Bildung und Ausbildung

Stefan Kempf: „Wir müssen die Attraktivität der Ausbildung wieder vermitteln“

Stefan Kempf, Bildungsberater der IHK Rhein-Neckar, spricht im FN-Interview über den Fachkräftemangel und seine Folgen

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mg/Bild: Maren Gress
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Odenwald-Tauber. Herr Kempf, welche Branchen sind besonders vom Fachkräftemangel betroffen?

Stefan Kempf: Der akute Fachkräftemangel betrifft im Grunde alle Branchen und Unternehmen in der Region. Kleine und große Unternehmen aller Fachrichtungen sind weiter händeringend auf der Suche nach Mitarbeitern mit entsprechenden Fachkenntnissen.

Was sind die Gründe dafür?

Kempf: Diese sind vielfältig: Schon seit Längerem ist es unseren Betrieben nicht mehr möglich, alle offenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Leider herrscht ein eklatantes Desinteresse an der dualen Ausbildung. Diese Fehleinschätzung beruht auch auf der von der Politik und anderen Institutionen verbreiteten Auffassung, dass nur ein möglichst „hoher“ Bildungsabschluss zu einer beruflichen Zukunft führt. Dass dabei Äpfel mit Birnen verglichen werden, fällt dabei komplett unter den Tisch. Ein ausgebildeter Facharbeiter in Deutschland hat nur für seine Berufsausbildung in der Regel drei bis dreieinhalb Jahre investiert und mit einem Abschluss ein wesentlich besseres Bildungsniveau und Fachwissen erreicht als beispielsweise ein ungarischer Ingenieur. Dazu kommt, dass unser Bildungssystem inzwischen absolut durchlässig ist. Darüber hinaus ist es unseren Betrieben im ländlichen Raum nur selten möglich, bereits ausgebildete Facharbeiter aus anderen Regionen Deutschlands zu rekrutieren. Hier ist die vordergründige Attraktivität der Ballungsräume nachteilig. Auch wenn sich dies in der Praxis ganz anders darstellt.

Was können Firmen tun, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken? Was tut die IHK?

Kempf: Die IHK Rhein-Neckar ist schon seit längerem in diesem Thema engagiert. Die Initiative Fachkräftesicherung der IHK Rhein-Neckar vereint viele Unternehmen in den gemeinsamen Anstrengungen, oben genannten Trends entgegen zu wirken. Für die Firmen gibt es viel zu tun: die Attraktivität der Ausbildung muss den jungen Menschen und ihren Eltern wieder vermittelt, die Chance im späteren Berufsleben aufgezeigt werden. Wir dürfen uns nicht auf Unterstützung von „oben“ – dem Land oder dem Bund – verlassen, wir müssen dieses wichtige Thema regional, in der Region gemeinsam angehen.

mg/Bild: Maren Gress

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