Odenwald-Tauber. Am 17. März 2020 – ein Dienstag – passierte das, wovon niemand wirklich gedacht hätte, dass es eintreten könnte. Aufgrund der hohen Infektionszahlen durch das Corona-Virus wurden landesweit alle Schulen und Kindergärten geschlossen. Lehrer, Erzieher, Eltern und Kinder standen auf einmal vor einem großen Problem.
Es hat uns aber mit voller Breitseite getroffen."
„Das kam ziemlich plötzlich“, sagt Oberstudiendirektorin Regina Krudewig-Bartel, Schulleiterin des Ganztagsgymnasium Osterburken (GTO) im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit zurück: „Wir hatten noch den Montag Zeit, um das Nötigste zu organisieren“, erläutert sie. Dazu gehörten unter anderem die zahlreichen Bücher, die die Kinder mit nach Hause nehmen mussten. „Es hat uns aber mit voller Breitseite getroffen“, hebt sie die Probleme mit Blick auf die Voraussetzungen zum Online-Unterricht hervor. „Die Verantwortlichen haben die Digitalisierung an den Schulen komplett verschlafen.“
„Immenser Aufwand“
Das war nämlich das zentrale Problem der Schulschließungen während Corona: Die Voraussetzungen waren nicht ideal. „Wir haben selbst nicht die neueste Ausstattung hier im Haus“, sagt Krudewig-Bartel zu den digitalen Endgeräten. Und auch eine Familie mit drei Kindern hatte nicht für alle Schüler einen eigenen Laptop. Durch „immensen Aufwand“ wurden die Geräte nach der Schulschließung zu den Kindern gebracht. Doch das war noch nicht alles: In Sachen Breitbandausbau sei man in Osterburken gut aufgestellt. Doch auf den Dörfern zeichnete sich ein anders Bild. Gerade Schüler im oberen Jagsttal waren zeitweise nicht erreichbar.
Wie macht man denn Onlineunterricht?"
Es wurde nachgesteuert und die Kinder erhielten Laptops mit Kameras, damit die Lehrer ihre Schüler während des Unterrichts sehen konnten – so zumindest der Plan. „Die Verbindung ist zusammengebrochen“, stellt die 63-jährige Lehrerin fest. Dementsprechend hatte nur der Lehrer während des Unterrichts die Kamera an. „Wie macht man denn Onlineunterricht?“, war die Frage der Stunde. „Die Mimik der Schüler ist weg. Sie stellen eine Frage, sehen ihre Schüler nicht und nichts kommt“, schildert Krudewig-Bartel die Situation. Die Lehrkräfte hatten Anfangsschwierigkeiten und waren „überfordert“, so die Schulleiterin. Um Wissenslücken zu schließen, organisierte die Schule einen pädagogischen Tag für die Lehrer, an dem sie in Arbeitsgruppen geschult wurden.
„Onlineunterricht kann Präsenzunterricht in keiner Weise ersetzen“, ist sich die Oberstudiendirektorin sicher. Daher hält sie es auch für „absolut falsch, wenn Schulen noch mal geschlossen werden“, vor allem mit Blick auf steigende Infektionszahlen und einen möglichen Lockdown im Herbst oder Winter. Die handelnden Personen hätten das ebenfalls erkannt, sagt sie.
Was wissen die Schüler?
Ob aufgrund der Pandemie und den Schulschließungen Wissenslücken entstanden seien, lasse sich alleine anhand der Noten nicht sagen, so Krudewig-Bartel. „Es hat sich nicht wesentlich etwas verändert.“ Dennoch müsse man konkret feststellen, was die Schüler wissen, was sie nicht wissen und dahingehend nachbessern. „Es müssen optimale Lernbedingungen für Schüler geschaffen werden“, ist sie sicher. „Wir müssen den Stoff sinnvoll reduzieren, es aber schaffen, dass die Schüler etwas mitnehmen“. Gerade weil das GTO eine Ganztagsschule ist, werde dort extra Lernzeit für Schüler angeboten, die etwas aufzuholen haben. In dieser Zeit ist der Fachlehrer als Aufsichtsperson und Ansprechpartner dabei. Der Vorteil: Der Lehrer kennt seine Schüler und deren Wissenslücken bestens und kann zielgerichtet helfen. Krudewig-Bartel betonte aber: Wenn die Lücken geschlossen seien, müssten die Schüler die Lernzeit nicht mehr in Anspruch nehmen.
Der Kampf um die Eins vor dem Komma im Abitur ist schon interessant.“
Dennoch blickt sie mit Besorgnis in die Zukunft. Man dürfe das Prüfungsniveau nicht immer weiter senken. „Wir müssen uns fragen, was danach kommt“, sagt die Lehrerin und weist auf die Kluft zwischen Abitur und Universitäten hin. „Die Hochschulen kommen uns nicht entgegen“, sagt sie bestimmt. Und genau die seien es, die über das sinkende Niveau klagen – ebenso wie Ausbildungsbetriebe, weil die Schüler beispielsweise im Rechnen Lücken zeigen. „Der Kampf um die Eins vor dem Komma im Abitur ist schon interessant“, stellt sie fest. „Ich habe aber dann Schüler gesehen, die ihr Studium aufgegeben haben, weil der Druck zu hoch war.“
Das wünscht sich Krudewig-Bartel
Fest steht, dass die Pandemie die Probleme an den Schulen wie eine Lupe sichtbar gemacht hat. Umso wichtiger ist es nun, die richtigen Schlüsse zu ziehen und etwas zum Positiven zu verändern. „Die Bedeutung der Schule, was das soziale Miteinander angeht, wurde unterschätzt“, ist sie überzeugt. Die Schule sei nicht nur Wissensvermittlung, sondern „ganzheitlich“ zu sehen. Die Lehrer müssten genug Zeit erhalten, um mit den Kindern zu arbeiten. Dazu gehöre auch, den Lehrerberuf „nicht abzuwerten“, so die Schulleiterin. „Die Lehrerschelte sorgt dafür, dass der Beruf nicht angepackt wird“, ist sie sicher. Das müsse aufhören.
„Wir müssen Geld in die Hand nehmen und die Digitalisierung vorantreiben. Dazu gehört nicht nur, die Geräte anzuschaffen, sondern die Lehrer auch dahingehend auszubilden.“ Man dürfe nicht vor den 17. März 2020 zurück, auch wenn sich das manch einer wünschen würden. Ein Computer oder Tablet dürfe nicht mehr „faszinieren. „Ein Tablet muss so selbstverständlich werden, wie der Füller in der Hand“, so Krudewig Bartel. Allerdings müsse den Schülern erklärt werden, wann es zum Einsatz komme. „Wir müssen den Kindern beibringen: Wann nehme ich den Füller in die Hand und schreibe, wann nehme ich das Buch und lese und wann nutze ich das Tablet als Werkzeug zum Festhalten, als Suchmaschine oder Nachschlageinstrument“, appelliert sie.
Wie wäre es, wenn wir erst einmal ins Jetzt schauen. Jetzt ist die Zeit.“
In einer Art Zukunftswerkstatt werde das Thema „Schule 2035“ aktuell auf Landesebene in den Blickpunkt gerückt, was Schulleiterin Krudewig-Bartel prinzipiell begrüßt. Dennoch: „Wie wäre es, wenn wir erst einmal ins Jetzt schauen. Jetzt ist die Zeit.“
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