Welle wälzt sich mit Wucht durch Weinort

Die Fronleichnamsflut am 21. Juni 1984 richtete vor allem in Königheim, aber auch in Kupprichhausen und Dittwar enorme Schäden an.

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Bei der Fronleichnamsflut wälzten sich die Wassermassen mit enormer Wucht über die Dorfstraße.

© FN-Archiv

Als die Bilder der zerstörerischen Wassermassen in Braunsbach über den Bildschirm flimmerten, wurden in Königheim, Dittwar und Kupprichhausen bei manchem schlechte Erinnerungen an die Fronleichnamsflut am 21. Juni 1984 wach. Besonders hart traf es die Brehmbachtalgemeinde.

Dort wälzte sich die braune Brühe in einer Höhe von teilweise mehr als zwei Metern durchs Dorf.

Wie durch ein Wunder kamen Menschen nicht zu Schaden, dafür kamen viele Tiere in den ungeheuren Wassermassen um und zahlreiche Häuser wurden stark beschädigt.

Der eigentliche Auslöser der Jahrtausendflut ist ein Starkregen von 110 bis 150 Millimeter, der über der Höhe zwischen Brehm- und Schüpfbach niedergeht. Dessen Zentrum liegt im Gebiet Esselbrunn und Reisberg. Die niederprasselnden Wassermassen fließen durch den Ölbach Richtung Dittwar (13,5 Kubikmeter/Sekunde) und über den Adelsgraben oberhalb Gissigheims Richtung Königheim (10 bis 19 Kubikmeter/Sekunde) ab und strömen in Richtung der darunter liegenden Dörfer und Städte. Etwa zur gleichen Zeit rast auf einer Breite von 100 Metern eine zwei Meter hohe Flutwelle auf Kupprichhausen zu.

Die erste Hochwasserwelle erreicht den Ortsetter von Gissigheim. Um 16 Uhr läuft das Wasser über den Damm des Rückhaltebeckens unterhalb Brehmens, 54 Kubikmeter Wasser pro Sekunde strömen über die Dammkrone talabwärts. Gegen 17 Uhr wälzen sich die Wassermassen mit einem Durchfluss von 100 bis 120 Kubikmetern pro Sekunde durch Königheims Ortsetter.

Landrat Georg Denzer löst um 17.18 Uhr Katastrophenalarm aus. Kurz danach, um 17.20 Uhr, bricht der Damm am Regenrückhaltebecken zwischen Brehmen und Gissigheim und sorgt dafür, dass die Flutwelle bis 18 Uhr mit unverminderter Wucht durch das Weindorf rauscht. Das Sägewerk unterhalb Gissigheims wird ein Opfer der Wassermassen, die sämtliches dort gelagertes Holz mit sich reißen. In Königheim schließlich werden die Balken und Stämme zu Geschossen, die sich selbst durch Hauswände bohren. Und sie verstopfen die vielen Brücken Königheims, was das Wasser noch mehr ansteigen lässt.

Das Ausmaß des Schadens ist verheerend: Mehr als 1200 Tiere, darunter über 600 Stück Großvieh und Schweine, verenden in der braunen Brühe. In Königheim, Tauberbischofsheim und Boxberg werden 24 Gebäude vollkommen zerstört, 184 stark beschädigt. 265 mittlere Gebäudeschäden gibt es in den drei Kommunen, zwölf in Lauda-Königshofen, das nach Aussage des damaligen Bürgermeisters Jürgen Ansel "mit einem blauen Auge davongekommen ist". Der Gesamtschaden der Fronleichnamsflut beläuft sich auf rund 90 Millionen Mark (45 Millionen Euro, wovon allein auf Königheim rund 40 Millionen Mark (20 Millionen Euro) entfallen.

Wie durch ein Wunder kommen keine Menschen ums Leben. "Zum Glück habe ich eine Andacht gehalten, so dass sich die 14 Altenheimbewohner des unteren Stockwerks zum Zeitpunkt, als die Flutwelle das Altenheim erreichte, im zweiten Stock befanden", erinnert sich der damalige Altenpfleger Ludwig Würzberger. "Zudem hat ein Mann aus Schlossau zwei Menschen aus ihren Zimmern gerettet." Die Flutwelle hatte das Erdgeschoss komplett unter Wasser gesetzt. Nachdem die Flut abgeklungen ist, setzt eine Welle der Hilfsbereitschaft ein. Viele Freiwillige kommen, um beim Aufräumen zu helfen, Hilfsaktionen, unter anderem auch von den Fränkischen Nachrichten, werden ins Leben gerufen. Über 1500 Einsatzkräfte, auch von der Bundeswehr, sind im Einsatz.

Ärgernis am Rande: Eine ganz besondere Spezies sucht die verwüsteten Dörfer heim: der Katastrophentourist. Je nach Geschlecht, in Pumps oder Lackschuhen, stiefeln sie durch die Gassen. So mancher Schaulustige, der den Helfern im Weg gestanden hat, soll bei der Rückkehr zum Auto oder Bus allerdings nicht mehr ganz so schick gewesen sein, weil er Bekanntschaft mit dem Schlick gemacht hatte.

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