FN-Serie Heimat - Die Ursprünge des Königheimer "Nationalgebäcks" reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück

Zum Festtag darf die Hippe nicht fehlen

Von 
Diana Seufert
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Zum Festtag darf in der Familie von Christel Uihlein die Hippe nicht fehlen. Unterstützung bei der Herstellung der knusprigen Rollen hat sie nicht nur von ihrem Enkel Nils.

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Königheim. Sie sind knusprig-zart, kross und einfach köstlich: Hippen. In Königheim kennt die braunen Teigröllchen jedes Kind. Nur außerhalb des Ortes werden sie eher selten gebacken.

Im Haus von Christel Uihlein und ihrer Tochter Iris duftet es verführerisch. Nach Zimt, Nelken und Muskat - und nach frischem Gebäck. Der Geruch erinnert ein bisschen an Weihnachten. Obwohl "erst" April ist. Christel Uihlein backt gerade Hippen.

Das Königheimer "Nationalgebäck" steht auch bei ihr auf der Liste gerne gegessener Köstlichkeiten. "Vor allem die Enkel freuen sich, wenn es Hippen gibt", erzählt sie lächelnd.

Vor sich hat sie eine große Schüssel mit Teig stehen und ein passendes Hörncheneisen. "Ohne das geht es nicht", weiß sie aus Erfahrung. Denn wer Hippen mit einem klassischen Waffeleisen versucht, wird scheitern. Immer nur ein Löffel der sehr flüssigen Teigmasse wird auf das heiße Metall gegeben, bevor das Eisen verschlossen wird. Nach gut einer Minute ist der Teigfladen richtig gebräunt.

Jetzt sind die Enkel Nils und Svea dran. Das noch heiße runde Küchlein wird um eine kurze Holzstange "gedreht" und so in Form gebracht, dass eine hohle Röhre entsteht. "Das muss ganz schnell gehen", erzählt der 14-jährige Nils, während er den Teig sachte wieder von der Stange fallenlässt. Denn in wenigen Sekunden ist die Rolle bereits erkaltet und darf auf dem Brett ihren verführerischen Duft verströmen.

"Behend rollen"

Über die Herkunft der Hippe gibt es nur wenig Informationen. Dass der süße, pfannkuchenähnliche Teig bereits im 18. Jahrhundert mit heißen Zangen auf dem offenen Herdfeuer in Königheim knusprig braun ausgebacken und "behend über ein rundes Holz gerollt" worden ist, findet sich bereits im Heimatbuch des Ortes. Dieses langstielige Hippeneisen zierte auf der einen Seite ein Wappen, auf der anderen eine Blumenvase mit Tulpen.

Die Hippe durfte und darf auch heute noch in Königheim bei keinem großen Fest fehlen. Ob Hochzeit oder runder Geburtstag, ob Kommunion oder Primizfeier: Ohne das runde Knuspergebäck ging nichts. Zum Dessert wurden die Röllchen gereicht, zu Eis oder roter Grütze. "Oder einfach zum Wein", erinnert sich Christel Uihlein. Und wenn sie den Jugendlichen bei der Gruppenstunde eine Freude bereiten wollte, gab sie ihrer Tochter Iris früher einfach eine Dose Hippen zu den Treffen mit. Iris Uihlein hat als Kind nicht nur bei ihrer Mutter und Großmutter beim Rollen geholfen, sondern war auch bei Freunden gerne dabei, wenn dort das leckere Gebäck hergestellt worden war.

Dafür stand die Königheimer Hausfrau allein oder in netter Runde mit anderen Frauen schon mal stundenlang in der Küche. "Wenn man die Mengenangaben im Rezept meiner Schwiegermutter nimmt, braucht man zum Ausbacken der Hippen mehr als drei Stunden. Und das mit einem modernen Eisen", betont die 68-Jährige.

Mit einer Zange habe man im letzten Jahrhundert wohl noch länger am Herd gestanden. Das Resultat: Rund 300 der kleinen Naschwerke. Aber sie nennt auch gleich den Vorteil der Waffelart: Sie sind einfach gut lagerbar.

Lange haltbar

In einer luftdicht verschlossenen Blechdose sei die Hippe auch nach drei Monaten noch so knusprig wie kurz nach dem Backen. Also habe man große Mengen des Gebäcks gut auf Vorrat zubereiten können. Liegt die Hippe an der Luft, wird sie allerdings zäh.

Warum die Hippe das Königheimer Nationalgebäck wurde, ist nicht bekannt. Die gebürtige Hardheimerin kennt die leckere Rolle auch erst seit ihrer Heirat und damit nach dem Umzug nach Königheim. Doch einige Jahrzehnte hat Christel Uihlein warten müssen, bis die Schwiegermutter ihr die Rezeptur verraten habe. "Da hat jeder seine eigene Kreation, die man nicht so gerne herausgibt", meint sie verschmitzt über dieses Familiengeheimnis. Christel Uihlein hat dafür die Zuckerhörnchen, ein typisch Hardheimer Hefeteig-Gebäck, nach Königheim gebracht.

Die Königheimer Hippen sind für die Uihleins etwas ganz Besonderes. Als Belohnung für ihren eifrigen Einsatz dürfen sich Nils und Svea eine Hippe gönnen, während der Rest schon gut verschlossen in der Dose ruht. "Gegessen sind sie schnell, aber es dauert schon ziemlich lange, bis sie alle gemacht sind", meint der Schüler zu seinem Werk. Und auch Bäckerin Christel Uihlein beißt genießerisch in das verführerische Röllchen.

Redaktion Hauptsächlich für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim im Einsatz

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