwoch in der Karwoche wurden dann 14 Tote im Friedhof Schweigern beerdigt.
Noch Schlimmeres ereignete sich am 25. März 45 gut zwei Stunden später in Lauda. Der Eilzug Würzburg-Heidelberg erreichte planmäßig den Bahnhof, als Fliegeralarm ausgelöst wurde.
Am Zug hingen zwei verriegelte Güterwägen, vollgepfercht mit russischen Kriegsgefangenen. Sie sollten von Ostdeutschland nach Württemberg verlegt werden. Die deutschen Bewacher suchten Schutz und ließen die Eingesperrten in den Waggons hilflos zurück - ein Alptraum. Die Sprengbomben der angreifenden amerikanischen Flieger richteten ein entsetzliches Blutbad an.
Über die Anzahl der Opfer gibt es keine genauen Daten, dazu war alles zu schrecklich. Einige Zeitzeugen sprachen von etwa 40 Toten. Der Laudaer Dekan Richard Mohr gab rund 70 an. Hildegard Weber, damals Säuglingsschwester im Laudaer Krankenhaus, schrieb: "Nur wenige durften überleben. Auf dem Friedhof wurden 78 Gräber gegraben und die Toten beigesetzt."
Ein Teil der russischen Gefangenen überlebte den Angriff und nutzte die Gelegenheit zur Flucht in die Wälder der Umgebung. Die meisten wurden aber noch am gleichen Tag wieder aufgegriffen. Über eingefangene russische Kriegsgefangene gibt es Berichte aus Unterschüpf und Epplingen.
Tatsache ist, dass viele der in den Waggons Getöteten in einem Massengrab auf dem alten Laudaer Friedhof beerdigt wurden. Der Grabstein über dem Sammelgrab trägt eine russische Inschrift, die übersetzt besagt: "Hier ruhen 35 Menschen, russische Kriegsgefangene, verunglückt 25. März 1945. Friede sei mit Ihnen".
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