Handwerk

Wie Maurermeisterin Julia Schäfer auf Instagram und TikTok ihren Job feiert

Von 
Alexander Jungert
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Maurermeisterin Julia Schäfer will mehr Frauen für das Handwerk und die Arbeit auf dem Bau begeistern. © Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V.

Mannheim/Kraichtal. Die Baustelle ist ihre Bühne. In Arbeitsklamotten tanzt Julia Schäfer zu „I’ll be missing you“ von Puff Daddy. Titel des Videos: „Wenn der Baustellenohrwurm zum Feierabend kickt“. Schäfer, 28 Jahre alt, ist Maurermeisterin zwischen Baustelle und TikTok.

Regelmäßig sind mehr als 380 000 Follower („Anhänger“) auf der Videoplattform dabei, wenn sie mithilfe eines Minikrans eine Mauer setzt oder mit dem Justierboy eine Mörtelschicht anlegt. Sich selbst beschreibt Schäfer als „Maurermeisterin und Clown“.

Seit etwa einem Jahr ist die Handwerkerin aus Kraichtal (Landkreis Karlsruhe) auf TikTok und Instagram unterwegs. „Ich will den Mädels und Jungs einfach zeigen, wie die Arbeit am Bau konkret abläuft, und dass es unglaublich spannende Aufgaben gibt“, erklärt sie. Das elterliche Unternehmen mit rund 20 Beschäftigten, in das sie vor ein paar Jahren eingestiegen ist, baut hauptsächlich Wohnhäuser, Gewerbehallen und öffentliche Gebäude. Auftraggeber sitzen auch in der Rhein-Neckar-Region.

Leidenschaft und Freude

Wann immer möglich, nimmt sich Schäfer Zeit, um auf Fragen und auch kritische Kommentare in den sozialen Netzwerken zu antworten. „Ein Vorbild für junge Frauen? Ja, das bin ich vielleicht. Gerade für technikaffine Mädchen ist es wichtig, zu sehen, dass auch wir Frauen am Bau erfolgreich sind.“ Schäfer will ihre Aktivitäten noch weiter ausbauen, ihr Youtube-Kanal soll Ende Mai starten. Die Inhalte sind noch geheim, nur so viel: „Wild“ soll es werden. „Ich bin mit Herzblut Maurerin und möchte meine Leidenschaft anderen jungen Menschen vermitteln. Es wäre außerdem super, wenn sich mehr Mädchen für die Bauberufe begeisterten.“

Maurermeisterinnen lassen sich in Nordbaden an einer Hand abzählen. Wer sich die zahlreichen Fotos und Videos anschaut, merkt schnell: Schäfer geht ihrer Arbeit mit Leidenschaft und Freude nach. Obwohl sie in einem Familienunternehmen aufgewachsen ist, war ihr beruflicher Weg alles andere als vorgezeichnet. Nach dem Hauptschulabschluss machte sie an einer Berufsfachschule mit wirtschaftlichem Schwerpunkt ihre Mittlere Reife und legte schließlich das Wirtschaftsabitur ab.

„Eigentlich wollte ich danach Bauingenieurin werden. Aber meine Mutter meinte, ich soll erst mal eine Büroausbildung abschließen. Doch den ganzen Tag Schreibtischarbeit, das war nicht mein Ding“, erzählt Schäfer. „Ich hab’ dann nebenher viel draußen auf unseren Baustellen gejobbt. Und schnell war mir klar: Ich will Maurerin werden.“ Also folgte eine Maurer-Ausbildung im elterlichen Betrieb, danach der Gesellenabschluss und die Qualifikation als Meisterin.

Dass sie in einem Beruf tätig ist, der immer noch überwiegend von Männern geprägt ist, macht ihr nach eigenen Angaben keine Probleme. Wichtig sei, mit dem nötigen Selbstbewusstsein aufzutreten, sagt die 28-Jährige. Die Erfahrung lehrt: Sobald die Kollegen sehen, was man draufhat, und dass man an sich glaubt, wird man schnell als gleichberechtigt akzeptiert.

Gegen klassische Rollenbilder

Mehr junge Frauen für eine Ausbildung in den Bauberufen gewinnen - das könnte aus Schäfers Sicht gegen den Fachkräftemangel helfen. Zu oft seien noch klassische Rollenbilder im Spiel. Eine „wahre Frau“ müsse weder studieren - noch einen Bürojob ausüben. Auch Unternehmen müssten grundsätzlich offener sein für Frauen auf dem Bau. Schäfer jedenfalls findet es „toll“, Maurerin zu sein. „Einfach, weil man erleben kann, wie aus dem Nichts in wenigen Monaten ein komplettes Bauwerk entsteht - auch dank meiner Arbeit. Das ist der Wahnsinn.“

Den Betrieb ihrer Eltern würde Schäfer eines Tages gerne übernehmen. Wenn die Maurermeisterin frei hat, backt sie gerne, zeichnet, dreht eine Runde auf dem Motorrad. Oder sie packt ihre Hunde ins Auto und fährt mit ihnen aufs Feld zum Spazierengehen. Vermutlich schon mit der Idee für das nächste Video im Kopf.

Handwerk und Social Media

„Wir sehen ein enormes Potenzial darin, soziale Netzwerke für das Handwerk zu nutzen“, erklärt ein Sprecher der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald. Schließlich würden viele Berufe noch immer in einem veralteten Licht gesehen. „Es braucht neue Wege, um sich zukunftsträchtig aufzustellen.“

Die Handwerkskammer kommuniziert und informiert derzeit über Facebook, Twitter und Youtube. „Wir setzen uns darüber hinaus mit weiteren Kanälen auseinander und prüfen, was gut zu uns und unserer Zielgruppe passt“, sagt der Sprecher. „So arbeiten wir zum Beispiel daran, wie wir vor allem auch jüngere Menschen erreichen können.“ Wichtig sei dafür, die gleiche Sprache zu sprechen. Nach Angaben der Kammer lassen sich gerade Jugendliche durch soziale Medien direkt adressieren - um sie für einen Handwerksjob oder sogar als Ausbildungsbotschafter zu gewinnen. Viele Handwerksberufe lassen sich gut visualisieren, für Bilder und Videos in sozialen Netzwerken ein Vorteil. Auf Klischees und typische Rollenverteilungen wird dabei verzichtet. „Sowohl Jungen als auch Mädchen sollen gleichermaßen und ohne Vorbehalte angesprochen werden.“ Trotzdem gibt es spezialisierte Angebote - beispielsweise den „Girls’ Day“ am 28. April. An diesem Tag können speziell Mädchen verschiedene Handwerksberufe entdecken und ihre Fähigkeiten austesten.

Nachwuchsgewinnung ist das eine. Das andere ist, dass Handwerksbetriebe über soziale Netzwerke Kunden ansprechen und sich über Neuheiten in der Branche informieren.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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