Wenn das Melken Geschichte ist

Landwirtschaft: Adieu Milch, hallo Zukunft

Mit dem Abschied der letzten Milchkühe geht in Ahorn-Schillingstadt eine Ära zu Ende. Doch Familie Schmidt betreibt weiter Landwirtschaft – moderner, flexibler und mit Herz für Tier und Feld.

Von 
Elisabeth Englert
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Blick in den leeren Kuhstall der Familie, der nun für die neuen Bedürfnisse umgebaut wird. © Elisaberh Englert

Resi, Hanna und Lotta waren die Letzten ihrer Spezies. Keine Sorge, es geht ihnen gut. Doch mit ihrem „Wegzug“ verließen nun die letzten Milchkühe die Landgemeinde Schillingstadt. Fortan wird der Milchtankwagen den Ahorner Ortsteil links liegen lassen.

„Wir waren schon seit über zehn Jahren die einzigen Milchviehhalter in der ganzen Gemeinde“, blicken Klaus und Sigrid Schmidt zurück. Vor über 40 Jahren, 1984, um genau zu sein, hat der Vollerwerbslandwirt seinen Stall gebaut. Damals habe er 25 Kühe, nebst Rindern, Schweinen und Hühnern gehabt, blickt Schmidt zurück – ein typischer Bauernhof wie aus dem Bilderbuch. Geplant gewesen sei, den Stall größer auszulegen. Doch in Zeiten von Milchsee und Butterberg habe der Gesetzgeber keine Erweiterung gewollt und lediglich Bestehendes gefördert. Auch ein ursprünglich geplanter Melkstand sei wegen der Milchquote nicht förderfähig gewesen. Im Laufe der Jahre habe er sukzessive durch den Zukauf von Milchkontingenten, beispielsweise bei Betriebsaufgaben, auf 45 Kühe aufgestockt.

„Wir haben uns Arbeit dazu gekauft“

„Wir haben uns Arbeit dazu gekauft“, konstatiert der Landwirt sachlich und seine Frau nickt zustimmend – Arbeit, die ohne tragfähiges familiäres Netz nicht zu stemmen gewesen sei. Eltern, Schwiegereltern, die Söhne Tobias und Florian, sie alle hätten sich tatkräftig eingebracht und gerade Letztere machten dies heute noch.

Die 33-jährigen Zwillinge haben von ihrem Vater die Leidenschaft zur Landwirtschaft und zu den Tieren geerbt und folglich die Ausbildung zum Nebenerwerbslandwirt absolviert. Also alles in Butter. Warum dann den Betrieb nicht so weiterlaufen lassen wie bislang? Ganz einfach, weil die Söhne nach dem Abitur beruflich andere Wege einschlugen. Insofern sei die Entscheidung, die Milchwirtschaft auslaufen zu lassen, schon vor 15 Jahren vorgezeichnet gewesen. „Es stand immer fest, dass ich vor dem Geschäft nicht melke“, stellt Tobias unumwunden klar.

Inzwischen seien im Gegensatz zu 1984 rund 120 Kühe und zwei Melkroboter Standard, um als Familie davon leben zu können. Man hätte also erweitern und kräftig investieren müssen – und da keine ganzjährige Anbindehaltung mehr erlaubt sei, mehr Weidefläche gebraucht. Bisher habe man mit einem steten Wechsel von Anbinde-, Boxenhaltung und Weide dem entsprochen. Darüber hinaus wäre auch mehr Ackerfläche erforderlich, was bedeute, man müsse einem anderen Bauern diese nehmen. Die Konkurrenz in der Landwirtschaft geht dem 63-Jährigen gegen den Strich. Da demonstriere man gemeinsam gegen die Agrarpolitik des Bundes und der EU und vor der eigenen Stalltüre konkurriere man untereinander. „Immer nur wachsen, wachsen, wachsen“ sei nicht seine Philosophie. Im Gegenteil, er sei sehr froh, dass in seiner Heimatgemeinde eine verlässliche Solidarität unter seinen Berufskollegen herrsche, man sich unterstütze und aushelfe.

Das Melkgeschirr ist noch da, der Tank bereits weg. © Elisabeth Englert

Darüber hinaus sei man als Milchbauer zeitlich sehr getaktet. „Das Milchauto kommt jeden zweiten Tag um 9 Uhr, auch an Neujahr“, gibt seine Frau zu bedenken. Auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sei schwierig. Bis die Tiere versorgt und gemolken seien, vergingen locker zwei bis drei Stunden. „Ich war immer der letzte auf Versammlungen“, so der Bauer.

Sohn Tobias, der mit seiner Familie ebenfalls auf der Hofreite lebt, habe ihn abends beim Melken unterstützt, bei fünf Melkgeschirren floss die Milch. Als er seine Freizeit nach dem Haupterwerb auf seinem Hausbau zubrachte, sprang dessen Frau Viviane bis zu ihrer Schwangerschaft ein. Mit der Geburt ihres Sohnes beanspruchte die junge Familie selbstredend auch Zeit für sich. Man habe den Status quo bewerten müssen. „Wenn Klaus ausfällt, haben wir ein Problem“, bringt die junge Mutter die Gegebenheiten auf den Punkt.

Dass es nun so schnell ging, war für alle überraschend. Im Nachbarort suchte der Inhaber eines Milchviehzuchtbetriebs Geschäftspartner, die für ihn seine Kalbinnen aufziehen. Ausreichend Platz stehe zur Verfügung und der Stall sei nicht auf einen Schlag ohne Tiere. Im Gegenteil, er wird wieder gut belebt sein, aber ohne das zeitlich enge Korsett des Melkens. „Wenn der Stall leer gewesen wäre, hätte Klaus das Herz geblutet“, ist sich Schwiegertochter Viviane sicher. Und das glaubt man sofort, denn die Leidenschaft zu den sanften Tieren mit den großen, dunklen Augen ist durchweg spürbar. Im Gegenzug erhalten Schmidts, die als GbR firmieren, die männlichen Kälber zur eigenen Aufzucht. Die Frage mancher Mitbürger: „Was schaffst du eigentlich jetzt?“, sollte damit beantwortet sein, schmunzelt Schmidt.

Nun sei man dabei, den Stall umzubauen, zu modernisieren und den Bedürfnissen der Rinderaufzucht anzupassen. Auch wenn der Tag jetzt nicht mehr um halb sechs beginne, er zeitlich variabler sei, ein bisschen Zeit für Enkel Elian habe, sei er mit Tieren, Feldarbeit und der allgegenwärtigen Bürokratie, die mittlerweile auf keine Kuhhaut mehr gehe, gut beschäftigt. Dokumentationspflichten, deren Sinnhaftigkeit bei allen nur Kopfschütteln hervorruft, seien ein beständiges Ärgernis. „Ich habe Landwirt gelernt, nicht Computerfachmann“, macht er seinem Unmut Luft. Sich darüber aufzuregen sei wie verschüttete Milch. Es bringe nichts. Zum Glück habe er kompetente Hilfe aus der Familie, in der grundsätzlich jeder seinen Bereich fülle, ob Büro-, Stall-, Feld-, Hausarbeit oder die Landmaschinentechnik. Zum Pferde stehlen – davon komme in Kürze auch eins auf den Hof.

Nach dem Stallumbau zieht Jungvieh ein

Sobald der Stallumbau abgeschlossen ist, zieht das Jungvieh ein. Der metallene, selbst geschmiedete Kuhkopf, der die Hofeinfahrt ziert, passt also weiterhin. Da auch künftig Futter benötigte wird, könne die Fruchtfolge im Ackerbau nahezu beibehalten werden.

Sie alle eint eine enge Verbindung zur Scholle, sind – im wahrsten Sinne des Wortes – geerdet. Während zu Zeiten von Tobias und Florian, die als Maschinenbauingenieure arbeiten, es noch fraglich gewesen sei, ob genügend Interessenten für eine Nebenerwerbsklasse zusammenkämen, habe es bei Vivianes Ausbildung eine Warteliste gegeben, teils mit Interessenten aus der Landwirtschaft, teils mit welchen, die diese als Hobby für sich entdeckten. Es scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen. Und auch im Dorf übten Tiere, Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte eine Faszination auf Kinder und Jugendliche aus, die immer gerne vorbeikämen und mitarbeiteten. So bleibe man direkt im Gespräch, vermittle nebenbei die Wertschätzung für Arbeit, Lebensmittel, für Säen, Wachsen und Ernten, für das Leben im Wechsel der Jahreszeiten mit der Natur. Schön, wenn das weitergeht – und nicht einfach Sense ist.

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