Zumutbar – unzumutbar

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kath. Stadtkirche Heidelberg
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In der letzten Woche vor den Osterferien habe ich mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe ein Gedankenspiel gemacht. Alle in der Klasse bekamen zwei Karten. Auf einer stand das Wort zumutbar, auf der anderen unzumutbar. Danach wurden Karten mit Begriffen aufgedeckt und die Schüler bezogen Stellung. Ist, was auf der Karte steht, im Leben zumutbar oder nicht zumutbar?

Bei manchen Begriffen waren alle der gleichen Meinung. Kinder hielt man zum Beispiel einstimmig für zumutbar, auch das Altwerden. Etwas gegen die Klimakrise zu tun, wurde auch für eindeutig zumutbar gehalten. Einig waren sich auch alle, dass Krieg ein unzumutbarer Zustand ist.

Bei anderen Begriffen wurde diskutiert. Die Feindesliebe wurde als große Herausforderung betrachtet und schien einigen eindeutig unmöglich. Und wie kann Gottes Wille zumutbar sein, wenn man doch im Leben frei sein und unabhängig entscheiden will?

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Von
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Und schon waren und sind wir mittendrin im Thema, denn der Glaube und die Ereignisse rund um die Kar- und Ostertage sind eine einzige Zumutung.

Das fängt schon am Aschermittwoch an, der im wahrsten Sinne des Wortes bedeutet, die Stirn zu bieten – für das Aschekreuz. Den Kopf hinzuhalten und mich meinen eigenen Grenzen zu stellen. Am Gründonnerstag geht es darum, die Füße hinzuhalten. Auch nicht so einfach. Schließlich komme ich nicht mit frischen, zarten, unabgelaufenen Füßen, sondern welchen, die voll sind mit dem Staub meines Lebens, die auf Irrwegen gelaufen sind, in Fettnäpfchen getreten, im Dunkeln getappt, verletzt und wund gelaufen.

Und diese Füße soll ich vor anderen entblößen, Jesus hinhalten und sie als Geste seiner Liebe waschen lassen. Diesen Liebesdienst muss man erstmal annehmen und aushalten können. Und gleichzeitig fordert er mich auf, diesen Dienst auch anderen zu tun und nicht zu vergessen, dass auch sie mit Hornhaut, Schwielen und Blasen durchs Leben gehen.

Ostern fordert von Kopf bis Fuß. Ist eben nicht nur Friede, Freude, Eiersuchen. Das zeigt vor allem der sperrige Karfreitag. Eine Zumutung, für viele allein schon dadurch, dass es an diesem stillen Feiertag eigentlich nichts zu feiern gibt. Vor Augen das Kreuz, das Leid, die Ungerechtigkeit, den Schmerz, den Hass und die Gewalt, damals wie heute. Der qualvolle Sterben Gottes am Kreuz – eine Zumutung.

Irgendwann sagte eine Schülerin, dass man auf die Zumutungen doch sowieso keinen Einfluss hätte und was es denn bringe, sich darüber Gedanken zu machen. Man sucht es sich ja schließlich nicht aus, krank zu werden, arbeitslos zu sein oder in einem Land zu leben, in dem plötzlich der Krieg ausbricht.

Damit hat sie natürlich recht. Auf die meisten Zumutungen des Lebens habe ich gar keinen Einfluss. Doch ich kann mich dazu verhalten, muss es sogar: klagen, kämpfen, trauern, hoffen, einen Standpunkt dazu wählen. Von einem Standpunkt aus kann ich die Stirn bieten und in den Widerstand gehen, kann ich der Liebesgeste Jesu vertrauen und, anstatt mit Füßen zu treten: Füße waschen. Von dort aus kann ich es unter dem Kreuz aushalten und dem Tod das Leben entgegensetzen.

Vielleicht ist das eine Antwort darauf, wie ich den Zumutungen der Welt begegnen und wie Ostern werden kann: Mit Mut und voller Hoffnungstrotz.

Olivia Costanzo

Pastoralreferentin,

kath. Stadtkirche Heidelberg

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