Boxberg. "150 Jahre Eisenbahn im Umpfertal" lautete das Thema, das die Stadt Boxberg und die Evangelische Erwachsenenbildung Odenwald-Tauber im Rahmen des 10. Taubertäler Wandertags anboten. Eine kurze Morgenbesinnung stimmte auf das bewusste Gehen des Weges ein. Entlang der Bahnstrecke von Wölchingen nach Unterschüpf erlebten die Wandergäste eine sehr abwechslungsreiche Landschaft und lauschten den Worten der Führenden, Gardis Jacobus-Schoof und Dr. Dieter Thoma.
Die enormen Landschaftsveränderungen durch den Eisenbahnbau veranschaulichte der Gang vom Startpunkt Hagenmühle durch die nahe Bahnunterführung. Zwei alte Zeitungsartikel schilderten Licht- und Schattenseiten bei den damaligen Bauarbeiten.
Bahnwärter
Bald erreichte die Gruppe den früheren Bahnwärterposten 102, heute ein Wochenendhaus. Es war der geeignete Ort, um die Aufgaben der Bahnwärter und ihr hartes Leben vorzustellen. Ein Enkel des letzten Bahnwärters erlaubte der Gruppe, das Grundstück zu besichtigen.
Mehrmals unter- oder überquerten die Wanderer die Bahnstrecke. Sie sahen den Ort des schweren Zugunglücks von 1923 und hörten Berichte über Fliegerangriffe auf Züge während des Zweiten Weltkriegs. Eine Schweigeminute gedachte vergangener und heutiger Opfer von Unglücken und kriegerischen Angriffen. Brücken spielen in der Geschichte der Menschen immer eine besondere Rolle, denn sie helfen Distanzen zu überwinden. Dass dies auch symbolisch wichtig sein kann, verdeutlichte ein Liedtext der Band "Pur", der dazu aufruft, Brücken der Menschlichkeit zu bauen.
Einst prächtiger Bahnhof
Alte Postkarten illustrierten den früher prächtigen Bahnhof in Wölchingen und die dortigen Bauten. Heute bietet der Ort einen traurigen Anblick: das Gebäude außen verwahrlost, die Haltestation im Koma. Kaum zu glauben, dass hier 1902 das erste Lagerhaus an der Strecke Osterburken-Lauda entstand. Binnen Jahresfrist war sein Umsatz "an der Spitze aller badischen Lagerhäuser". Der 1903 bekämpfte, aber doch eröffnete "Gasthof zur Eisenbahn" ist heute ein Wohnhaus.
Bis zum Bau der Odenwald-Eisenbahn war es ein weiter Weg. Die erste Bittschrift aus den hiesigen Amtsbezirken wurde im Karlsruher Parlament 1846 noch abfällig kommentiert: "Die Bittsteller gehören ins Narrenhaus!" Nur die gemeinschaftliche Anstrengung aller interessierten Gemeinden brachte das Projekt näher.
1862 wurde die Trasse von Osterburken durchs Umpfertal festgelegt. Am 1. November 1866 begann der regelmäßige Zugverkehr Heidelberg-Würzburg. In Wölchingen und Unterschüpf hielten täglich fünf Züge schon allein in Richtung Würzburg.
In Schweigern informierte Ortsvorsteher Ferdinand Eck, früher selbst Bahnbediensteter, über Aktivitäten der Ortschaft, die heuer ihr 1275-jähriges Jubiläum feiert. Schweigern erhielt erst nach 1866 Bahnhof und Güterhalle. Die Bittschriften dafür wurden von Ortschaften bis nach Klepsau und Gommersdorf unterstützt. Entscheidungen sind für den Menschen oft zweideutig, so auch vor 150 Jahren, als es um das neue Verkehrsmittel "Eisenbahn" ging.
Befürworter erwarteten einen gewaltigen Aufschwung für bisher verkehrsferne Gebiete. Gegner befürchteten Schädigungen für Schwangere, Kinder und Alte, auch für die Kartoffel. Wie mit der Ambivalenz und den Unwägbarkeiten des Lebens gut umgegangen werden kann, verdeutlichten Gedanken von Wilhelm Schmid. Der Philosoph ermuntert dazu, dem, was das Leben den einzelnen Menschen "schickt", mit Hingabe und Gelassenheit zu begegnen und nicht lebensbitter gegen etwas anzuleben.
Der gelungene Wandertag endete am stillgelegten Bahnhof Unterschüpf. Wölchingen und Unterschüpf waren Bahnhöfe der ersten Stunde bis zum Fahrplan-Kahlschlag 1985. Die Teilnehmer der Wanderung waren sich einig, dass mehr Zughalte in Boxberg-Wölchingen sowie neue Halte in Schweigern und Unterschüpf die Bevölkerung sicher erfreuen, den Tourismus im Umpfertal fördern und den Straßenverkehr entlasten würden. dt/gjs
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