Hannover/Bonn. Dass die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland Jahr für Jahr Mitglieder verlieren, scheint fast unabwendbar. Auch 2016 sank die Zahl der Katholiken und Protestanten in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um etwas mehr als eine halbe Million auf nun rund 45,5 Millionen. Der Mitgliederschwund lasse sich vor allem mit dem demografischen Wandel erklären, teilten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) gestern mit - so starben im vergangenen Jahr allein 340 000 evangelische Christen.
Die Zahl der zur EKD gehörenden Protestanten sank auf 21,92 Millionen (minus 350 000), die Zahl der Katholiken ging auf 23,58 Millionen (minus 180 000) zurück. Damit gehörten der Statistik zufolge 55 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einer der beiden großen Kirchen an. Im Jahr 2005 waren es noch mehr als 62 Prozent gewesen.
Mehr Taufen
Die Dynamik der Kirchenaustritte verlangsamte sich. 2016 kehrten etwa 162 000 Menschen der katholischen Kirche und rund 190 000 Menschen der evangelischen Kirche den Rücken. In den Jahren zuvor war es unter anderem wegen Skandalen um Missbrauch und Geldverschwendung zu Austrittswellen gekommen.
Die Kirchen betonten gestern die positiven Seiten der Entwicklung. So nahm die Zahl der Taufen leicht zu, bei den Katholiken um etwa 4300 auf 171 500, bei den Protestanten um rund 1600 auf 180 000. Der Sekretär der Katholischen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, sagte: "Wir werden weniger, aber wir verlieren nicht unsere Aufgabe und unsere Anliegen. Menschen, Gesellschaft, Staat brauchen die Kirche."
Die EKD betonte wiederum, dass die etwa 1,1 Millionen evangelisch gebundenen Ehrenamtlichen auch außerhalb der Kirche seit vielen Jahren überdurchschnittlich engagiert seien.
Der Religionssoziologe Detlef Pollack sieht als Ursache des Mitgliederschwundes tiefer wurzelnde Probleme als Ärger über die Kirchensteuer oder Affären. "Der entscheidende Punkt ist, dass Eltern ihre Kinder heute viel weniger religiös erziehen und taufen lassen", sagte der Professor an der Universität Münster. Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sprach von einem schleichenden Auszug aus der Kirche. Es gelte jetzt, die Werte für ein christliches Leben "in einem zeitgemäßen Sinne" weiterzugeben und endlich Pfarreizusammenlegungen und -schließungen zu stoppen.
Hohe Zahl an Todesfällen
Die evangelische Kirche in Mannheim verzeichnete im Vorjahr 75 Eintritte, 700 Taufen und 741 Austritte; in Heidelberg waren es 51 Eintritte und 393 Taufen bei 424 Austritten, im Kraichgau 41 Eintritte und 428 Taufen bei 310 Austritten und im Kirchenbezirk Südliche Kurpfalz 86 Eintritte und 605 Taufen bei 716 Austritten.
Das Dekanat der katholischen Kirche in Mannheim meldet 32 Ein- und 900 Austritte, in Heidelberg sind es 20 Ein- und 720 Austritte, im Kraichgau neun Ein- und 245 Austritte und im Dekanat Wiesloch 21 Ein- und 710 Austritte - der Begriff "Austritte" umfasst dabei auch die Todesfälle.
Das katholische Dekanat Bergstraße West, das zum Bistum Mainz gehört, zu dem neben Viernheim auch Lampertheim, Bürstadt und Biblis zählen, hatte im vergangenen Jahr 309 Austritte bei drei Eintritten und sieben Wiederaufnahmen in die katholische Kirche.
Wegzug der Bevölkerung
Bei der evangelischen Kirche verteilen sich die südhessischen Gemeinden auf die Dekanate Ried und Bergstraße: zum Dekanat Bergstraße gehört Viernheim. In diesem Dekanat gab es 661 Austritte und 127 Aufnahmen in die Kirche inklusive Erwachsenentaufen. Im Dekanat Ried standen 318 Austritte 52 Eintritten gegenüber. Das Dekanat Ried wird Ende 2018 aufgelöst und zum Teil im Dekanat Bergstraße aufgehen.
Das Dekanat Tauberbischofsheim nennt 56 Taufen, vier Eintritte und keine Austritte - dabei aber dennoch 575 Katholiken weniger durch Todesfälle; im Dekanat Mosbach-Buchen sind es 33 Taufen, neun Eintritte und sieben Austritte bei einem Rückgang um 995 Katholiken.
Eine ähnliche Entwicklung verzeichnen auch die Dekanate Bad Mergentheim und Hohenlohe. So sank die Zahl der Mitglieder in Bad Mergentheim um 178, obwohl es sieben Ein- und nur zwei Austritte gab. In Hohenlohe sank die Zahl der Katholiken um 69 Personen bei 32 Aus- und zwei Eintritten. Allerdings sank dort einzig auch die Zahl der Taufen - ein Anzeichen für den Wegzug junger Familien. dpa/stp/bur/cb
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