Weinbau soll weiter die Hauptrolle spielen

Main-Tauber-Kreis: Dolce Vita als Alternative?

Oliven, Feigen, Granatäpfel oder Lavendel in Baden-Württembergs Weinbergen - mediterrane Experimente oder Notwendigkeit? Fachleute aus der Region schätzen die Situation ein.

Von 
Barbara Englert
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Wird es in deutschen Weinlagen in Zukunft des Öfteren zu mediterranen Experimenten kommen? Experten gehen davon aus, dass der Weinbau auch künftig hierzulande eine Hauptrolle spiele. © Barbara Englert

Unter Olivenbäumen einen schweren Rotwein kosten, während blaue Lavendelsträucher ihren Duft verströmen – was an italienische Dolce Vita anmutet, scheint womöglich für manche deutsche Weingüter zur Lebensrealität zu werden. Zumindest probeweise finden Oliven, Feigen oder Granatäpfel ihren Weg in baden-württembergische Weinberge, während es auf dem Markt um die heimischen Weine gegenwärtig eher schlecht steht.

Handelt es sich bei solchen mediterranen Experimenten um den zum Leben erwachten Traum vom Toskana-Urlaubsfeeling in der Heimat oder um ein Symptom der schwächelnden Weinwirtschaft, der man besser mittels Ursachenbekämpfung auf die Füße helfen sollte?

Vereinzelt werden alternative Pflanzen ausprobiert

Hermann Morast, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Württemberg, berichtet, dass wenige württembergische Betriebe seit ein paar Jahren auf vereinzelten Parzellen alternative Pflanzen ausprobierten. So wüchsen nun Oliven, Palmen und Lavendel in der Kulturlandschaft. Vor allem steilere Lagen wie Terrassenweinberge böten sich hierfür an, da die Steinmauern für ein mediterranes Mikroklima sorgten. Olivenbäume würden allerdings eher auf flacheren Lagen angepflanzt.

Sowohl der Klimawandel als auch die herausfordernde wirtschaftliche Situation inklusive Arbeitskräftemangel und Mindestlohn „machen den Weinbau in einzelnen Lagen nicht mehr auskömmlich. Betriebe versuchen zu diversifizieren, andere Einkommensarten zu erzielen“, erklärt Morast. Dabei wirke eine Nachnutzung der ehemaligen Weinbauflächen der Verbuschung entgegen. Bei der Umwandlung der Weinberge könne jedoch die Topografie nicht ignoriert werden – schließlich könne man die Weinberge nicht roden und wie einen gewöhnlichen Acker mit Zuckerrüben oder Getreide bewirtschaften. Deshalb seien Alternativen wie Lavendel eine auch für Steillagen geeignete Möglichkeit.

Mit dem alternativen Anbau gingen jedoch auch Schwierigkeiten einher. Olivenbäume, die heute gesetzt würden, müssten mitunter von der nächsten Generation gepflegt werden. „Viele Betriebsinhaber stehen vor der Herausforderung, Nachfolger für ihre Höfe oder ihre bewirtschafteten Flächen finden zu müssen“, so der Geschäftsführer. „Aus unserer Bewertung heraus experimentieren vor allem die Betriebe, die eine gesicherte Betriebsnachfolge oder eine Vermarktungsmöglichkeit haben, mit alternativen Pflanzen.“

Aussagen über die Zukunftsfähigkeit solcher Versuche ließen sich bisher allerdings nicht treffen. Dennoch sehe der Weinbauverband Württemberg eine Chance – sowohl durch die Erschließung neuer Zielgruppen und Märkte als auch durch die alternative Nachnutzung der Flächen als Maßnahme gegen Verbuschung und die wesentliche Veränderung der Kulturlandschaft.

So viel zu Württemberg - doch was halten die heimischen Winzergenossenschaften in der Region von Olivenöl statt Silvaner?

„Als Winzergemeinschaft ist uns daran gelegen, dass die Winzer beim Weinbau bleiben“, so Aaron Böhm von der Winzergemeinschaft Franken (GWF). Neue Methoden im Weinbau würden gerne unterstützt, betont er – besonders Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Diversität und des Klimaschutzes. Darunter fielen beispielsweise pilzwiderstandsfähige Rebsorten, spezielle Begrünungen und eben auch der Anbau von Sekundärkulturen wie Tomaten und Kürbissen. Allerdings lohnten sich solche Neuerungen aufgrund der zusätzlichen händischen Arbeit meist nicht, weshalb die Winzer – wie die Schuster bei ihren Leisten – eher bei ihren Reben blieben.

„Den Weinbau bei dessen langer Tradition neu zu erfinden, ist schwierig, da schon so vieles probiert und optimiert wurde“, erklärt Böhm. Nichtsdestotrotz halte die GWF die aktuelle Forschung und deren Innovationen im Blick. So sei die Anschaffung einer hauseigenen Entalkoholisierungsanlage geplant, um die Herstellung von alkoholfreien Weinen als Dienstleistung für ganz Franken anzubieten.

Laut Michael Spies von den Becksteiner Winzern liege auch das Augenmerk dieser Genossenschaft noch klar auf der Traube selbst. Mediterrane Kulturpflanzen halte er nicht für zukunftstauglich. Trotz klimatischer Veränderungen seien die Winter noch zu kalt für Oliven und winterharten Lavendelsorten fehle der Mehrwert. „Wir haben die Maschinen und die Logistik, um Getränke herzustellen – und die Traube als Ausgangsprodukt“, stellt Spies klar. Daher versuche man über eine Verschiebung der Erntezeiten sowie über das Rebsortenprofil auf die veränderten klimatischen Bedingungen zu reagieren. So müsse man in Zukunft eher auf hitzebeständigeren Merlot oder Chardonnay setzen, anstelle von Silvaner und Riesling. Eine weitere Herausforderung stellten die schlechten Bedingungen auf dem Markt dar. „Importe erschweren es uns, den deutschen Wein in Deutschland zu verkaufen.“

Italienische Weine würden oft mit positiven Erinnerungen und einem Urlaubsfeeling in Verbindung gebracht und stünden daher in Konkurrenz zu den heimischen Tropfen. Dabei sei der deutsche Riesling auch von internationaler Bedeutung. In der hiesigen kühleren Weinbauzone produzierten die Traube im Gegensatz zu mediterran Gefilden weniger Zucker, was zu einem geringeren Alkoholgehalt führe. Feine, schlanke Weißweine seien das Ergebnis, die man als elegantere Alternative zum schweren Rotwein vermarkten könne. So sehe Spies darin eine Chance, den Fokus auf die Herausstellungsmerkmale der typisch deutschen Weine zu legen. Dementsprechend böten alternative Bepflanzungen in der Region um Beckstein noch keine Diskussionsgrundlage.

Michael Schmitt von den Weingärtnern Markelsheim räumt ebenfalls ein, dass die Nachnutzung der Weinberge eine Herausforderung darstelle. Nischenprodukte anzubauen und herzustellen sei eine Möglichkeit für Einzelne, doch sei das primäre Ziel, den Weinbau zu erhalten. Zu etwa 43 Prozent greife der Verbraucher zu deutschen Weinen, 57 Prozent der edlen Tropfen würden jedoch importiert. Schon ein Ausgleich von 50:50 würde sich bei den Winzern bemerkbar machen, so dass die Frage nach alternativen Bepflanzungen und Umwandlung der Flächen hinfällig wäre. „Der Ball liegt da beim Verbraucher“, bekräftigt Schmitt. Weine aus Südafrika, die unter niedrigeren sozialen und gesetzlichen Standards günstig produziert werden, würden hierzulande zu entsprechend günstigeren Preisen vermarktet.

Keine einheitlichen Regelungen innerhalb der EU

Auch innerhalb der EU gebe es keine einheitlichen Regelungen – eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro könne die wirtschaftliche Lage zusätzlich erschweren, so dass deutsche Produkte weiterhin teurer würden. Dementsprechend versuchten die Weingärtner Markelsheim die Menschen für den guten heimischen Wein und besonders für deren Rolle auf dem Markt zu sensibilisieren – sei es nun bei Weinfesten, Weinbergwanderungen oder Einkäufen im Betrieb. „Wein ist etwas sehr Traditionelles in der Region“, so Schmitt und verweist auf die teils seit tausend Jahren kultivierten Weinberge um Markelsheim. „Es wäre schade, wenn wir das verlieren.“

Ob die Versuche mit Lavendel, Oliven und Co. eine Perspektive haben, wird sich wohl erst in Zukunft zeigen. Dass sich die Weinwirtschaft aufgrund von Klimawandel, der schwierigen Marktsituation und des Verbraucherverhaltens weiterentwickeln wird, steht jedoch schon heute fest. Einig sind sich die Winzergenossenschaften dabei vor allem in einem Punkt – der Fokus liegt klar auf dem Wein und dem Erhalt der Kulturlandschaften.

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