Assamstadt. November – mit seinen Gedenktagen Allerleiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag, mit seinen neblig-trüben Tagen und der früh hereinbrechenden Dunkelheit bietet dieser Monat Raum zum Innehalten, zum Reflektieren. Die Natur kommt zur Ruhe, das Leben verlagert sich von draußen nach drinnen – die passende Zeit, übers eigene Lebensende nachzudenken. Ein sehr emotionales Thema, das gern verdrängt und vor sich hergeschoben wird, ein Thema, dem in der Gesellschaft wenig Platz eingeräumt wird, es vielmehr in der Tabuzone steckt. Solange zumindest, bis jeder zwangsläufig damit konfrontiert wird. Die aus Assamstadt stammende, inzwischen bei Sonthofen lebende Ronja Walch ist überzeugt, dass man Sterben und Trauer nicht aus dem Leben heraushalten könne, und bietet infolgedessen mit ihrem Abschieds- und Arbeitsbuch „Goodbye – Damit es ein gutes Bye wird“ Hilfe.
Kein Buch mit voll gedruckten Seiten
Wer nun glaubt, es handle sich um ein Buch mit voll gedruckten Seiten von vorn bis hinten, geht fehl. Natürlich gibt es das. Es gibt aber auch viele leere Zeilen, die es zu füllen gilt, etwa nach Impulsen wie „Prägende Personen“ oder Aufforderungen wie „Abonnements“, wo es ganz pragmatisch um Anbieter, Benutzernamen und Passwörter geht. Eindeutig ein Arbeitsbuch.
Die Wirtschaftspsychologin, die sich Berufs wegen mit tiefgreifenden Themen und Gefühlen beschäftigte, wurde vom Tod ihrer längsten, guten Freundin, die schwer erkrankte, knallhart mit dieser Thematik konfrontiert. „Sie hat das alles gut und anders hinbekommen“, erinnert sie sich im FN-Gespräch. Beeindruckend und von emotionaler Stärke habe diese ihren Abschied vorbereitet, Wegbegleiter integriert, sei selbst als Person im Mittelpunkt gestanden, so dass man sich von ihr habe verabschieden und der Trauer Raum geben können. Dieses Miterleben habe die 34-Jährige mental stark berührt. Zudem fühle sie sich „gar nimmer so jung“, sei seit der Geburt ihrer Tochter vor rund vier Jahren nicht mehr so unbeschwert. „Man hat Verantwortung und bedenkt, was alles passieren kann“, bekennt die leidenschaftliche Bergwanderin und erinnert sich an zittrige Knie vor Eisfeldern, über die sie vor Jahren noch unbeschwert gegangen sei. Emotionen beeinflussten das ganze Leben, wobei jede ihr Gutes habe. Auch Angst und Trauer, beide oftmals negativ wahrgenommen, mahne Erstere zu Vorsicht und Trauer zeige auf, wie viel Liebe man erhalten habe, woraus man wiederum Kraft schöpfe.
So geschehen beim Tod der Freundin aus der Heimat, der die Kraft sowie den letzten Anstoß des schon lang schlummernden Vorhabens, ein Abschiedsbuch zu verfassen, nach sich gezogen habe. Zwar gebe es reichlich Checklisten im Internet und jede Menge Literatur, die sich hingegen mit einer gewissen Distanz betrachten ließen, so dass es dem Leser erspart bliebe, emotional in den eigenen Abschied einzutauchen. Ihr Werk sei daher kein Buch, das man lese und ins Regal stelle. Vielmehr handle es sich um ein Buch, das man gestalte, mit dem man arbeite, das Schritt für Schritt durch die Themen am Lebensende geleite und somit zu einem ganz persönlichen Abschiedsbuch für die Hinterbliebenen werde. Ein jeder schaffe sein individuelles Exemplar, keines gleiche dem andern. Dies vor dem Hintergrund, dass jeder Mensch ein Individuum sei.
Beim Aufbau des Buches komme ein Modell zum Tragen, das sie bereits seit dem Studium begleite und in das für viele schwere, triste Thema Farbe bringe, nämlich gelb, blau, grün und rot. Die im Modell den Persönlichkeitstypen zugeordneten Farben habe sie für ihr Buch adaptiert, um die inneren Bedürfnisse nachvollziehbar darzustellen. Selbstredend integriere jeder auch Persönlichkeitsanteile der jeweils anderen Typen in sich, keiner sei nur blau oder nur rot. Dennoch spräche je nach Charakter das ein oder andere Kapitel einen mehr an. „Wer blau ist, hat ein Testament“, beschreibt sie diesen Typ Mensch, womit wir mitten in der bunten Auseinandersetzung angekommen, mit dem sonnigen Gelb für „Persönliche Beziehungen“ starten, wo sich alles rund um die Person selbst in all ihren Lebensphasen drehe.
Als zugewandter, inspirierender, leidenschaftlicher Mensch ist der gelbe Typ intuitiv, was bedeute, hier reflektiere man, welche Personen einen geprägt haben, welche in den unterschiedlichen Lebensabschnitten bedeutsam gewesen seien und letztendlich, wer am Lebensende organisatorische Aufgaben wahrnehmen könne. Oftmals habe man heutzutage mehrere Lebensmittelpunkte etwa durch Ausbildung, Studium oder Auslandsaufenthalte. Menschen, die mit diesen Lebensphasen in Verbindung stehen, könne man in diesem Kapitel festhalten.
Blau stehe für den strukturierten Zeitgenossen, der auf alle Eventualitäten vorbereitet sei. Sein Rucksack sei für Schneeeinbruch und Hitzewelle gleichermaßen gewappnet, schmunzelt die Wahl-Allgäuerin. Analytisch, präzise widme man sich hier Testament, Versicherungen, Konten und, mittlerweile wichtig, dem digitalen Nachlass. Explizit könne man Kontaktdaten eintragen, so dass die Hinterbliebenen wüssten, welche Apps und Zugänge zu kündigen seien.
Das grüne Kapitel, betitelt mit „Der letzte Auftritt“, regelt alles rund um die Bestattung. Man solle sich nicht erst im Krankheitsfall mit dem „Wie“ der Bestattungsform, dem Ort oder schlichtweg der Atmosphäre auseinandersetzen. „Meine Freundin hatte eine nicht so schwere Liedauswahl für ihre Trauerfeier getroffen“, erinnert sie sich und betont, dass der Verstorbene im Mittelpunkt stehen solle, man sich mithin fragen müsse: „Was entspricht mir?“ Sei es ein Lied, das man gern gesungen habe oder hege man Wünsche den Leichenschmaus betreffend. Weg von jeglicher Konvention dürfe der dem Herzhaften Zugewandte über „a g‘scheite Wurstplatt‘n“ nachdenken, ermuntert sie in unüberhörbarem Allgäuer Zungenschlag. Schlussendlich wolle sie erreichen, dass man sich Gedanken macht. Und derer gebe es viele.
Rotes Kapitel am emotionalsten behaftet
Am emotionalsten behaftet sei das rote Kapitel, die „Herzmomente“. Hier hinterlasse man persönliche Botschaften wie Briefe, Fotos, Erinnerungsstücke wie Muscheln vom Familienurlaub, die von der Oma gestrickten Socken und dergleichen. Dinge, die in Bezug zum Urheber stehen. Die junge Mutter selbst hat einen Brief an ihre Tochter geschrieben, den diese lesen dürfe, wenn sie ihr ersten Kind bekomme. Der Fantasie seien keine Grenzen gesetzt. Der emotionale Mehrwert helfe beim Trauern, das nicht nur „schlimm und schwarz daherkommt.“ Der bunte Farbenkreis rundet sich mit Gelb. Hier begegne man bewusst im Gespräch mit anderen dem Verstorbenen, biete diesem Platz. Überhaupt sei es wichtig, Emotionen zuzulassen, nicht gegen sie anzukämpfen, vielmehr damit im Frieden zu sein, auch mit der Trauer. Das gelte ebenso für Kinder. Walch appelliert, die Verantwortung nicht den Hinterbliebenen aufzuerlegen. Sätze wie: „Macht, was ihr wollt, ich bekomme es nimmer mit“, seien Ausdruck solchen Verhaltens. Die Tatsache, dass 2024 laut einer Studie nur rund 50 Prozent der über 65-Jährigen und nur elf Prozent der unter 50-Jährigen ein Testament hatten, zeige, wie das Thema weggeschoben werde, wobei das Testament nur ein kleiner Teil dieses Komplexes sei.
Zielgruppe für ihr Buch seien besonders Menschen in der Lebensmitte mit Eltern und erwachsenen Kindern, die somit den Generationen das Thema nahebringen könnten. „Goodbye – Damit es ein gutes Bye wird“ kann online bestellt werden, umfasst 200 Seiten, wird mit hochwertigem Papier sowie handwerklicher offener Fadenbindung in einer Allgäuer Druckerei gefertigt. Man hinterlässt damit nicht nur wertvolle Inhalte, vielmehr gleichzeitig ein greifbares, kostbares Werk. Vorbestellungen und weitere Infos unter: www.entspannt-sterben.de
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