Gemeinderat - Applaus von Bürgern, Aufatmen bei Rektoren und Lehrern / 22:7-Stimmen / Freie Wähler, Grüne, SPD, FDP, OB und nun auch Teile der CDU dafür

GMS im dritten Anlauf beschlossen

Von 
Sascha Bickel
Lesedauer: 

Die Eduard-Mörike-Schule im Weberdorf macht sich auf den Weg zur neuen Schulform: "Gemeinschaftsschule".

© Sascha Bickel

Bad Mergentheim. Ganze drei Anläufe waren im Gemeinderat nötig, um die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule, kurz GMS, in Bad Mergentheim mehrheitlich zu beschließen und den erforderlichen Antrag an die Schulaufsicht zu stellen. Am Donnerstagabend war es soweit: Unter dem Applaus des Publikums im Dorfgemeinschaftshaus Neunkirchen und dem sichtbaren Aufatmen von Rektoren und Lehrern stimmten (geheim) 22 Ratsmitglieder für das Vorhaben, sieben dagegen. Zuvor taten CDU-Vertreter einen Meinungswandel von Teilen der Fraktion kund.

Noch im November 2014 hatte sich die CDU-Fraktion (ohne die Stimme des FDP-Vertreters) erfolgreich gegen eine Gemeinschaftsschule an der bisherigen Eduard-Mörike-Werkrealschule gestemmt. Und auch Mitte 2013 - bei der ersten Abstimmung zum Thema - betonte die Fraktion geschlossen ihre ablehnende Haltung.

In den vergangenen Monaten war die öffentliche Kritik immer lauter geworden und es wurde deutlich, dass nicht nur Freie Wähler, Grüne, SPD und FDP-Vertreter, sondern eben auch alle Mergentheimer Schulleitungen, viele Lehrer, Elternvertreter und Eltern sowie das Schulamt und der Oberbürgermeister pro GMS eingestellt sind. Die CDU stand also in der Öffentlichkeit allein auf weiter Flur mit ihrer Blockade der neuen Schulform für die Kurstadt.

Vor rund 70 Zuhörern wurde am Donnerstag beschlossen, dass Bad Mergentheim zum Schuljahr 2016/17 eine Gemeinschaftsschule im Weberdorf erhalten soll. Sie soll als verpflichtende Ganztagesschule mit einem acht Stunden Schulbetrieb an drei Tagen in der Woche die Schulklassen 5 bis 10 umfassen und zweizügig geführt werden.

Wie es in der Ratsvorlage heißt, ist die Eduard-Mörike-Schule als dreizügige Schule konzipiert. Für eine zweizügige GMS seien daher keine großen Um- oder Erweiterungsbauten notwendig. Eine Mensa ist vorhanden. Im Obergeschoss gibt es Klassenräume, die durch flexible Trennwände variabel verändert werden können.

Platz für die neue Schulform, bei der der Unterricht einer Klasse aufgrund unterschiedlicher Aufgabenstellungen manchmal über mehrere Räume verteilt wird, sei laut Stadt also ausreichend vorhanden. Nachdem die GMS, wenn sie bewilligt sei, zunächst mit den neuen Fünftklässlern (ab 2016) starte, müssten in jedem Jahr nur zwei Klassenräume neu möbliert werden.

Für die anderen weiterführenden Schulen in Bad Mergentheim, insbesondere die Kopernikus-Realschule und das Deutschorden-Gymnasium rechnet die Stadt mit "keiner drastischen Reduzierung der Schüleranmeldezahlen" durch die Einführung einer GMS. Die Schulleiter des Gymnasiums, der Kopernikus-Realschule und auch der Lorenz-Fries-Schule erklärten gar per Unterschrift am 20. März ihr Einverständnis mit einer GMS am Standort Bad Mergentheim.

Ehe es zur Abstimmung im Gemeinderat kam, flammte kurz die Debatte zur Schulpolitik auf. Oberbürgermeister Udo Glatthaar meinte zwar, dass alles hinreichend diskutiert sei; einige Ratsmitglieder ergriffen dennoch das Wort. Sylvia Schmid (Grüne) erklärte, dass die Eduard-Mörike-Schule nun genug gelitten habe und ihr der Weg zur GMS jetzt endlich ermöglicht werden sollte. Andreas Lehr (CDU) betonte, dass es verschiedene Auffassungen gebe und sich seine Fraktion mit den Positionen auseinandergesetzt habe.

"Wir respektieren den Willen der Lehrer und Eltern", die für eine GMS plädieren, sagte Lehr, ließ aber nicht unerwähnt, dass es nach wie vor große Bedenken von Fraktionskollegen gebe. Dass die Lehrer den Unterricht über mehrere Räume hinweg leiten, stärkere Schüler schwächere "unterrichten" sollen, es keine Noten und eventuell Nachteile für die Anmeldezahlen der eigenen Realschule gebe, führte Lehr aus und unterstrich die Verantwortung der Schulleitungen, die mitgeteilt hätten, dass man sich keine Sorgen über Schülerabwanderungen machen müsse.

Dass Teile der CDU nun doch einer GMS zustimmen wollen, freute Jochen Flasbeck (Freie Wähler), ehe Dr. Klaus Hofmann begründete, warum er weiter dagegen stimme: "Ich halte die Gemeinschaftsschule für eine schlechte, schädliche Schulform." Die grün-rote Landesregierung habe ein Chaos in der Bildungslandschaft angerichtet und in ein paar Jahren werde sich zeigen, so prophezeite Hofmann, dass die GMS-Schulabgänger "weniger wissen und können" als ihre Vorgänger. Leistungsschwache und leistungsstarke Kinder zusammen zu unterrichten, halte er für falsch.

Über die düsteren Vorahnungen von Dr. Hofmann schüttelte Klaus-Dieter Brunotte (SPD) nur ablehnend den Kopf und meinte zuversichtlich, dass eben aller guten Dinge drei seien und nach dieser dritten Abstimmung nun endlich Taten den vielen Worten folgen sollten.

Jochen Flasbeck (Freie Wähler) stellte klar, dass seine Fraktion dem Wunsch der Schule, der Lehrer und Eltern folge - und zwar von Anfang an. "Wir wollen hier alle Schultypen haben und das Beste für die Stadt erreichen", ohne jede Ideologie.

Seine Anerkennung für den Denkprozess der CDU-Fraktion und den Sinneswandel drückte anschließend Thomas Tuschhoff (Grüne) aus und forderte eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit in der Schulpolitik.

CDU-Mann Wolfgang Herz beantragte am Ende eine geheime Abstimmung - zu diesem Zeitpunkt waren im Saal 29 Ratsmitglieder vereint: der Oberbürgermeister, 14 CDU-Leute, ein FDP-Vertreter, fünf Freie Wähler, vier Grüne und vier SPD-Räte.

Zum Thema

Die Eduard-Mörike-Schule und die Gemeinschaftsschule

  • Die Eduard-Mörike-Schule (EMS) wurde vor über 40 Jahren als dreizügige Hauptschule gebaut. 1994 erfolgte die Umwandlung zur Werkrealschule. Aktuell besuchen 226 Schüler die Einrichtung. Die Anmeldezahlen für die fünfte Klasse veränderten sich in den vergangenen Jahren wie folgt: 67 (2008), 46 (2009), 38 (2010), 43 (2011), 15 (2012), 20 (2013), 23 Schüler (2014). - Bei zweimaliger Unterschreitung der vom Land vorgegeben Mindestschülerzahl von 16 in der Eingangsklasse (in zwei aufeinanderfolgenden Jahren) droht die Schließung der Schule.
  • Einige FN-Berichte im Rückblick:
  • 4. März 2015: Nicht-öffentlichen Schulkongress veranstaltet, aber "keine konkreten Beschlüsse".
  • 13. Dezember 2014: Info- und Diskussionsabend an der EMS: Deutliches Votum für neue Schulform.
  • 11. Dezember 2014: CDU-Fraktion äußert sich nach viel Kritik zur Schulentwicklung. Dialogprozess soll stattfinden; Gemeinschaftsschule als Ergebnis denkbar.
  • 29. November 2014: SPD-Antrag im Gemeinderat bezüglich der Einrichtung der neuen Schulform knapp gescheitert.
  • 25. Oktober 2014: Schulverbund stößt auf Ablehnung.
  • 20. Juli 2013: Große Enttäuschung bei Schulleitung und Lehrern. Idee einer Gemeinschaftsschule erstmals abgeschmettert. sabix

Stellungnahme

"Über das sehr klare Ergebnis der Abstimmung im Gemeinderat über unseren Wunsch nach einer Antragstellung zur Umwandlung der Eduard-Mörike-Schule zur Gemeinschaftsschule (GMS) zum Schuljahr 2016/17 sind wir, die gesamte Schulgemeinde aus Schülern, Eltern und Lehrkräften, sehr glücklich. Das von der Konzeption der GMS überzeugte Kollegium will jetzt auch die Schulaufsicht vom erstellten Pädagogischen Konzept überzeugen. Motor unserer Arbeit wird auch in Zukunft sein, ein Lernumfeld zu gestalten, welchesjeden Schüler bestmöglich fördert. Die GMS öffnet sich für alle Schüler und wird zu einem bislang fehlenden Baustein des Bildungsangebotes der Schulstadt Bad Mergentheim werden. Die kraftvolle Unterstützung der Gesamtelternbeiratsvorsitzenden Frau Schilling-Schmitt und aller Elternbeiratsvorsitzenden der hiesigen Schulen sowie der Schulterschluss aller Schulleitungen zeigt, dass wir an der Eduard-Mörike-Schule in Zukunft eine Schulart abbilden wollen, die in der Kurstadt gewollt wird. Die EMS ist auf dem Weg zur GMS!" Stellungnahme von EMS-Rektorin Nicole Floeder. sabix

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten