Demos gegen rechts

Protestwelle hält an

Wieder gehen in Deutschland Hunderttausende auf die Straße. In Ludwigshafen findet Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck eindrückliche Worte

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dpa/jei
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Auch in der Region – wie hier in Ludwigshafen – demonstrierten am Wochenende Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus. © Thomas Tröster

Berlin/Rhein-Neckar. Seit Wochen reißen die Proteste gegen Rechtsextremismus in Deutschland nicht ab – auch am Wochenende sind Hunderttausende auf die Straßen gegangen, um ein Zeichen gegen rechts zu setzen. In Berlin versammelten sich nach Polizeiangaben am Samstag mehr als 150 000 Menschen vor dem Reichstagsgebäude, um für Demokratie und Toleranz, gegen rechts, Hass und die AfD zu demonstrieren. Der Veranstalter, ein Bündnis namens Hand in Hand, sprach von 300 000 Teilnehmern.

Nicht nur in der Hauptstadt zog es am Samstag viele Menschen auf die Straßen, sondern auch wieder in der Metropolregion: In Ludwigshafen versammelten sich am Samstagnachmittag nach Veranstalterangaben rund 3000 Menschen auf dem zentralen Berliner Platz. „Wenn dies geschehen würde, wäre Ludwigshafen leer. Wir wären dann kein stolzes Volk mehr, sondern ein armes Land“, sagte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos) bezogen auf die Ausweisungsfantasien der Rechten. „Widerstand gegen diese Pläne muss jeden Tag sein, ob am Arbeitsplatz oder in der Kneipe“, forderte sie. In Speyer kamen bereits am Freitagabend rund 4500 Menschen zusammen, in Ladenburg waren es am Samstag etwa 1300 und in Hockenheim 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

In Dresden kamen nach Veranstalterangaben 30 000 Menschen zu einer Kundgebung unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“. Die Polizei machte keine Angaben zur Teilnehmerzahl. In Freiburg versammelten sich 30 000 Menschen, etwa 25 000 waren es in Augsburg, circa 10 000 in Krefeld. Am Sonntag demonstrierten Menschen zudem in Bremen, Lübeck und Magdeburg.

Scholz sieht „starkes Zeichen“

Auslöser für die Großdemonstrationen ist eine Recherche des Medienhauses Correctiv zu einem Treffen radikaler Rechter im November in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten. Dort hatte der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über das Konzept der sogenannten Remigration gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die zahlreichen Demonstrationen gegen rechts am Wochenende auf der Plattform X (früher Twitter) als „starkes Zeichen“ für die Demokratie und das Grundgesetz.

Die zahlreichen Demonstrationen der vergangenen Wochen könnten nach Einschätzung des Protestforschers Tareq Sydiq in eine langfristige Protestbewegung münden. Zwar sei noch keine klare Zielsetzung zu erkennen – einen Erfolg könnten die Demonstrierenden aber schon jetzt für sich verbuchen: Mit ihrem Zeichen gegen rechts hätten sie einen „gewissen Narrativ-Wechsel“ erzeugt, indem nun nicht ständig über Inhalte der AfD gesprochen werde, „sondern dass man über Rechtsextremismus in der AfD spricht“, sagte Sydiq, der an der Marburger Philipps-Universität arbeitet.

Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland begrüßt die Demos gegen rechts. 55 Prozent gaben das in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Insa für die „Bild am Sonntag“ an. 26 Prozent lehnen sie hingegen ab, 12 Prozent sind die Proteste egal. In der Umfrage wurden die Teilnehmer auch gefragt, ob die Demokratie in Deutschland in Gefahr sei. 61 Prozent der Befragten sehen das so, ein Drittel der Befragten stuft die deutsche Demokratie dagegen nicht als gefährdet ein. dpa/jei

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