Bad Mergentheim. Dass Carlheinz Gräter seiner Heimat in über 100 Büchern facettenreich eine ganze Serie von Lese-Denkmalen gesetzt hat, ist weithin bekannt. Dass er es in wunderbarer Sprache tut, wissen seine Leser zu schätzen: Wie ein gutes Glas Wein - auch diesen würdigt er gekonnt - sollte man seine Texte genießen: Die Sätze klingen, schwingen weit aus, inspirieren. Ein Heimatkenner zeigt sich, ein Kenner der Historie, ein weit gereister Liebhaber der Natur - und ein Sprachliebhaber erster Güte.
Am Samstag verlieh ihm die dem "Verein Deutsche Sprache" angehörende Regionalgruppe 97, die unter dem Namen "Sprachkultur Mainfranken" firmiert, den Sprachbewahrerpreis 2013.
Dass sich so viele Gäste im Roten Saal des Deutschordensschlosses einfinden würden, um an der Verleihung des Preises teilzunehmen, hatte der jetzt geehrte Bad Mergentheimer Autor, Journalist und Historiker nicht erwartet.
Bernhard Sturn, Leiter der Regionalgruppe 97, informierte über den Verein, der neben dem Sprachbewahrerpreis auch eine Negativ-Auszeichnung vergibt: Dass sich die Duden-Redaktion über die Zitronen-Auszeichnung als "Sprachpanscher des Jahres" freut, darf bezweifelt werden. Mit über 5000 aufgeführten Anglizismen entwickelt sich das deutsche Rechtschreib-Nachschlagwerk fast schon zum Englisch-Wörterbuch, kritisiert Sturn, der zur Erheiterung des Publikums etliche Fehlgriffe aufs Korn nahm. So ist etwa der "Shooting Star" bei näherer und englisch-kundiger Betrachtung kein rasanter Aufsteiger, sondern eine schnell verglühende Sternschnuppe, und unter "public viewing" verstehen Briten wie Amerikaner eher öffentliche Aufbahrung und Leichenschau als fröhliches gemeinsames Erleben vor der Großleinwand.
Wo der Duden versagt, ist die deutsche Sprache umso dringlicher angewiesen auf Sprachbewahrer wie Carlheiz Gräter. Jahrgang 1937 ist der Mann, der auf Schusters Rappen und dem Drahtesel nicht nur die hohenlohisch-fränkische Heimat erkundete, sondern auch die Länder rund ums Mittelmeer bereiste. Natürlich hätte die Mainpost den promovierten Historiker und Literaturwissenschaftler gern als Redakteur behalten, aber der "Freigeist durch und durch" (Sturn) machte sich 1972 selbständig, arbeitete fortan frei für Zeitungen, Rundfunk, verdiente mit Vorträgen und Führungen ein Zubrot. Kritisch beäugte er dabei die Entwicklung der Medienlandschaft, die sich nach Gräters Meinung von sachkundiger und tiefgründiger Hintergrundberichterstattung ab- und der seichten "Infotainment"-Produktion zuwendete.
Keineswegs, so Sturn, meide Gräter generell Fremd- und Lehnwörter: auch wenn er weitgehend ohne Anglizismen auskomme, nutze er etwa mythologische Begriffe, schöpfe wie in den "Hohenloher Ratiräten" die "sprachliche Buntheit" aus, fordere mit präziser Sprache Differenziertheit des Denkens ein.
Zu ehren sei, so Christoph Weißer, der Gräter den Sprachbewahrerpreis 2013 überreichte, ein Autor "mit Sprachwitz und feinsinniger Formulierungskunst". Mit sichtlicher Freude zitierte er aus Werken des "vielgeübten Sprachfreunds", der etwa beim Blick über den Kurstadt-Marktplatz schreibt: "Fachwerk trägt einen Hauch Wald in das steinern kühle Geviert"; der in jedem der von Renaissance und Klassizismus, Ordenskultur und bürgerlichem Biedermeier geprägten Bauten Personen erkennt. "Man möchte ihnen Rufnahmen geben," hatte Gräter formuliert - eine Einschätzung, die von Herzen kommt, zu Herzen geht. Gräters Dankesrede "Anmerkungen eines Sprachliebhabers": Ein fein geschliffenes Stück Sprach- und Gesellschaftskritik. "Wenn ich durch die Vaterstadt gehe, wird vom 'Äktiv Center' mit seinen 'Muvis' über 'Kids Days", wohl Kindertage, bis hin zum 'Härkiller' ... der Gallenfluss nachhaltig befördert. Mergentheim war ja einmal d a s Stoffwechselbad der Republik." Gräters Zorn gilt pseudofeministischen Sprachbeulen wie "Herr Professorin" und Linguisten, die es mit dem Duden halten: "Sie registrieren nur noch. Wertfrei." Statt dessen empfiehlt Gräter den Blick zurück - den auf die Lutherbibel etwa, mit der die Achtung vor der deutschen Sprache begann und in deren Gefolge "sich binnen einer Generation um 1800 unsere Kultursprache entwickelt" hat. Gräter achtet die Gestaltungskraft der Sprache: "Das Deutsch der Goethezeit schuf einen sprachlichen Kontinent für sich, zwischen dem Elsaß und dem Baltikum, zwischen Schleswig und Südtirol und strahlte für ein gutes Jahrhundert weit aus in den Südosten Europas."
Gräter kritisiert "Angeber-Anglizismen", das "Hohlformel-Deutsch der Ämter und Verbände, der Politik und der Wirtschaft", die Heimsuchungen medialer Sprachmuster: "Das frisst sich, das ätzt sich in unseren Alltag ein", wirft er "blähsüchtig papierblassen" Verlautbarungen vor, und warnt: "Die Sprache wirkt an uns und in uns."
Wunderbar umrahmte der Gesangverein Sängerkranz Harmonie 1858 Bad Mergentheim unter der Leitung von Claudiu Muresan die Preisverleihung. Kleine sprachliche und musikalische Preziosen hatte er ausgewählt, Wilhelm Busch etwa und Eichendorff - besser lässt sich das Thema Sprachbewahrung chorisch kaum fassen.
Verein Deutsche Sprache
Verliehen wurde der Sprachbewahrerpreis 2013 von der "Sprachkultur Mainfranken".
Als Regionalgruppe 97 gehört sie dem "Verein Deutsche Sprache" an.
Gegründet wurde der Verein, der sich der Pflege der Sprachkultur verschrieben hat, 1997.
Die fünf Gründer überzeugten inzwischen 36 000 Mitglieder in 120 Ländern, kritisieren irreführenden, taktlosen und dummen Sprachmischmasch.
Pünktlich zum 2001 eingeführten "Tag der deutschen Sprache" am 14. September zeichnet der Verein Sprachbewahrer aus. ibra
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-feinsinniger-freigeist-und-sprachfreund-_arid,507661.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html