Altersvorsorge und finanzielle Absicherung

„Geld breit gestreut anlegen“

Rasant steigende Preise, zunehmende negative Realzinsen. Die FN fragten Niels Nauhauser von der Verbaucherzentrale Baden-Württemberg, wie Familien in schwierigen Zeiten für die Zukunft vorsorgen sollten.

Von 
Gerd Weimer
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Junge © dpa

Odenwald-Tauber. Wie die bessere Anlageform aussieht, davon hat Experte Niels Nauhauser eine ziemliche klare Meinung. Die Riester-Rente gehört auf keinen Fall zu seinen Favoriten.

Im FN-Interview erklärt er, auf was junge Familien bei der Vorsorge achten sollten.

Herr Nauhauser, die derzeitige Inflation frisst Vermögen auf. Welche Strategie würden Sie einer jungen Familie empfehlen, um das Ersparte vor Wertverfall zu schützen?

Niels Nauhauser: Es ist dieselbe Empfehlung, die ich vor fünf, vor zehn oder vor 20 Jahren gegeben hätte. Sie ändert sich nicht. Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass man beim langfristigen Vermögensaufbau mit Zinspapieren, also mit sehr sicheren Anlagen, wozu auch klassische Rentenversicherungen gehören, langfristig noch nie wirklich gut reale Renditen einfahren konnte.

Phasenweise lag die Inflationsrate immer wieder über den Guthabenzinsen. Dann verliert das Geld an Kaufkraft. Bei der derzeitigen Preissteigerungsrate, die teils den zweistelligen Bereich erreicht, und den gleichzeitig niedrigen Sparzinsen ist die Situation aber so ausgeprägt wie nie zuvor: Derart hohe negative Realzinsen gab es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr.

Was bedeutet das?

Nauhauser: Wenn man langfristig reales Vermögen aufbauen will, da bleibt einem gar nichts anderes übrig, muss man sich riskanteren Anlageformen zuwenden. Mehr Risiko bedeutet eben auch eine bessere Chance auf eine höhere Rendite.

Sie empfehlen also den Kauf von Aktien?

Nauhauser: Nicht in Form von Einzelaktien, weil das viel zu riskant ist. Eine breit gestreute Aktienanlage dagegen begrenzt Verlustrisiken. Wer langfristig Vermögen aufbauen und real positive Renditen erzielen möchte, sollte sich daher mit den Chancen und Risiken des Aktienmarkts vertraut machen. Aktien haben über längere Zeit und historisch betrachtet die höchsten Renditen erwirtschaftet – auch inflationsbereinigt.

Auf der anderen Seite gab es zwischendurch immer wieder heftige Kurseinbrüche, die man aussitzen können muss.

Für eine Familie, die den Bau oder Erwerb eines Eigenheims in Betracht zieht und in zwei bis drei Jahren dafür liquide Mittel haben muss, kann trotz der negativen Realverzinsung dennoch eine sichere Anlage bedarfsgerecht sein.

Gemeinhin sagt man, dass Immobilien eine inflationssichere Anlage seien. Allerdings ist es heute angesichts steigender Baukosten und Zinsen für Normalverdiener kaum möglich, ein Eigenheim zu bauen oder zu erwerben. Lässt sich dieses Dilemma auflösen?

Nauhauser: Schwierig. In unserer Beratung fragen wir die jungen Familien immer, ob der Erwerb eines Eigenheims angestrebt wird oder nicht. Je konkreter der Wunsch ist und je näher der Wunsch zeitlich ist, desto schwieriger wird es, in der Geldanlage noch Risiken einzugehen. Wer hier Kalkulationssicherheit haben will, muss die negativen Realzinsen wohl oder übel hinnehmen. Denn niemand weiß, wo der Aktienmarkt in drei bis vier Jahren steht. Die Kurse können sich auch mal wieder halbieren. Wenn Sie aber 30 Jahre Zeit haben, dann können Ihnen die Kursrückgänge zwischendurch relativ egal sein, denn wie gesagt: historisch gesehen war der Aktienmarkt langfristig fast immer die attraktivste Anlageklasse.

Macht denn das Eigenheim auch als Altersvorsorge Sinn?

Nauhauser: Die Anlagenklasse Immobilie war im Schnitt – wenn man die vergangenen 100 Jahre betrachtet, real zwar positiv verzinst, aber im Vergleich zum Aktienmarkt weit niedriger.

Dass eine selbst genutzte Immobilie immer eine besonders rentable Anlageform gewesen ist, das geben die Daten nicht her. Zwar sind in den vergangenen zehn Jahren die Preise stark gestiegen, da lief es für Eigentümer hervorragend. Aber das kann man nicht einfach endlos in die Zukunft projizieren.

Preise können auch sinken…

Nauhauser: Ja, das zeigt ein Blick in die Vergangenheit: so ungewöhnlich war es nicht, dass Immobilienpreise mal zehn oder fünfzehn Jahre auf der Stelle getreten sind oder vielleicht auch hier und da mal real fielen. Für viele Familien ist die Immobilie aber ohnehin keine reine Geldanlage, sondern auch eine Investition in ein Stück Lebensqualität. Das ist natürlich ein gutes Argument für den Immobilienerwerb.

Außerdem ist eine schuldenfreie Immobilie ein solider Baustein in der Altersvorsorge. Aber man sollte das nur angehen, wenn die Finanzierung solide ist. Dafür ist entscheidend, dass man die Rate dauerhaft zahlen können muss, auch wenn die Zinsen weiter steigen.

Die gesetzliche Rente steht angesichts der demografischen Entwicklung vor großen Herausforderungen. Wie schätzen Sie die Lage für heute 30-Jährige ein, die eine Familie gründen wollen oder gegründet haben? Müssen diese Leute einen immer größeren Teil ihres Einkommens in die Vorsorge investieren?

Nauhauser: Nein. Das redet uns die Finanzlobby zwar ständig ein, aber dazu muss es keineswegs kommen. Die gesetzliche Rente unterliegt ja auch der politischen Gestaltungsmöglichkeit. Klar, es wird immer behauptet, dass weniger Beitragszahler mehr Rentner finanzieren müssten. Aber das muss nicht zwingend zu Rentenkürzungen führen. Die Politik hat auch in der Vergangenheit immer wieder eingegriffen, um die Renten zu stabilisieren. Da gibt es viele Stellgrößen. Und als Wähler hat man ja auch ein Wörtchen mitzureden. Versagt hat die Politik in erster Linie bei der Gestaltung der privaten Vorsorge. Der Markt verhindert bedarfsgerechte Lösungen. In erster Linie werden Produkte verkauft, für die Vermittler hohe Provisionen kassieren.

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. © Wolfram Scheible

Gibt es da Beispiele?

Nauhauser: Wir sehen das täglich in unserer Beratung. Nehmen Sie zum Beispiel die fondsgebundene Rentenversicherung, die Berufsstartern gerne in Kombination mit einer Berufsunfähigkeitsrente angeboten wird. Hier kassieren die Vermittler alleine für den Vertragsabschluss gut und gerne mehrere tausend Euro. Alles, was für Provisionen und Abschlusskosten des Versicherers benötigt wird, kann aber nicht für die Altersvorsorge verwendet werden. Neben Vermittler und Versicherer verdient auch noch die Fondsgesellschaft mit, bei der das Geld investiert wird. Das ist eine Kostenkaskade, die dazu führt, dass von der Kapitalmarktrendite aus der Anlage in Aktien und Zinspapieren bestenfalls noch ein Bruchteil beim Anleger ankommt.

Wie sieht eine vernünftige Anlagestrategie aus?

Nauhauser: Eine langfristige Anlagestrategie ist simpel: Man legt das Geld breit gestreut am Aktien- und Rentenmarkt an und minimiert die Kosten. Wie hoch die Aktienquote sein sollte, hängt vom Nervenkostüm des Anlegers ab. Fertig. Mehr ist nicht zu machen. Seit Jahrzehnten propagiert die Forschung nichts anderes.

Umsetzen lässt sich das für den Aktienteil am preiswertesten mit ETFs, die einen weltweiten Index abdecken, zum Beispiel den FTSE All World oder den MSCI AC World. Auf diese Weise kann man an den Erträgen von 3000 bis 4000 Unternehmen weltweit teilhaben. Mehr braucht es nicht. Für den sicheren Teil der Anlage kann man Festgelder und Sparbriefe nehmen. Was man dagegen nicht braucht sind angebliche Profis, die sagen: Jetzt gehen wir mal in Gold, und morgen gehen wir in Aktien, und übermorgen gehen wir raus aus dem Gold und rein in Bitcoins. Das bringt alles nichts. Es kostet unnötig Geld und das reduziert nur die Renditeerwartung.

Betrachten Sie die Riester-Rente als ein geeignetes Instrument, im Alter für ausreichend Wohlstand zu sorgen?

Nauhauser: Nein, die Riester-Rente ist gescheitert, weil die Politik die Rechnung ohne die Anbieter gemacht hat.

Wie meinen Sie das genau?

Nauhauser: Bei der Riester-Rente halten zu viele Parteien die Hand auf. An erster Stelle stehen die Vermittler. Die Riester-Rente wird gegen Provision verkauft, und was in den Verkaufsregalen vorne liegt ist nur das, was viel Provision bringt. Die Produktherausgeber wollen aber auch noch Geld verdienen. Sie erhöhen die Gebühren, wälzen Kosten auf die Kunden ab oder ändern die Anlagestrategie im laufenden Vertrag, um sich bei Kursverlusten schadlos zu halten. Die verkauften Produkte sind daher meist viel zu teuer und die Rendite nur mäßig. Das geht alles zu Lasten der Rentnerinnen und Rentner.

Was müsste der Gesetzgeber ändern?

Nauhauser: Wenn die Politik weiter will, dass die Bürger kapitalgedeckt vorsorgen, sollte sie sich ein Beispiel an den Schweden nehmen. Dort hat man darauf geachtet, dass die Finanzlobby die Privatvorsorge nicht zum eigenen Vorteil ausnutzt. Es gibt einen staatlich organisierten Fonds, in den jeder einzahlt, neben den gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträgen. Das wird nicht einmal besonders gefördert, sondern einfach eingezogen und angelegt – weltweit, breit gestreut und zu minimalen Kosten. Die Sparenden haben dort in den letzten 20 Jahren eine Rendite von elf Prozent eingefahren. In unserer Beratung sehen wir nicht selten Riester-Verträge mit Minus-Renditen wegen der Kosten, und hier und da mal positive Renditen von drei bis vier Prozent. Von elf Prozent kann man hier nur träumen. Die gibt es hierzulande mit der Riester-Rente nicht.

Was würden Sie denn der Politik empfehlen?

Nauhauser: Wir haben schon vor über zehn Jahren gefordert, einen Vorsorgefonds einzuführen nach schwedischem Vorbild. Ein ähnliches Vorhaben stand auch schon zweimal in Koalitionsverträgen unter dem Begriff „Standardprodukt“, auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel. Die Politik kann nicht behaupten, von den Problemen nichts gewusst zu haben. Sie muss sich jetzt nur dafür entscheiden, die Altersvorsorge endlich an den Interessen der Verbraucher auszurichten statt an den Interessen der Anbieter. Die Riester-Rente ist im Moment ein reines Subventionsprogramm für die Finanzlobby.

Da ändern auch die Kinderzulagen nichts?

Nauhauser: Naja, die Kinderzulagen zahlen wir uns doch alle selber. Das ist nur eine Umverteilung. Das macht die Produkte aber nicht besser. Und natürlich kann man mit gutem Grund sagen, man möchte vom Steuerzahler in Richtung von Familien mit Kindern umverteilen, aber dann muss man doch sicherstellen, dass das umverteilte Geld wenigstens vernünftig angelegt wird. Das geschieht im Rahmen der Riester-Rente aber nicht.

Welche Risiken sollten Familien noch absichern?

Nauhauser: In puncto Versicherungsschutz, etwa gegen Berufsunfähigkeit oder Todesfall, sind pauschale Ratschläge unseriös. Da gibt es kein Richtig oder Falsch. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viel Geld man für welchen Versicherungsschutz ausgeben möchte. Den Verkäufern der Produkte sollte man mit gesunder Skepsis begegnen, denn auch hier sind oft Eigeninteressen im Spiel.

Redaktion Reporter Wertheim

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