Landläufig herrscht die Meinung noch vor, dass ältere Menschen, die im Heim leben, gut versorgt sind und es für alle eine gute Lösung darstellt, denn die Pflegenden müssten sich nicht mehr so oft mit dem Alltäglichen beschäftigen, denn das übernehme ja das Heim. Immer, wenn so eine Meinung geäußert wird muss ich an eine Freundin meiner Mutter denken, die mir einmal sagte: “Wenn die Alten im Heim sind, hast Du noch mehr Arbeit als zuvor.“ Was sie damit wohl meinte?
Die Erkenntnisse einer pflegenden Angehörigen - Frau G. erläutert ihre Sicht der Dinge
Was genau es bedeutet, einen nahen Verwandten im Pflegeheim zu haben, konnte ich dann selbst am Beispiel meiner Mutter erfahren. Vor allem muss ich der Freundin meiner Mutter Recht geben. Ich war bei weitem nicht relaxt, nachdem sie im Heim war – eher noch angespannter. Vor allem, da sie sehr betreuungsintensiv im letzten Stadium der Demenz war und zudem noch an einer Netzhautablösung litt, die es ihr nicht erlaubte alles um sich herum zu sehen. D.h. Essen, Ankleiden oder irgendeine andere Tätigkeit war selbständig nicht mehr möglich. Aber hier alleine aufs Personal eines Pflegeheims zu bauen, ist keine gute Strategie.
Das Personal
Das Personal hat schon alles Mögliche versucht und das Beste gegeben. Sie waren aber eindeutig überfordert, da es zu wenig Personal gab. Zudem hatten sie einen enormen Dokumentationsaufwand, der zur damaligen Zeit (vor 5 Jahren), immer noch per Hand und Papier bewältigt wurde. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man so einige Prozesse digitalisieren oder generell vereinfachen könnte (wenn man es denn wollte) aber inwieweit das heute gemacht wird kann ich nicht beurteilen. Ich kann mir vorstellen, dass die Situation auch für das Personal sehr frustrierend war und immer noch ist, denn eine richtige Beschäftigung mit den Menschen konnte aufgrund des chronischen Zeitmangels kaum erfolgen. Die zu betreuenden Fälle waren unterschiedlich schwer, doch es gab kaum Menschen, die noch fit waren und ein eigenständiges Leben führen konnten. Fast alle waren in irgendeiner Weise auf Hilfe angewiesen. Zudem war das Personal bunt gemischt, mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und verschiedenen Ausbildungslevels.
Ein weiteres Problem gab es mit den Heimbewohner*Innen, die einen Krankenhauskeim hatten, denn jedes Mal, wenn sie klingelten, musste das Personal spezielle Schutzkleidung anziehen und gewisse Hygienemaßnahmen befolgen, die sehr zeitaufwendig sind. Es gab damals nur ein Heim in Mannheim, das Neuzugänge auf den ‚Krankenhauskeim‘ getestet hatte. Das ist kein teurer oder komplizierter Test, aber somit hat sich die Heimleitung schon mal diese Problematik nicht ins Haus geholt.
Die Leitung
Die Leitungspositionen vieler Pflegeheime sind von einer enorm hohen Fluktuation heimgesucht. D.h. ständig gibt es Personalwechsel im oberen Managementlevel und jeder hat seine eigene Handschrift. Etwas weniger fluktuativ geht es oft in Eigentümer-geführten Heimen zu. Aber gerade Häuser, die an irgendwelche Dachorganisationen angeschlossen sind, müssen sich oft den Herausforderungen stellen, dass sie mal wieder eine neue Geschäftsleitung suchen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Jobs auch nicht immer so befriedigend sind. Sei es, dass man ständig wechselnden Anforderungen seitens des Gesetzgebers begegnen muss, das Haus unter Zeit- und Personalmangel leidet und das bei ständig wachsender Bürokratie und nicht allzu guter Bezahlung. Doch bei allem Verständnis – wir bezahlen für einen Heimaufenthalt eine ziemliche Stange Geld und da kann man schon eine gewisse Leistung erwarten und einfordern. Besonders da die meisten, die in einem Pflegeheim sind, den Pflegegrad 3, 4 oder gar 5 haben. Oftmals müssen die Angehörigen auch noch zuzahlen.
Die Verpflegung und das Entertainment
Beim Essen scheiden sich immer die Geister. Dem einen schmeckts, dem anderen überhaupt nicht. Meine Mutter konnte auch nicht mehr richtig kauen (was bei vielen älteren Menschen der Fall ist) und ich habe oft ihre Lieblingsessen gemacht, hingebracht und gefüttert, da sie sehr lange fürs Essen gebraucht hat. Also, auch hier war das Heim keine Erleichterung für mich – eher noch eine zusätzliche Belastung, da ich ja immer hinfahren musste. Dann gingen wir immer noch spazieren (sie im Rollstuhl und ich habe ihn geschoben). Das Ganze hat natürlich wahnsinnig viel Zeit gekostet. Auch wenn sie mal nicht einschlafen konnte und ich bat, dass man ihr Baldrian gibt, durfte das Personal das ohne ärztliche Anweisung nicht machen. Also musste ich wieder hin, um ihr Baldrian oder Johanniskrautdragees zu geben. Auch an den Zusammenkünften und Unterhaltungsangeboten des Heims konnte sie so nicht mehr teilnehmen, aber einen Ausgleich dazu gab es auch nicht.
Kein W-LAN oder gar Netzabdeckung
Ich hätte mich ja mit all dem arrangiert, wenn ich denn nebenher hätte arbeiten können. Dazu hätte es wenigstens ein Netz gebraucht aber offensichtlich durch den Bau (es war mitten in Mannheim) gab es kein Netz auf dem Stock, wo meine Mutter war. Ich war schon immer selbständig und ich hätte mich irgendwie durchwurschteln können, wenn ich wenigstens Internetzugang gehabt hätte. Aber auch das war nicht möglich und bei der Heimleitung stieß ich auf taube Ohren. Die Zeit, die ich bei ihr sein durfte war zwar schön, weil ich bei ihr war aber hat mich leider auch eine ziemliche Stange Geld und Nerven gekostet.
Kurzum: es geht in diesem Beitrag nicht um irgendeine Schuldzuweisung, sondern um einen Erfahrungsbericht. Ich kann nur sagen, dass eine Heimunterbringung keineswegs immer die beste Lösung ist. Sie kann es sein, muss aber nicht (hängt vom Pflegeaufwand ab und von der Persönlichkeit des Betroffenen). Es hängt aber auch vom Träger des Heims ab. Ich muss an dieser Stelle auch erwähnen, dass ein christlicher Träger im Allgemeinen ein wenig mehr ‚menschelt‘ in der Unterbringung oder der Art, wie man mit den Menschen umgeht. Dabei ist es egal, ob der Heimbewohner gläubig oder religiös ist. Die Einstellung ist eine andere und das merkt man. Ich würde einiges heute anders machen, ja, aber auch ich hatte keine ‚Glaskugel‘, in die ich schauen konnte und ich war persönlich schon ziemlich am Ende und es war der einzige Ausweg, den ich damals zu diesem Zeitpunkt sah.
Im nächsten Beitrag führe ich ein wenig aus, welche Kriterien man bei einer Heimwahl anwenden kann.
In diesem Sinne – Bleiben Sie gesund und bis nächste Woche!
Ihre Waltraud Gehrig
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