Ein neuer Trend ist nun auch in der Region angekommen: Im letzten Jahr hat sich in Zusammenarbeit aus einer Initiative rund um die Ländliche Heimvolkshochschule Oberlauda und der zu Weikersheim gehörenden Demeter-Gärtnerei Louisgarde eine Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) gegründet. Die Pilot-Phase ist inzwischen erfolgreich absolviert, jetzt tritt die SoLaWi-Initiative nach außen und begrüßt gern neue Interessenten.
Lutz Neuendorf und Melanie Appel, die zwei Demeter-Gärtner, sind überglücklich. Melanie Appel schwärmt: „Seit Jahren haben wir uns gewünscht, dass wir unseren Betrieb in Richtung einer SoLaWi weiterentwickeln können. Das setzte voraus, dass sich eine selbstorganisierte Verbraucher-Gruppe als Partner findet, also dass nicht alle Initiative von uns ausgeht, sondern dass wir Verbraucher und Erzeuger auf Augenhöhe sind. Nach der grünen Abo-Kiste und dem Marktstand in Würzburg ist das eine neue Dimension unseres Wirkens.“ Die Abo-Kiste und den Markt wollen die Gärtner gleichwohl aktuell weiter bestücken.
Lutz Neuendorf ist seit 1990 als ausgebildeter Demeter-Gärtner auf dem Hof Louisgarde. „Die Lage hier ist sehr günstig“, sagt er „unsere zwei Hektar Fläche liegen in einer Waldlichtung, und die Ackerflächen drumherum werden von einem ebenfalls biologisch arbeitenden Landwirt bewirtschaftet.“ Was ist Solidarische Landwirtschaft? Bei einer SoLaWi wird die Landwirtschaft – nicht das einzelne Lebensmittel – finanziert. Erzeuger und Verbraucher rücken zusammen und bilden eine Wirtschaftsgemeinschaft, dabei tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Hierdurch wird dem Erzeuger ermöglicht, sich unabhängig von Marktzwängen oder Ernteausfällen einer guten landwirtschaftlichen Praxis zu widmen, den Boden fruchtbar und gesund zu erhalten und bedürfnisorientiert zu wirtschaften. „Denn der wirtschaftliche Druck und der Vermarktungsaufwand für unsere Gärtnerei schon immens heutzutage – das Konzept der SoLaWi schenkt betriebliche Kreativität und Freiheit“, stellt Lutz Neuendorf dankbar fest.
Gruppe verpflichtet sich
Auf Grundlage der geschätzten Jahreskosten der landwirtschaftlichen Erzeugung verpflichtet sich die Gruppe, jährlich im Voraus einen festgesetzten monatlichen Betrag an den Solawi-Betrieb zu zahlen. Der persönliche Bezug macht die gegenseitige Verantwortung bewusst. Die Gruppe erlebt durch Hofbesuche zu Saisonbeginn und -ende sowie beim gelegentlichen Mithelfen, wie das, was auf den Teller kommt, ganz konkret die Landschaft der Region mitgestaltet. Was ist der Unterschied zur Abo-Kiste? Alle 14 Tage gibt es einen Ernteanteil mit Bio-Gemüse frisch vom Feld, teilweise sind auch mal ein Glas Honig, Eier, Rharbarber oder eine Flasche Apfelsaft dabei. Anja Mall von der Initiative sagt: „Die SoLaWi ist sozusagen die grüne Kiste 2.0 – also eine Weiterentwicklung, weil wir noch einen Schritt mehr in die Verantwortung und auf Lutz und Melanie zugehen.“ Das äußere sich daran, dass man sich längerfristig verpflichte und einen Monatsbetrag bezahle, der saisonunabhängig sei, obwohl die Kiste je nach Erntephase unterschiedlich viel enthalte und auch in Ferienzeiten durchgezahlt werde.
Zunächst ungewohnt
„Das war für uns als Verbraucher erst ungewohnt – aber es verbindet uns als Gruppe auch, weil wir voneinander wissen, den Anteil weiter verteilen, und uns ohnehin auch beim Abholen gegenseitig unterstützen. Anders als bei der grünen Abokiste sei nämlich auch, dass die Abholung und Aufteilung der Ernteanteile in Kisten von der Initiative selbst vorgenommen werde. Es machen Menschen aus Tauberbischofsheim, Lauda, Bad Mergentheim, Weikersheim mit, so dass bei Bedarf stets eine „Mitfahrgelegenheit“ für die Kiste bei der Abholung gefunden werde und nicht jeder immer selbst fahre. Im Juli kämen neue Interessenten aus einer Gruppe in Schäftersheim dazu, so dass es dort oder auf Louisgarde eine zweite Abholstelle geben werde. Wer steckt hinter der Initiative? Die Initiativgruppe der SoLaWi besteht derzeit aus 15 bis 20 Menschen. Zum Kernteam gehören fünf Personen, die sich über die seit 2018 bestehende Gruppe der Tauberpioniere kennenlernten. Ihnen geht es um „Wandel von innen nach außen“, wie Carl Beier vom Kernteam erläutert. Die Gruppe kam in der Corona-Zeit auf den Gedanken, dass es gut wäre, Lebensmittel lokal zu erwerben – am besten direkt beim Erzeuger. Die Gärtnerei Louisgarde war ihnen von einem Besuch und durch die regelmäßige Mithilfe einer Mitstreiterin bekannt, so ging die Initiative im vergangenen Jahr auf die Gärtnerei zu.
Kontakte nach Oberlauda
Zudem hatte die Initiative Kontakte nach Oberlauda, zur Ländlichen Heimvolkshochschule. Dort gibt es einen mit „Leader“-Geldern im letzten Jahr ausgebauten Gewölbekeller, kühl und geräumig. Außerdem bietet dort der Garten in der Saison die Möglichkeit zu einem Austausch zu verweilen. „So haben wir uns das auch gedacht“, sagt Carl Beier, „die Abholung des Gemüses soll auch Gelegenheit bieten zu Begegnung, Austausch und Stärkung untereinander.“ Wie läuft die Gemüse-Verteilung ab?Alle Mitstreiter erhalten das SoLaWi-Gemüse 14-tägig, jeweils mittwochs zwischen 18 und 19.30 Uhr. Es wird früh morgens von den Gärtnern geerntet, dann von zwei Personen aus dem Organisations-Team abgeholt und auf Kisten verteilt und zur Abholung bereit gestellt. Weil nicht alle so viel Gemüse verbrauchen, gibt es ganze Ernteanteile und halbe Ernteanteile, so dass auch Paare und Singles mitmachen können. Mitglieder aus der Gruppe helfen bei Bedarf und je nach ihren Möglichkeit aktiv auf dem Feld der Demeter-Gärtner.
„Das ist aber nicht verpflichtend“, erläutert Carl Beier. „es hilft aber sehr, weil es verbindend ist, und die Liebe zum jeweiligen Gemüse weckt, wenn man es selbst mit gesetzt oder gepflegt hat.“ Fast wie im Eigenanbau – nur eben sind hier Profis am Werk.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/fn-landwirtschaft-und-natur_artikel,-landwirtschaft-und-natur-genuss-fast-wie-aus-dem-eigenanbau-_arid,1968833.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/weikersheim.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Es wird ernst