Weinberg als Versuchsfeld

Markelsheim: Echte Pioniere hoffen auf blau blühenden Blickfang

In Markelsheim testet der Jakobshof Lavendelanbau zwischen den Reben – und schafft ein Paradies für Bienen und weitere Insekten.

Von 
Barbara Englert
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Das Team des Jakobshofes bei vorbereitenden Arbeiten für den Lavendelanbau in den Markelsheimer Weinbergen. © Barbara Englert

Bad Mergentheim. Blaue Folien blitzen zwischen den noch kahlen Weinstöcken hervor – was soll denn das? Wird in Markelsheim jetzt Spargel in den Weinbergen gepflanzt? Weit gefehlt, denn nähert man sich der Parzelle am Ortsausgang Richtung Elpersheim, offenbart der beruhigende Duft der kundigen Nase – hier wächst Lavendel. Der Jakobshof von Conny und Thomas Lehr testet nämlich neue Wege und gestaltet die Kulturlandschaft ein wenig bunter.

„Das ergibt hoffentlich bald ein cooles Bild und für die Bienen eine Wellnessoase“, so Conny Lehr, die sich über die Umsetzung dieses Herzensprojekts freut. Sollte sich diese Testphase als erfolgreich erweisen, verwandle sich nicht nur der Weinberg in einen blau blühenden Blickfang, sondern werde auch der Hofladen des Jakobshofs mit neuen Lavendelprodukten aufgestockt. In Fachzeitschriften habe sie von der Anbaualternative gelesen, die bereits an der Mosel getestet werde - und sei sofort begeistert gewesen. Auch ihr Mann Thomas habe Gefallen an der Idee gefunden - und mit der Unterstützung der ganzen Familie hätten die Lavendelsetzlinge nun Anfang April ihren Weg in die Weinberge gefunden.

Jede zweite Reihe an Weinstücken herausgerissen

Jede zweite Reihe an Weinstöcken wurden für das Projekt ausgerissen, so dass nun zwischen den Reben abwechselnd Lavendel sowie Blüh- und Kräutermischungen gepflanzt worden sind. So seien insgesamt dreimal zwei Reihen Lavendel gesetzt worden, erzählt die Winzerin, wobei sie drei verschiedene Sorten ausprobiere, die im Zeitraum zwischen Juni und August blühen sollen.

Doch schon vor dem eigentlichen Setzen sei einiges an Vorbereitung vonnöten gewesen: Nicht nur die theoretische Auseinandersetzung mit Lavendel – gehörten sie doch zu den Pionieren auf einem Gebiet, wofür bisher wenig Erfahrungen gesammelt worden sei –, sondern auch die Vorbereitung des Weinbergs. Stickel und Drahtanlagen hätten entfernt, die Wurzelstöcke rausgerissen und die Erde gespatet und abgeggt werden müssen, damit sie locker und glatt sei für den weiteren Anbau. Ähnlich wie beim Spargel, hätten sie zudem kleine Häufchen angelegt, wobei sie sich eines Kartoffellegegeräts bedient hätten. Schließlich seien noch Wasserschläuche und Folien gegen Unkraut positioniert worden – und der Weinberg war bereit für seine neuen Schützlinge.

Setzen, Pflege und Ernte des Lavendels erfordert viel Handarbeit – gut also, dass die ganze Familie eingespannt werde und mit Herzblut bei der Sache sei. „Die sind da alle ganz heiß drauf“, freut sich die Winzerin über den Zusammenhalt innerhalb ihres Betriebes. So war beim Einpflanzen einiges los auf dem Weinberg, als jeder der 500 Setzlinge per Hand sein Plätzchen zwischen den Reben fand. Um Touristen oder auch die Einheimischen einzuladen, den Lavendelduft und das Bienensummen im Sommer zu genießen, plant die Familie, eine Bank sowie eine Infotafel unterhalb der Reben zu platzieren. „Wenn jeder etwas tut, bringt das auch was für die Umwelt, die Bienen und das Image der Landwirte“, merkt Lehr an – man müsse den Mitbürgern vermitteln, dass Landwirte keine „Giftspritzer“ seien, denen nichts an der Natur gelegen sei, sondern sie auch die Biodiversität förderten.

Als Erfolg werde der Test verbucht, wenn die Pflänzchen gut anwachsen, nicht erfrieren (schließlich stehen noch die Eisheiligen bevor) und diesen Sommer blühen. Die geernteten Lavendelblüten können dann weiterverarbeitet werden, wobei es den Innovationsfreudigen nicht an Ideen mangelt. Lavendelhonig, -likör, oder -schnaps, vielleicht auch Duftsäckchen könnten die Regale des Hofladens in Zukunft füllen. „Gerne würde ich den Ruf des Lavendels als Heilpflanze nutzen und Tee anbieten“, überlegt Lehr, helfen die Blüten doch gegen Magen-Darm-Beschwerden, Reizbarkeit und Überregung. Auch Lavendelessig und Marmelade möchte die kreative Landwirtin versuchen.

Das Entdecken und Erproben solcher neuen Nischen ist die zukunftsorientierte Reaktion des Jakobshofs auf die immer größer werdenden Herausforderungen der Winzer. Darüber, dass diesen in Deutschland aufgrund des Klimawandels und der schwierigen Wirtschaftslage keine rosigen Zeiten bevorstehen, wird in der nächsten Woche in den FN detailliert berichtet. Für die Winzerin gehören die Wetterkapriolen zu den größten Herausforderungen – in einem Jahr extreme Trockenheit, dann wieder Nässe. Zudem trieben die Reben immer früher aus, so dass ein späterer Frost zur Gefahr werden könne. Es gebe zwar Versicherungen gegen Frost, doch fragt Lehr sich, wie lange diese angesichts der steigenden Risiken finanzierbar blieben. Schon jetzt könnten die Winzer sich die Versicherungen nur leisten, weil diese vom Land bezuschusst würden.

Bei einem Glas Wein aus der Region wird gespart

Generell werde die gesamte Produktion teurer, während sich gleichzeitig der Erwartungshaltung der Kunden kaum entgegenkommen ließe. Für einen Aperol gäben die Leute gerne mehrere Euro aus, doch bei einem Glas regionalen Wein werde gespart, bemängelt die Powerfrau. Dennoch sei eine Preiserhöhung beim Wein wünschenswert, es müsse schließlich bei steigenden Kosten für Arbeitskräfte, Flaschen und Co. am Ende noch was für die Winzer selbst übrig sein.

Doch wie bleibt man dann noch attraktiv für potenzielle Käufer, wenn ausländische Weine zu Spottpreisen verfügbar sind? Die auf den ersten Blick nicht naheliegende Antwort blüht hoffentlich in wenigen Monaten blau auf den Markelsheimer Weinbergen: Man müsse neue Wege gehen, auf sich aufmerksam machen und den Leuten im Gedächtnis bleiben, erklärt die engagierte Landwirtin. Außerdem müsse man ihnen vermitteln: „Ihr stärkt die Regionalität über euren eigenen Geldbeutel.“ Daher biete der Jakobshof beispielsweise Weinbergrundfahrten im „Gelben Wagen“ an. „Die Leute sollen einfach die Landschaft und den Winzer als Menschen kennenlernen“, erklärt Conny Lehr, die gerade im Tourismus eine Chance sieht. Die Folgen einer niedergehenden Weinwirtschaft bekämen schließlich auch die übrigen Mitbürger zu spüren.

Ehemalige Weinberge, die man nicht mit Traktoren bewirtschaften könne, würden brach liegen bleiben – Verbuschung sei die Folge und damit ein Rückgang der Biodiversität. Tatsächlich hofft die Winzerin, dass sich die brache Fläche beim Bahnübergang von Markelsheim womöglich im Zuge der Landesgartenschau in ein Lavendelmeer und Insektenparadies verwandle. Photovoltaik, eine andere Alternative zur Nachnutzung von Weinbergen, hält die Naturliebhaberin dagegen für eine Katastrophe. Würde hiermit angefangen und erste lukrative Gewinne erzielt, sei der Weinbau bald am Ende.

Auch wenn Weinstöcke ausgerissen werden, um Platz für den Lavendel zu schaffen, müsse das Hauptaugenmerk noch auf der Traube bleiben. „Winzer sind wir nicht nur acht Stunden am Tag, das ist unser Leben“, so Lehr und weist auf die jahrhundertelange Tradition hin. Tiefs gebe es schließlich auch in anderen Bereichen, es sei also kein Grund, wegen der aktuellen Schwierigkeiten aufzugeben. Gleichzeitig spreche nichts dagegen, sich weiter auszuprobieren wie beispielsweise nun mit dem Lavendel. Dabei müsse jeder seinen Weg oder seine Nische finden, meint die motivierte Weinkennerin. Das Wichtigste sei jedoch, dass man mit Herzblut seinen Projekten nachginge. So erfüllt sich für die engagierte Familie hoffentlich bald der Traum vom blauen Blütenmeer – einem Naherholungsgebiet für Bienen, Schmetterlinge und Co.

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